ist es für mich dieser Tage wirklich ein Graus: Momentan häuft sich einfach alles. Wir haben soo viele neue Düfte im Shop, die ich Euch gerne vorstellen möchte, dazu kommen etliche neue oder auch neue alte Linien, die ich ebenfalls gerne in ihrer Ganzheit rezensieren würde, dann gesellen sich noch meine 237 Ideen hinzu, Artikel, die ich schon lange einmal schreiben wollte… Ich komme mir gerade ein bißchen vor wie Sisyphos: Kaum habe ich einen Stapel Duftfelsen den Berg hinaufgerollt, ergo vorgestellt, entfleucht mir der Fels wieder und ich muß von Neuem starten oder vielmehr: fünf Düfte rezensiert, fünfundzwanzig Neue hinzu oder so ähnlich. Nun ja, da hilft wohl nichts anderes als Kontinuität und Beharrlichkeit, ich bleibe am Ball oder besser am Duft 😉
Gestern hatte ich Euch den Signatureduft von Iris von Arnim vorgestelllt, den jene zusammen mit der Hamburger Parfumeurin Kim Weisswange kreierte. Nebenbei hatte ich hier bemerkt, daß Frau Weisswange annähernd zeitgleich auch noch für zwei andere Hamburger Labels Düfte kreierte – für Uli Schneider und Herr von Eden, deren Düfte ich Euch deshalb noch den Rest der Woche vorstellen mag.
Das Label (von) Uli Schneider besteht seit 1990 und ist nach eigenem Bekunden ein „Avantgarde“-Label mit „eigener Handschrift“, welches mit seinen Kollektionen durch „Stilsicherheit und hochwertige eigene Materialien“ besticht, „auf Understatement und edelste Materialien“ setzt und sich zu „Transparenz und klaren Linien“ hingezogen fühlt. Für mich eine recht zutreffende Eigencharakterisierung: Ich nenne einige Teilchen von Frau Schneider mein Eigen und sie zeichnen sich eben gerade durch die ansonsten eher aus Japan oder Belgien stammenden, teils architektonisch anmutenden und sehr puristischen Schnitte aus.
Die beiden Düfte von Uli Schneider wurden 2009 erstmalig lanciert und ergeben zusammen das „two of a kind“ benannte Duftkonzept: „Ein blumig frischer Tagesbegleiter und eine kräftigere Variante für den großen Auftritt am Abend“ sollen sie darstellen und sich somit ergänzen . Dieses „Konzept“ hat mich ein bißchen an die beiden Boatengs erinnert oder an Norma Kamalis Baby und Incense – wobei letztere, eigentlich letzterer ungeschlagen sind… sollte jemand einmal einen Weihrauch für Fortgeschritttene suchen, einen für 18, keinen für Anfänger, einen kompromisslosen – dann empfehle ich diesen hier, immer wieder gerne. Das nur am Rande.
Wenden wir uns wieder Frau Schneider zu. Sie selbst definiert laut ihrer Homepage ihren Stil als „Mode für die moderne, anspruchsvolle Frau – feminin, sexy und elegant. Meine Kundinnen sollen sich in meinen Kreationen den ganzen Tag über rundum wohl fühlen – ob am Vormittag im Meeting oder Abends im Restaurant oder in der Oper.“ Diesen Anspruch hat sie auch an ihr Duftduo, die, natürlich, auch in schwarz und weiß gehalten sind wie zwei (Gegen)Pole, die sich perfekt ergänzen.
No. 1 ist der Duft für den Abend – Madame Schneiders Tage beginnen also mit den Nächten, interessant, eine klare Priorität 😉
Die Ingredienzen: Kopfnote: Piment, Anis, Rosenholz, Pflaume, Mazis (Muskatblüte), Mandarine, Orange; Herznote: Magnolie, Tuberose, Ylang-Ylang, Zimt, Nelke; Basisnote: Zedernholz, Opoponax, Vanille, Moschus, Sandelholz, Vetiver.
… ehrlich gesagt sitze ich jetzt schon seit geraumer Zeit und überlege, was ich den so schreiben könnte… Beim Thema Abend und besagtem großem Auftritt geht mir jede Menge durch den Kopf: Dramatik und Theatralik, Präsenz, große Feiern mit großen Augenblicken, Festlichkeit oder auch nur Eintauchen in die glitzernden Lichter einer Großstadt und sich treiben lassen von Stelle zu Stelle oder besser: Lokalität zu Lokalität bis der Morgen graut – und das eben gerade nicht als graue Katze.
Nur hat die No. 1 davon so gar nichts – sie ist weder opulent noch ausufernd, nicht wirklich verführerisch, auch nicht betont betörend…
Wenn schon Nacht findet sich hier eher vielleicht ein Romantiker wieder und ich fühle mich an Chopins Nocturnes erinnert, genauer an Opus 9 No. 2, dieses populäre Stück: Mitternächtliche Naturbetrachtungen stelle ich mir dazu immer vor, einen einsamen Spaziergang bei fahlem Mondenschein, in dem man sich ganz seinen Gedanken reflektierend hingibt, innehält und, Rast machend, jene vertiefend in der Stille der Nacht.
Ein leiser, zurückhaltender, unaufdringlicher und hautnaher Duft, insofern sicherlich Understatement wie von Frau Schneider verkündet – kurz nach dem Auftragen ein paar fruchtig-frische Anklänge, die umso schneller von dem Herzen eingeholt werden: Sanft floral anmutend, vordergründig aber weich und mit einer sauberen Süße ausgestattet, die mich in ihrer Leichtigkeit an Schaumgebäck erinnert. Alles in allem – eine zarte Aura, feminin und sinnlich, anschmiegsam. Aber kein Duft, um das Haus zu rocken, egal welches – was ja aber nicht von Nachteil sein muß meine Lieben 😉
Die No. 2 ist überwiegend grün im Auftakt, läßt aber wenige Momente später schon die ersten Blüten durchblitzen: Ein kräftiges Alpenveilchen mit seinen naturaliter kauzig-aquatischen Anmutungen, welche von Pfingstrose und einem sauber-frischen Maiglöckchen unterstrichen werden. Sämtliche Zitrusfrüchte schluckt zumindest meine Haut gänzlich – auf dem Teststreifen leuchten diese immer wieder am Rande auf in säuerlicher Spritzigkeit. Hier zeigt sich ohnehin eine krasse Differenz zwischen Papier und Arm: Auf letztem entwickelt sich die No. 2 in ein Blütenbouquet mit kräftig Blattgrün umrankt und in einem kleinen Holzkörbchen gelegen. Der Teststreifen dahingegen macht daraus ein Stilleben und ergänzt um die Hesperiden, welche den Duft dort ingesamt sportlicher und dynamischer wirken lassen als er sich an mir präsentiert – hier zeigt sich, oh Wunder, eher die feminine Seite. Macht nichts, heißt aber: Bitte in jedem Falle selbst auf der Haut testen.
Die Ingredienzen: Kopfnote: Grüne Noten, Bergamotte, Zitrone, Melone, Pfirsich, Orangenblüte, Veilchen; Herznote: Pfingstrose, Alpenveilchen, Rose, Jasmin, Tee, Maiglöckchen, Lavendel
Basisnote: Zedernholz, Patchouli, Tonkabohne, Moschus, Sandelholz.
Resümierend läßt sich feststellen, daß der Understatementcharakter von Uli Schneiders Mode mit diesen Düften eingefangen werden konnte genauso wie deren Femininität – lediglich erwecken die vornehmlich in Schwarz, Weiß, Grau und Rot gehaltenen Modelle einen entschiedeneren Eindruck. Two of a kind gehört farbentechnisch eher in die Ecke der Taupe- und Schlammfarben, der wärmeren Töne… Für jemand, der mit klaren Formen und Minimalismus kantige Love-it-or-hate-it-Düfte verbindet dürfte das Duo nichts sein – für Freunde leiserer oflaktorischer Tonarten sehr wohl.
Gibt es schon Stimmen, kennt Ihr Sie schon?
Ganz viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
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