Die vergessene Perle: Lubins Ausnahme-Hesperidenduft L’Eau Neuve.

Moi, der Komplettierer: Jetzt habe ich die letzten beiden Tage schon von Lubin gesprochen und auch Inédite bereits vorgestellt, das ja auf dem L’Eau Neuve basieren soll… Ich wollte den Zusammenhang natürlich entdecken und habe mein Pröbchen L’Eau Neuve aus dem letzten Winkel meiner Schublade herausgekramt. Mit dem Ergebnis, daß mir der Zusammenhang zu Inédite zwar nicht klar(er) ist, mir aber mal wieder aufgefallen ist, was für ein toller Ausnahmenhesperide L’Eau Neuve doch ist. Deshalb mache ich die Lubin-Woche voll und stelle Euch heute und hier das L’Eau Neuve noch vor.

Bei diesem Eau de Cologne handelt es sich um eine Neuauflage eines der großen Klassiker des Hauses, des gleichnamigen Bestsellers, der 1968 von Roger Broudoux kreiert wurde. Die Jahreszahl läßt natürlich bereits aufhorchen und – richtig, die Hippies liebten es, das L’Eau Neuve. Zu der Zeit der Love&Peace-Generation wurden die klassischen Damenparfums von der Revoluzzerjugend abgelehnt: Zu schwer, zu madamig, zu überladen präsentierten sich die typischen Parfums – Natur & Natürlichkeit war aber angesagt (weswegen man heute auch von einem „Zeitalter der Natürlichkeit“ spricht) und somit waren auch natürliche Ingredienzen, vornehmlich aus diversen Mittelmeerländern, en vogue. In diese Zeit fällt auch das Entstehen der sogenannten Eaux Fraîches, die uns bevorzugt Frau Nicolaï die letzten Jahre gerne wieder bescherte.

Das L’Eau Neuve kam nicht nur zum Höhepunkt der Hippie-Ära heraus, sondern wurde auch einer der olfaktorischen Höhepunkte und somit zum Aushängeschild dieser Zeit. Vielen unbekannt war allerdings, daß der Duft, wie bei Lubin heutzutage ebenfalls gerne einmal, eine Hommage an einen viel älteren Duft darstellte, an das Eau de Lubin aus dem Gründungsjahr des Hauses, 1798. Jenes Eau de Toilette – eine Bezeichnung, die damals ausschließlich den Lubinschen Kreationen vorbehalten war – verzauberte diverse Damen der damaligen Generation. Es brach die Herzen der stolzesten Frauen, wie schon Heinz Rühmann sang: Es „gewann zunächst die Gunst der extravaganten Incroyables und Merveilleuses, entzückte dann unter dem Empire auch Kaiserin Joséphine und schließlich die letzte französische Königin, Marie Amélie.“

Nun haben wir also die dritte Auflage desselben vor uns – L’Eau Neuve die Dritte, dem ersten L’Eau Neuve und zweiten Duft nach Eau de Lubin nachempfunden und von Lucien Ferrero zart überarbeitet. Genauso wie sein Vorgänger sehr natürlich, frisch, zitrisch und clean, „ein typisch französischer Hippie-Chic-Duft“, wie auch Thévenin bestätigt.

Davon gibt es etliche, werden viele sagen – stimmt. Aber längst nicht alle sind so gut wie L’Eau Neuve, kann ich an dieser Stelle nur erwidern. Wer dem Duft allerdings keine Zeit gibt und sich die Mühe macht, sein wertes Näschen länger damit zu beschäftigen, wird den kleinen, aber feinen Unterschied sicher nicht bemerken ob der Hesperidenpräsenz.

Diese macht sich gleich zu anfangs schnell breit: Bergamotte und Zitrone vor allem, im Hintergrund prall-saftige Orangenschnitze, die des sofortigen Verzehrs zu harren scheinen. Dunkelvioletter Lavendel zeigt sich herb-würzig und dezent pfeffrig am Rande und leitet den Duft über in ein aromatisches Kräuterherz: Salbei und Thymian sowie Majoran und würzender Koriander bilden eine krautig-grüne Gemeinschaft und werden von zarten Blüten, einer Ahnung ungewöhnlich zurückhaltenden Jasmins, den ich als solchen nicht unbedingt erkannt hätte, sowie einer klaren und frischen Rose eingerahmt. Dezente rauchige Anklänge wabern vorüber und, ich könnte schwören: Ein ganzes Büschel Kamille blüht da am Wegesrand, welches nach einiger Zeit in eine weiche Basis von sauberem Zedernholz, Moschus und leicht wärmendem Sandelholz übergeht.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Zitrone, Bergamotte, Lavendel; Herznote: Thymian, Salbei, Majoran, Rose Jasmin, Koriander; Basisnote: Patchouli, Eichenmoos, Zedernholz, Sandelholz, Moschus.

Man muß das L’Eau Neuve nicht mögen – derlei Düfte sind nicht jedermanns Fall. Für mich ist es aber einer jener großen Hesperidenklassiker, gleich neben den Acqua di Parma-Colognes (die im übrigen alle drei ebenfalls sehr testenswert sind, falls man sie noch nicht kennt).

Hier noch der Werbespot zu L’Eau Neuve und Le Vetiver:

[leider nicht mehr verfügbar]

Bevor ich Euch jetzt einen schönen Tag wünsche: Wie steht Ihr zu derlei klassischen Hesperiden? Daumen hoch oder runter?

Liebe Grüße und – einen schönen Tag 😉

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. Margot
    5. August 2010
    Antworten

    Liebe Uli,

    möchte Dich hier nur mal grüßen (das ist ein Test)
    LG,
    Margot

  2. Margot
    6. August 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    hier nun mein echter Kommentar: Ich denke dass das L’Eau Neuve in den 60ern des letzten Jahrhunderts die selbe Klientel angespochen hat (oder sollte) wie Fracas von Piguet.
    Aber Du hast wieder einmal wunderbar geschrieben, und die Videos sind auch super! Lubin versucht wirklich, die Tradition der „alten“ Düfte in die heutige Zeit umzusetzen. Ich bedaure es wirklich, dass durch das täglich Neue, egal ob im mainstream oder Nischenduftbereich, man heute diese alt eingesessenen Häuser viel zu wenig würdigt.
    Deswegen „Daumen hoch“ von mir, für den Hesperiden und auch für die anderen!

    Schönes WE,
    Margot

    • Ulrike
      9. August 2010
      Antworten

      Dem kann ich nur dick beipflichten liebe Margot 🙂 Zumal ja Lubin eben auch gezeigt haben, daß sie komplett neu auch richtig gut können – siehe die neuen vier Düfte!

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