Zwei neue Düfte sehen wir uns heute genauer an, und zwar Synthetic Jungle von Frédéric Malle und Sundowner von Andy Tauer. Zugegebenermaßen dürften beide recht unterschiedlich sein, doch eben darin liegt ja bekanntlich häufig das Spannende. Während Sundowner typischerweise von Andy Tauer, dem Schweizer Parfumautodidakten mit dem spitzbübischen Lächeln, selbst komponiert wurde, stammt Synthetic Jungle aus der Duftfeder der Parfümeurin Anne Flipo. Damit ist der Frédéric-Malle-Duft eine Art Premiere, denn Flipo war zum ersten Male für das französische Luxuslabel tätig. Aber schnacken wir nicht lange rum, sondern stürzen uns lieber gleich ins duftende Geschehen!
Synthetic Jungle – Frédéric Malle
Mit Synthetic Jungle präsentiert Frédéric Malle nicht nur einen offensichtlich grünen Duft, der allem Anschein nach nicht ausschließlich aus rein natürlichen Rohstoffen kreiert wurde – der Name gibt hier schon allerlei Hinweise –, es scheint auch eine Hommage an die Parfümeurin Anne Flipo und deren kreative Arbeit zu sein. Der Pressetext lobt jedenfalls ihre künstlerischen Werke und erwähnt ebenso ihre Vorliebe für grünlich-florale Düfte, wegen derer sie Frédéric Malle wie geschaffen für die Entwicklung von Synthetic Jungle schien.
Anne Flipo sollte einen Duft erschaffen, der sich an Private Collection von Estée Lauder orientiert, der im Jahre 1973 lanciert wurde. Eine grüne und florale Komposition, üppig und intensiv. Diese Kreation zerlegte Flipo in ihre Einzelkomponenten, entfernte jegliche Facetten, die heutzutage als angestaubt gelten könnten und erschuf so einen modernen und minimalistischen Gründuft, dem ein legendäres Herz innewohnt. Sozusagen ein innovativer Klassiker in zeitgenössischem Gewand.
Mit den Ingredienzien Basilikum, Galbanum, Maiglöckchen, Jasmin und Patchouli evoziert Anne Flipo den synthetisch anmutenden grünen Dschungel aus dem Hause Frédéric Malle.
Welcome to the jungle
Knarzige grüne Blattsaftnoten, kräuterig angehaucht und mit einer Prise frisch gemähtem Gras versehen, eröffnen Synthetic Jungle und evozieren einen strahlenden und nahezu leuchtenden Duftcharakter, der ungewöhnlich und faszinierend zugleich ist. Die Farbvorgabe für Anne Flipo war Grün und diese hat sie – zumindest bisher – hervorragend getroffen. Langsam schiebt sich das Maiglöckchen ins Duftgeschehen, hell und luzide, mit betörenden und trockenen Noten.
Der Pressetext spricht außerdem von Hyazinthe und auch die vermeine ich wahrzunehmen. Wer eine gewisse Süße im Blütenbouquet erwartet, liegt falsch. Dank der intensiven Grüntöne verbleiben die Blüten im unsüßen Milieu. Jasmin unterlegt die Komposition mit einer hellen Cremigkeit und – wüsste ich es nicht besser – würde ich sogar vermuten, eine grünliche Tuberose zu erschnuppern … hier spielt mir meine Nase und/oder meine Haut jedoch wohl einen Streich. Mit seifig angehauchten grünlichen Weißblühernoten klingt die Kreation schließlich aus.
Synthetic Jungle wirkt auf mich weniger synthetisch als erwartet. Kein schillernder Molekülduft im Stile von Escentric Molecules, sondern ein Duft, der mich eher an Byredos La Tulipe erinnert. Kräftig und präsent zeigt sich Synthetic Jungle als Hommage an die Farbe Grün, das Maiglöckchen und die Parfümeurin Anne Flipo. Freunde von außergewöhnlichen Kompositionen mit grüner Seele sollten sich Synthetic Jungle von Frédéric Malle unbedingt auf ihre To-try-Liste setzen. 🙂
Sundowner – Andy Tauer
Sundowner, unsere Nummer 2 heute, beschäftigt sich thematisch mit dem Nil oder – genauer gesagt – mit der Nilinsel Elephantine, die sich auf der Höhe der ägyptischen Stadt Assuan befindet. Die Insel beherbergt manch archäologischen Schatz. Zahlreiche Festungen, Tempel und weitere antike Sehenswürdigkeiten können heutzutage von Touristen auf Elephantine besichtigt werden. Neben einem Museum befinden sich außerdem noch zwei Dörfer mit zahlreichen Gästehäusern und ein Luxushotel auf der kleinen Insel.
Der Pressetext zum Duft offenbart eine Szene, die sich auf der Terrasse eines der Gästehäuser oder eben jenes Luxusresorts zugetragen haben könnte. Einen leckeren Drink in der Hand haltend, genießt man – eventuell Andy Tauer selbst – den Sonnenuntergang auf der Insel Elephantine, die Wärme von Luft und Sonne und die einzigartige orientalische Atmosphäre.
Andy Tauer selbst war federführend bei der Entwicklung des Dufts und kreierte Sundowner aus den Ingredienzien Zitrische Noten, Zimt, Rose, Kakao, Tabak, Nagarmotha, Sandelholz, Tonkabohne, Ambra und Vanille.
Unter der Sonne Ägyptens
Sundowner präsentiert sich bereits im Auftakt – ganz Tauer-typisch – als echter Kracher. Üppige Gewürze treffen auf krautig-aromatische und rauchig anmutende Tabakblätter, die ohne Honigsüße auskommen, sich dafür aber sogleich in die Arme einer düsteren Kakaoherbe werfen, um mit dieser eine flotte Sohle auf das olfaktorische Parkett zu legen.
Nagarmotha untermalt diese Melange mit erdig-waldigen Wurzelnoten. In dieser Stimmung bleibt die Kreation von Andy Tauer eine ganze Weile, bevor Sandelholz ganz allmählich samtig-holzige Nuancen mit ins Spiel bringt, die von den weichen Ledernoten der Ambra unterstrichen werden.
Sundowner ist eine üppige und würzige Mischung aus Tabak, Ambra und Kakao. Ein typischer Tauer, der präsent und intensiv ist, der seinen Träger mitunter auch mal ein wenig stutzig und überrascht am Handgelenk schnuppern lässt. Kein gefälliger Sonnenuntergangsduft, den uns Tauer da kredenzt, sondern ein Statement, wie man es von ihm kennt. Wer Gewürzdüfte mit Wumms und orientalischem Flair liebt, wer Tabakdüfte gerne mag und/oder den Kreationen von Andy Tauer gemeinhin verfallen ist, dem lege ich Sundowner unbedingt ans Herz. 🙂
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