Mit Indult und J.F. Schwarzlose sind heute zwei Marken im Duft-Tagebuch zu vertreten, die man ohne Weiteres als seltene Gäste bezeichnen könnte. Insbesondere bei Indult mussten wir lange auf einen Nachfolgerduft warten, nachdem Francis Kurkdjian das Unternehmen 2013 an Kim Charles übergeben hatte, der die Marke – die sich eigentlich in der Auflösung befand – am Leben erhielt. Auch das Berliner Ur-Label J.F. Schwarzlose wurde 2012 reanimiert. Nachdem es auf eine über hundert Jahre lange Unternehmensgeschichte zurückblicken konnte, entschloss sich die Gründerfamilie schweren Herzens in den 1970er Jahren zur Aufgabe.
Doch einmal mehr zeigt sich, dass ein Ende auch ein Neuanfang sein kann. Den viel zitierten Spruch mit der Tür, die sich schließt, um alsbald den Weg durch eine neu Geöffnete freizugeben, verkneife ich mir hier, weil ich den ebenso abgegriffen finde, wie das Lichtchen, das uns in verzweifelter Lage den Weg weist. Beide Redewendungen möchten uns ein Fünkchen Hoffnung spenden – und die stirbt ja bekanntlich zuletzt. 😉
My Ju-Ju – Indult
My Ju-Ju klingt ein wenig kindlich-verspielt und das nicht ohne Grund. Kim Charles, der Inhaber von Indult, nennt sein Kind liebevoll Ju-Ju und wollte einen Duft erschaffen, der die besondere Beziehung zwischen ihm und seinem Spross widerspiegelt. Gleichzeitig bezieht sich das Wort Ju-Ju laut Pressetext auch auf eine magisch anmutende Philosophie, die Folgendes besagt: „Nach der Juju-Philosophie erhalten zwei Wesen, die miteinander in Kontakt stehen, ähnliche Eigenschaften, die auch bei einer Trennung erhalten bleiben.“
Parfümeurin Nathalie Feisthauer war für die Kreation des neusten Eau de Parfum aus dem Hause Indult zuständig. Langjährige Nischenduftfans werden sich erinnern, dass die Marke Mitte der 2000er von keinem Geringeren als Francis Kurkdijan gegründet wurde. Zwischen 2006 und 2008 entwickelte und lancierte er fünf limitierte Düfte, von denen vier auch heute noch bei Aus Liebe zum Duft erhältlich sind: Tihota, Rêve en Cuir, Manakara und Isvaraya.
Die Gründung des eigenen Labels Maison Francis Kurkdjian besiegelte – wie wir bereits erfahren haben – fast das Ende der kleinen, aber feinen Marke Indult. Retter in der Not wurde Kim Charles, dem wir es zu verdanken haben, dass dreizehn Jahre nach der letzten Lancierung nun endlich ein neues Eau de Parfum das Licht der Indult-Welt erblickt.
Die Zusammenarbeit mit Nathalie Feisthauer, deren Arbeitseifer unermesslich scheint, wenn man berücksichtigt, dass ich in letzter Zeit gefühlt ausschließlich Düfte aus ihrer Feder rezensiere, zog sich über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren hin, bis das olfaktorische Ergebnis für beide perfekt war. Die Ingredienzien von My Ju-Ju klingen absolut verführerisch: Bergamotte, Mandarine, Rote Beeren, Maiglöckchen, Jasmin, Kardamom, Hedion, Tonkabohne, Vanille, Zedernholz, Vetiver, Kaffee, Ambra und Moschus.
Voller Liebe und Fürsorge
Trotz zart-zitrischem und fruchtigem Start merkt man My Ju-Ju sofort an, dass es ein ganz warmes, wohliges und kuscheliges Duftgewächs ist. Schon früh gesellen sich liebliche Blüten hinzu, die von zart-grünlichen Gewürzen untermalt werden. Maiglöckchen und Jasmin treffen auf Kardamom und Tonkabohne, gebettet auf eine rotfruchtige Beerensüße, die mit einem Spritzer Zitrusfrucht akzentuiert wurde.
Hedion unterstreicht das üppig-florale Bouquet. Dabei besitzt My Ju-Ju trotz aller Präsenz eine gewisse Transparenz sowie jenes Flimmern und Schillern, das Hedion Düften gerne verleiht. Nach und nach tauchen die üblichen Basisverdächtigen Zedernholz, Moschus, Vetiver und Ambra die Kreation aus dem Hause Indult in eine sanfte Wärme, die von balsamisch-süßlichen Holznoten und einer cremig-erdigen Pudrigkeit getragen wird. Kaffee sorgt mit seinen dunkel-gourmandigen Röstnoten für Spannung und Abrundung.
My Ju-Ju ist eine samtige und weiche Blüten-Frucht-Kombi, die von zart-vanilligem Kaffeegourmand und einer ambriert-zedernholzigen Wärme untermalt wird. Ein Duft, der irgendwie nostalgisch wirkt, aber auch unendlich friedlich und liebevoll. Eine duftgewordene Liebeserklärung eines Vaters an sein Kind – ich tippe auf eine erwachsene Tochter. Zauberhaft, betörend und dennoch irgendwie luftig sehe ich My Ju-Ju eher in der kühleren Jahreszeit, als im Sommer.
Fougair – J.F. Schwarzlose
J.F. Schwarzlose blickt auf eine traditionsreiche und mitunter turbulente Vergangenheit zurück. Wie ich bereits erwähnte, wurde die Berliner Marke 2012 wiederbelebt nach der Schließung Mitte der 1970er. Der international bekannte Designer Lutz Herrmann, die Parfümeurin Véronique Nyberg und Marketing- und Vertriebsspezialist Tamas Tagscherer nahmen sich J.F. Schwarzlose an und legten nicht nur altbewährte Düfte wieder auf, sondern lancierten auch neue – ganz im Stile es Berliner Urgesteins der Parfümerien.
Fougair ist nun also der jüngste Spross. Ein Duft, dem das Label die futuristischen Attribute „visionAIR“ und „revolutionAIR“ zuspricht und das die Parfümeurin Nyberg „jenseits klassischer Genrezuordnungen komponiert“ hat. Ein modern interpretierter Fougère soll es sein, innovativ, radikal und umwerfend.
Die Duftnoten darf ich Euch noch mitteilen: Farn, Bergamotte, Rosa Pfeffer, Buchsbaum, Wermut, Zypresse, Patchouli, Tannenbalsam und Ambra sind die Zutaten dieser Fougère-Interpretation aus dem Hause J.F. Schwarzlose.
Im Großstadtdschungel
Grün-waldige Noten eröffnen fougair, unterlegt von herber Bergamotte, die dem Duft eine prickelnde Frische einhaucht. Würzig-krautige und kräuterig anmutende Nuancen stoßen hinzu, dezent scharf und markant. Kühl ist die Kreation von J.F. Schwarzlose und trifft dabei die Stimmung eines Spaziergangs durch einen üppigen Wald durchaus gekonnt. Nadel- und Laubbäume stehen Seite an Seite. Kleinere Findlinge, von dichtem Moos überzogen, säumen den Waldboden. Im Schatten des dichten Blattwerks finden sich Farne, deren gefiedertes Grün sich voller Anmut im leichten Luftzug wiegt.
An Blattsaft erinnernde Facetten durchziehen den Duft, bevor sich auf meiner Haut langsam wärmere und sanftere Noten bemerkbar machen. Der Teststreifen verbleibt im grün-würzigen und waldigen Duftspektrum. Tannenbalsam, Patchouli und Ambra verleihen fougair im Ausklang Tiefe und Dichte, intensiviert aber auch die Frische, die der Kreation von Beginn an zugrunde liegt.
fougair ist ein modern interpretierter grünlicher-würziger Waldduft mit Fougère-Anklängen, herb, frisch, maskulin anmutend und mit einem charakteristischen Barbershop-Finish versehen. Ein Duft, der modern und klassisch zugleich wirkt, der Ruhe, Entspannung und eine kontemplative Stimmung ausstrahlt. Mit einer mittleren Präsenz und einer guten Sillage versehen, ist das Eau de Parfum von J.F. Schwarzlose ein angenehmer und alltagstauglicher Duftbegleiter, den ich keiner bestimmten Jahreszeit oder Alter zuordnen würde.
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