Sommerzeit Teil 2

Früher, das muß ich ganz ehrlich gestehen, war Sommer in jeder Hinsicht so gar nicht meines. Ich war ein Herbst/Winter-Typ durch und durch – vom Naturell her, was die Kleidung angeht, die Stimmung(en) sowie auch: die Düfte. Heute sind meine Lieblinge, die olfaktorischen, immer noch eher für die kälteren Jahreszeiten bestimmt, aber, wie es so ist – je länger man sich mit einer Thematik beschäftigt, desto breiter wird der Horizont. In Puncto Düfte hieß das bei mir: Während es früher die derben Kracher sein mußten, kann ich mich mittlerweile durchaus auch für etliche andere Duftrichtungen erwärmen und begeistern. Heute darf es auch mal ein Blümchen sein oder lecker Früchtchen, während früher nur einziehen durfte, was zumindest eine Duftnote aus dem altbekannten Dominaequipment zu bieten hatte: Leder oder Tabak oder wenigstens Weihrauch, drunter ging es bei mir nicht.

Dementsprechend spärlich war auch mein Sommerduftrepertoire – Zeiten waren das… Heutzutage gibt es derlei viele, gestern habe ich Euch schon einen Teil davon vorgestellt, heute und morgen geht es munter weiter damit.

Eine wirkliche Sommerallzweckwaffe ist Minze, wie ich finde. Luca Turin hat in seiner Rezension zu Guerlains Aqua Allegoria Herba Fresca recht deutlich auf den Punkt gebracht, was das Problem an und mit Minzdüften ist: Wie einen solchen kreieren, ohne den Verbraucher sofort an Zahncreme denken zu lassen? Ich habe keine Ahnung, ob diese Rechnung mit meinen beiden Minzlieblingen wirklich aufgeht – es ist mir aber eigentlich auch vollkommen gleich 😉

Guerlains Herba Fresca ist schon einer davon: Eine im Auftakt ihrem Namen mehr als gerecht werdende, scharfe Pfefferminze. Ganz alleine und aufrecht, für eine lange Zeit. Frisch, fast schon ätherisch. Und die Pfefferminze bekommt auch irgendwann Gesellschaft – eine sehr gesittete, weiche und zurückhaltende: dezent florale Anklänge sowie ein Hauch Tee, grüner Tee. Der saubere Touch weist auf eine sehr distinguierte Zeder in der Basis hin, darüber hinaus flankieren noch ein paar Hesperiden, vornehmlich Schalen von Zitrone oder Mandarinen das sommerliche Geschehen, das für ein Aqua Allegoria mit der Konsistenz eines Eau Fraîche eine durchaus sehr ordentliche Haltbarkeit vorweisen kann. Die Angaben zu den Duftnoten sind im Netz mal wieder sehr unterschiedlich ausgefallen, insofern lasse ich sie einfach weg.

Heeleys Menthe Fraîche ist meine zweite Lieblingsminze: Im Auftakt eine echte „Zahnarzt“Minze, ebenfalls scharf, aber weniger pfeffrig (als Herba Fresca) als vielmehr ausgesprochen kühl. Im Gegensatz zu Herba Fresca, der im Duftverlauf durch Florales sowie die Zeder schneller weich und sauber wird, verbleibt Heeley mit seiner Minze lange in eisigen Höhen, um diese dann durch die typisch aquatisch-floralen Noten von Lotos und Freesie harmonisch abzurunden. Matétee tut hier sein übriges und unterstreicht das Kalt-Nass-Frisch-Blumig-Anmutende. In der Basis weist Heeleys frische Minze durchaus auch saubere Zedernnoten vor, besitzt jedoch insgesamt mehr Kühle als der Minzbruder von Guerlain. Die Ingredienzen: Kopfnote: Minze, Bergamotte; Herznote: Matétee, Lotosblüte, Freesie; Basisnote: Zedernholz.

Minze läßt nicht nur aufatmen, sondern oftmals auch tief durchatmen – sie macht die Brust weit. Dieses Gefühl vermag wie kein anderer Duft Humiecki & Graefs Eau Radieuse zu vermitteln. Ich bin ein großer Fan des Labels, seines Konzeptes, mit Düften Uremotionen widerzuspiegeln. Und ich bin der Ansicht, daß man diesen Düften Zeit geben muß. So ging es mir ehrlicherweise mit Eau Radieuse auch, ich habe ein paar Testversuche gebraucht, bis sich mir der Duft in vollem Umfang erschloß – seitdem funktioniert kein heißer Sommer mehr ohne das wunderbar gleißende Eau Radieuse. Die Ingredienzen: Banane, Mandarinenschale, Zitrone, Minze, Rhabarber, Bambus. Wie bei Humiecki & Graef Teil des Konzeptes gibt es auch bei diesem Düftchen keinen pyramidalen Duftaufbau, sondern lediglich einen sternförmigen, eine gleichnzeitige Explosion aller Bestandteile… Ob man das nun so glaubt oder riecht ist eigentlich egal…

In jedem Falle soll Eau Radieuse eine moderne Cologne-Interpretation sein und als solches eine Hommage an die Heimatstadt des (einen) Firmeninhabers, an Köln, die Geburtsstadt des Eau de Cologne. Ein solches ist Eau Radieuse auch, aber ein ultramodernes, futuristisches, Konzeptkunst-angehauchtes, wie ich finde und auch bereits in unserer Artikelbeschreibung im Shop verlauten ließ. Der Meinung bin ich immer noch. Eau Radieuse springt einen sogleich an – mit einer mehr als kräftigen Portion mentholischer Pfefferminze, die einem sofort Kopf und Brust freibläst und alsbald den Blick oder vielmehr die Nase freigibt auf seltsam anmutende, aber sehr präsente, grün-schillernde Bananenblätter. Rhabarberfasern stiften bitter-fruchtige, heftige Herbheit und ein kleiner Bambusbursche wässert die Basis mit einem dezent aquatischen Hauch. Moderner geht nimmer – passender oder besser bei wirklich heißen Temperaturen auch nicht. Über 30 Grad lösen bei mir eben genau jenes Gefühl aus, für das Eau Radieuse steht: Die Sehnsucht, das Begehren, das Verlangen – nach ebenjenem Duft. I love it.

Einen schönen Tag Euch noch und fröhliches Schwitzen,

Eure Ulrike, die – auf den Geschmack gekommen – sich jetzt erstmal eine Eau Radieuse-Dusche gönnt.

Bildquelle: Peppermint von Hajnalka Ardai via stock.xchng, Frosty Peppermint von Dave Gostisha/ziptrivia.com via stock.xchng – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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