Die heutige Rezension von Odisiaque No.6 folgt dem Interview vom Dienstag, dass ich mit Olivia Bransbourg, der Gründerin von Sous Le Manteau, führen durfte (nachzulesen hier). Wie ihr im Interview und ich in unserem E-Mail-Kontakt der letzten Monate erfahren konnte, zeichnet sich die Marke nicht nur durch eine überaus sympathische, herzliche und offene Gründerin aus, sondern hat sich auch einem spannenden und hochinteressanten Thema verschrieben. Sous Le Manteau nutzt alte Rezeptbücher aus dem 19. Jahrhundert für seine olfaktorischen Liebestränke, wie man die Parfums der Marke durchaus bezeichnen könnte.
Wo alles begann …
Ein alter Flohmarkt in Paris kann als Geburtsort von Sous Le Manteau angesehen werden, denn hier fand Olivia Bransbourg historische Amtsbücher, in denen die Rezepturen diverser Tränke notiert waren. All das erinnert mich ungemein an die Anfangsszene in Das Parfüm von Patrick Süßkind, in dem der duftbesessene Protagonist Grenouille auf einem Markt in Paris das Licht der Welt erblickte. Selbstverständlich kann man den von nahezu unerträglichen Odeuren geprägten Markt im Buche nicht mit dem modernen Flohmarkt vergleichen. Und natürlich stammen die Amtsbücher aus dem 19. Jahrhundert, während das Werk Süßkinds im 18. Jahrhundert spielt. Doch irgendetwas in mir knüpft hier eine Art von Verbindung, auch wenn ich den Grund hierfür nicht wirklich greifen kann.
Nach dem spannenden Buchfund in Paris setzte sich Olivia mit der Parfümeurin Nathalie Feisthauer in Verbindung, deren Duftkompositionen hier regelmäßig zur Rezension stehen. Bei Aus Liebe zum Duft findet man beispielweise ihre Kreationen für État Libre d’Orange, für Nomenclature, für Aedes de Venustas, Comme des Garçons, Maison Crivelli und mehr. Die charismatische Parfümeurin ist viel beschäftigt, erfolgreich und entzückt uns in regelmäßigen Abständen mit neuen Düften, die ihrem kreativen Geiste entspringen.
Die Zusammenarbeit mit Sous Le Manteau ist fruchtbar. Bereits sechs Duftkompositionen haben Olivia und Nathalie erarbeitet. Alle sind eine modernisierte Version eines Liebestrankrezepts aus dem genannten antiken Flohmarktfund, den die beiden Damen für die Liebenden der heutigen Zeit geschaffen haben. Das ist nicht nur überaus romantisch. In chaotischen und irritierenden Zeiten wie diesen kann es eigentlich gar nicht genug Liebe und Harmonie auf der Welt geben, wie ich finde. 🙂
Odisiaque No.6 – Ode an die Liebe
Odisiaque No.6 ist nun also das jüngste Werk von Sous Le Manteau und wurde inspiriert von einer Rezeptur von Jean Claude Adrien Helvétius, seines Zeichens erster Hofarzt des französischen Königs Ludwig XV. sowie seiner Gattin. Aus seiner Feder stammt die ursprüngliche Formel, die wohl der Lustförderung dienen sollte.
Die „geheime“ und innovative Zutat in der Komposition ist Kaskarilla. Die Rinde des in der Karibik beheimateten Kaskarillabaumes (Croton eluteria) wird schon seit langem als Räucherwerk und in der Volksmedizin verwendet. Wer gerne Campari trinkt, kam auch schon mit Kaskarillarinde in Kontakt, die zur Aromatisierung des italienischen Bitterlikörs genutzt wird. In der Parfümerie wird das ätherische Cascarillaöl eher selten eingesetzt. Es zeichnet sich durch einen würzig-holzigen und moschusartigen Duft aus, der an Zimt und Pfeffer erinnert, aber auch die Noten von Kräutern in sich tragen kann.
Neben Kaskarilla setzte Nathalie Feisthauer für Odisiaque No.6 von Sous Le Manteau auch die Ingredienzien Bergamotte, Geranium, Elemiharz, Liatrix, Mate, Vetiver, Tonkabohne, Tabak und Heu ein. Neben der eher ungeläufigen Kaskarillarinde fällt eine weitere Duftnote ins Auge, die auch eingefleischte Duftliebhaber unter Umständen nicht sofort einordnen können: Liatrix. Das Absolue von Liatris odoratissima, einer zu den Korbblütlern gehörenden Pflanze, die an der südlichen Ostküste der Vereinigten Staaten beheimatet ist und dort unter den Namen Hirschzunge, Vanilleblatt oder Wilde Vanille bekannt ist, besitzt einen Tabak-artigen und balsamischen Duft.
Der Pflanze wurden magische Eigenschaften zugesprochen, mit denen man andere Menschen verführen, umschmeicheln, überreden und umgarnen können soll. Nicht nur in Liebesdingen soll das Kraut wirken, indem es das Interesse des oder der Auserwählte/n auf eine bestimmte Person lenkt. Auch in Gerichtsverfahren, in beruflichen Angelegenheiten soll demjenigen das Schicksal gnädig sein, der Liatris einsetzt. Der Name Vanilleblatt kommt nicht von ungefähr. Eine hohe Konzentration von Cumarin in der Pflanze sorgt für den charakteristischen Duft, der vermutlich für die magische Wirkung verantwortlich sein soll.
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Einem zart-zitrischen Auftakt, der von den dezent herben Zitrusnoten der Bergamotte geprägt ist, folgt alsbald eine dunklere Facette. Waldige und sanft erdige Nuancen tauchen im Duftgeschehen auf, schon früh untermalt von einer sanften Pudrigkeit, die zu Beginn eher kühl anmutet. Würzig, holzig und rauchig zeigt sich Odisiaque No.6 als schwer greifbarer Geselle, dem gewisse mystische Akzente innewohnen.
Immer wieder tauchen die zitrischen Noten ins Duftgeschehen ab, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen. Hell und cremig ist der Vetiver, der sich mit dem Moschuspuder der Kaskarilla vereint, um sich alsbald in ein Bett aus Cumarin fallen zu lassen und dort ganz allmählich zur Ruhe zu kommen. Sanft ist die Wärme der Tabakblätter, deren balsamische Nuancen den Duft von Sous Le Manteau untermalen.
Odisiaque No.6 von Sous Le Manteau schließt nahtlos an die wunderschönen Kreationen der Kollektion an. Es ist ein feiner, ein eleganter und ausdrucksstarker Duft, der sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern als perfekter und beständiger Duftbegleiter fungiert. Diese sanfte Pudernote, die Nathalie Feisthauer auch schon in Poudre Impériale so gekonnt umgesetzt hat, fasziniert und verführt. Toll ist, dass Odisiaque No.6 ohne jegliche Süße auszukommen scheint, die cremig-weiche Moschusnoten sonst gerne mal in sich tragen. Die neuste Duftkomposition von Sous Le Manteazu wirkt edel und erhaben. Ein olfaktorisches Schmuckstück, das durch Eleganz, Raffinesse und Distinguiertheit besticht.
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