Weiter geht es mit den Wolf Brothers aus den polnischen Bergen und Wäldern. Nachdem wir gestern Deer, Wolf und Wisent auf den Zahn gefühlt haben, verbleiben immer noch drei Kreaturen. Goat, Bear und Boar – zu Deutsch Ziege, Bär und Keiler bzw. Wildschwein. Vor der Ziege wurde ich bereits von freundlichen Duftkollegen gewarnt. Er soll wirklich nach Ziege riechen. Deswegen fange ich genau mit diesem sympathischen Hornvieh an.
Oh my Goat
Bei dem von Laurent Marrone kreierten Goat dürfte die Schwierigkeit auch gerade darin liegen, dass fast jeder weiß, wie Ziege riecht oder schmeckt. So ein Stück Ziegenkäse oder ein Schluck Ziegenmilch hat nun einmal einen unverkennbaren Geschmack und Geruch. Kann man diesen Duft nachahmen und so, dass man ihn dennoch als Parfum tragen möchte?
Bei Goat sind die Duftnoten nicht besonders aufschlussreich, denn die einzelnen Komponenten verschmelzen recht zügig ineinander. Ich will es trotzdem einmal versuchen. Es geht mit grünen Pflanzennoten los, kühlen Blüten- und Milchnoten, die daraufhin schnell ins Pilzige übergehen. Keineswegs modrig, eher wie frisch geschnittene Steinpilze oder Champignons. Dann wird es schwierig, ich nehme etwas Würziges wahr sowie Patschuli. Demgegenüber steht eine ledrig wirkende, wilde und animalische Seite, die bis zum Ende das Sagen hat. Wie gesagt ledrig, aber auch süß und balsamisch, mit einer Andeutung, einer Assoziation von Pipi, wie man sie des Öfteren bei besonders animalischen Düften kennt. Null eklig, aber sie ist da.
Goat riecht nach Ziege, ja, aber nur so viel, dass es noch ein Parfum bleibt, in jedem Fall eine verfeinerte, abstrahierte Form. Sicher nichts für jedermann, aber wer animalische Düfte mag und spannend findet, ist hier genau richtig.
Duftnoten von Goat
Kopfnote: Veilchenblätter, Osmanthus, Milch, Pilze, Trüffel
Herznote: Nelke, Kümmel, Zedernholz, Tanne, Patchouli
Basisnote: Vetiver, Moos, Animalische Noten, Adlerholz (Oud), Costus, Leder
Bear – bärenstark, kraftvoll glühend
Den Bear kreierte Laure Santantoni und hatte dabei nach eigener Aussage das dunkle Bärenfell im Sinn, genauso wie den Respekt, den dieser Waldbewohner zu Recht auslöst. Ich bin für meinen Teil ungemein froh, einem solchen Exemplar noch nie in freier Wildbahn begegnet zu sein. Trotz ihres mitunter behäbigen Aussehens sind sie richtig schnell und haben schon den einen oder anderen (zu) langsamen Wanderer verspeist.
Dieser duftende Meister Petz startet mit scharfen Gewürznoten, namentlich mit Ingwer und Zimt. Das Herz pudert nobel mit Iris, um in Honig- und Wachsnoten überzugehen. Unser haariger Freund hat offenbar einen Wildbienenstock geplündert und sich über den mühsam gesammelten Honig hergemacht. In der Basis wird es holzig, mit Labdanum ambriert, harzig und balsamisch, abgerundet von etwas Vanille.
Ein wunderbarer ambrierter Honigduft, golden und warm leuchtend, eine selbstbewusste, in sich ruhende Aura voller Genuss.
Duftnoten von Bear
Kopfnote: Zimt, Ingwer, Hölzer
Herznote: Iris, Honig, Bienenwachs
Basisnote: Zedernholz, Labdanum (Zistrose), Baumrinde, Vanille
Boar – schöner, jünger, Keiler
Boar widmet sich einer weiteren Waldkreatur, die wie einige andere auch immer mehr in die bewohnten Gebiete eindringt. Im Stadtgebiet von Berlin sollen es Tausende sein, die zunehmend die Scheu vor dem Menschen verlieren und durch die fehlende Bejagung zum Teil sogar tagaktiv werden. So ein Wildschwein, vor allem ein männliches, kann gut und gerne 1,8 m Länge und 300 kg Gewicht erreichen. Keine Tiere, mit denen man sich anlegen möchte.
Parfümeurin Marie-Cécile Dor stellte sich den Keiler als Bestie vor, die aggressiv und hinterhältig ist und alles frisst, was ihr in den Weg kommt.
All dies, was das Wildschwein frisst, spiegelt sich auch in der Komposition wider. Fruchtige Apfelnoten, grünes Laub (Galbanum), Pilze, dann kommt der Teststreifen an seine Grenzen. Auf der Haut scheinen bittergrüne Noten auf, Moos, Koniferen, es wird dunkler und herber, Hölzer, rauchige Wurzeln, Leder und animalische Eindrücke. Aber nichts Schmutziges oder Schweinisches, wie man befürchten könnte. Eine grüne, nadelbaumartige Frische trifft auf gezähmte animalische Noten und Hölzer. Hey, das ist ja durchaus alltagstauglich.
Duftnoten von Boar
Kopfnote: Apfel, Galbanum
Herznote: Trüffel, Moos, Tanne
Basisnote: Hölzer, Vetiver, Animalische Noten, Leder
Mein Fazit zu den Wolf Brothers
Mit Wolf Brothers haben wir keine Düfte, die direkt aus dem Bau eines wilden Tieres stammen, aber die Inspirationsquelle ist klar. Wer ein Statement setzen möchte, kann dies mit Wolf und Goat durchaus tun. Die anderen – Deer, Wisent, Bear und Boar – finden ihren Platz inmitten außergewöhnlicher Nischendüfte, sind aber weit davon entfernt, durchgeknallte Konzeptdüfte zu sein. Nische definitiv, auch eher männlich ja, aber nicht ausschließlich. Unbedingt testen, liebe Freunde! Wer hat schon, wie war Euer Eindruck?
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