Ich hatte wieder einmal die große Ehre, das Mikrofon für ein Interview schwingen zu dürfen, und zwar mit Daniel Plettenberg, dem Mit-Gründer des Hamburger Nischenduftlabels Atelier PMP. Die Kreationen des Dufthauses tragen markige Namen wie Dreckig bleiben oder Anti Anti und haben eines gemeinsam: Sie tragen eine besondere Botschaft in sich, setzen ein Statement und nehmen sich durchaus auch schwieriger Themen an – wie etwa politischer und gesellschaftskritischer.
Das Interview mit Daniel fand bereits vor einer geraumen Zeit statt. Er war tatsächlich mein erster Gesprächspartner, den ich nicht schriftlich, sondern live via Video-Call interviewt habe, was uns beiden richtig viel Spaß gemacht hat. 🙂 Entsprechend ist das Interview – wieder einmal – etwas länger und ausführlicher geworden, weshalb ich es nun in gewohnter Manier aufteile und heute den ersten Teil präsentiere. Doch lassen wir unseren Interviewgast jetzt am besten persönlich zu Wort kommen.
Herzlich willkommen im Duft-Tagebuch, Daniel Plettenberg!
Lieber Daniel, magst Du uns erzählen, wie es zur Gründung Deines eigenen Nischenduftlabels kam?
Naja, ich bin ja mit Stefanie Mayr zusammen bei Atelier PMP. Wir sind also zu zweit und sind zwei sehr unterschiedliche Typen. Stefanie Mayr hat seit über 20 Jahren ein Modelabel mitten auf St. Pauli, das auch so ein bisschen punkig ist. Oder damals sehr punkig war, heute ist es einfach ein tolles Modelabel, das aus einer sehr politischen Ecke kommt. Am Anfang hat sie T-Shirts gemacht, die einen spannenden politischen Aufdruck hatten. Relativ berühmt sind zwei Panzer, die sich gegenüberstehen, und dazwischen steht „Bis einer heult“. Solche Sachen hat sie gemacht, um damit ein bisschen zu spielen. Also, insofern kann man sie als politische Modemacherin bezeichnen, falls es den Ausdruck gibt.
Und ich mache ganz viel Markenberatung, entwickle Marken, mache Marktforschung, Trendanalysen und solche Sachen. Gleichzeitig bin ich seit vielen, vielen Jahren ein LGBTIQ-Aktivist, stehe auf der Bühne und mache ganz viele Veranstaltungen und solche Sachen. Wir kommen beide also aus dem St.-Pauli-Umfeld, sind so St.-Pauli-Pflanzen.
Und wie kamt Ihr dann zum Thema Duft?
Vor ungefähr 25 Jahren hat Steffi (Anm. d. Red.: Stefanie Mayr) mit dem Parfümeur Mark Buxton und ein paar anderen Leuten einen Duft gemacht, der hieß damals Unifaith, also „ein Glaube“. Davon gab es nur 350 Flaschen, wenn ich mich richtig erinnere. Also stark limitiert. Luca Turin, einer der Parfumpäpste, hat damals geschrieben, dass das der beste Duft ist, der in den letzten 30 Jahren gemacht wurde. Ich hab das gelesen und dachte: Waaas, bei uns auf St. Pauli? Von Steffi? Da muss ich rübergehen und mir schnell einen Flakon holen. Aber leider waren die Parfums schon lange ausverkauft und man kam da nicht mehr dran.
Oh, und dann?
Ich meinte dann, dass wir doch eine Neuauflage machen können. Das konnte doch nicht so schwer sein. War es aber dann bedauerlicherweise doch, weil damals (Anm. d. Red.: bei der Entwicklung von Unifaith) ganz viele Leute mit dabei waren. Es gab keine Verträge, weshalb das juristisch alles super kompliziert war. Selbst mit meiner positiven Lasst-uns-einfach-machen-Power war da nichts zu machen. Dann war ich erst eine Woche lang total gekränkt und dachte, wie doof das doch alles ist. Aber nach einer Woche Schmollen bin ich dann zu Steffi gegangen und meinte zu ihr: Weißt Du was? Dann machen wir eben ein neues Parfum. Ein besseres.
So ging dann alles los?
Das war dann der Anfang. Es war einfach sehr lustig, denn wir hatten beide kein Geld. Es gab nur die Idee, dass das erste Parfum Dreckig bleiben heißen muss. Dreckig bleiben war einer der Sprüche, die Steffi auf einem ihrer (Anm. d. Red: selbst designten) T-Shirts aufgedruckt hatte. Der Name dreht sich um eine bestimmte Idee: Was ist der Moment, in dem es okay ist, dreckig zu bleiben?
Das ist meistens dann, wenn man mit seiner Familie zusammen ist oder mit den besten Freunden. Wir haben diese Idee dann ein bisschen ausgeweitet und haben unser kreatives Bild dazu geformt: Mit den besten Freunden am Lagerfeuer zu sitzen. Hier unten am Elbstrand. Und dann hat man eben seine alte Jogginghose an. Man trinkt den Rotwein aus einem Senfglas und es ist total egal, weil man so authentisch, so wahrhaftig man selbst ist, dass man eben dann dort „Dreckig bleiben“ darf.
Und mit dieser Idee hab ich dann – wie es eben mein Job ist – ein schönes Exposé geschrieben. Steffi und ich haben dann gesagt, dann klingeln wir mal in Paris an bei den 10 besten Parfümeuren dieser Welt an. Denn mit dem Namen Dreckig bleiben war auch klar, dass wir nicht irgendjemanden (Anm. d. Red.: für die Entwicklung) nehmen können, sonst wird es ein Scherzprodukt und landet in irgendeiner Drogerie als Parfum, über das man verstohlen kichert. Also wenn, dann musste es schon einer der besten Parfümeure machen oder gar nicht.
Wie ging es weiter?
Dann sind wir nach Paris gefahren und haben geklopft. Zu unserer Überraschung haben von den zehn Parfümeuren, die wir uns ausgesucht haben, gleich acht gesagt, dass es interessant für sie ist und sie die Idee sofort umsetzen würden. Als wir dann gesagt haben, dass wir keinen Pfennig an Geld haben, waren trotzdem noch sechs dabei, die meinten, dass man das schon irgendwie umsetzen kann.
Entschieden habt Ihr Euch dann für Mark Buxton …
Ja, Mark Buxton war damals für uns am spannendsten. Mit den ganzen Comme-des-Garçons-Düften hat er einfach so ungewöhnliche Düfte gemacht und für uns mit diesem besonderen Konzept von Rauch, der nicht unangenehm nach Rauch stinkt, am besten gepasst hat. Er hat uns dann das Parfum Dreckig bleiben gebastelt und der ist – wie ich immer noch finde – sensationell. Ein unglaublich schöner, toller Duft.
Dann war ich mal ganz kurz ein bisschen schlau und hab gesagt, dass wir nur in Japan und New York Werbung machen. Wir haben 2012 mit Dreckig bleiben gestartet, damals war die Blogger-Szene noch ein bisschen anders. Man konnte Proben also einfach mal wohin schicken (Anm. d. Red.: zu einem Blogger) und die Leute waren dankbar, dass es etwas zu berichten gibt. Unsere Werbung hat in Japan für ein bisschen Aufruhr gesorgt und für spannende Blogbeiträge in New York.
Dann ist es passiert, dass die New Yorker Vogue die deutsche Vogue angerufen hat und nachgefragt hat, was das für ein toller neuer Duft aus Deutschland ist, über den die Blogger in New York so begeistert schreiben. Und die deutsche Vogue wusste lustigerweise von gar nichts. Dadurch entstand dann die Situation, dass in Deutschland ganz viele nachgefragt haben: Hey, wer ist das? Wer macht das (Anm. d. Red.: Parfum Dreckig bleiben) eigentlich? Wir hatten dann mit unserem ersten Duft einen guten Erfolg – bis heute ist Dreckig bleiben unser Top-Seller. Ja, Dreckig bleiben! Damit hat alles angefangen.
Und dann kam Concrete Flower?
Genau, unsere Nummer Zwei war dann eben Concrete Flower. Da war die Idee, einen Duft zu schaffen, der so unmittelbar ist wie Graffiti. Street-Art. Egal, ob man es mag oder auch nicht, es ist einfach da und hat so eine eigene Präsenz und Kraft. Der Name Concrete Flower kommt daher, weil es den Beton zum Blühen bringt. Bei diesem Duft hatte Mark Buxton die Idee, das Ingweröl so hochzudrehen, dass es fast wie Lack riecht. Es ist eine tolle Mischung aus asiatischen Kräutern, die dann hin zu Kräutern der Provence gehen und gleichzeitig etwas Kühles besitzt, das an Stein erinnert.
To be continued …
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