La Tulipe von Byredo – Wenn der Frühling kommt

… dann schick ich Dir Tulpen aus Amsterdam“, trällerte es in den 70er Jahren aus so manchem Radio. Ja, die bunten Frühlingsblüher sind in den Köpfen der Menschen immer noch genauso fest mit den Niederlanden verbunden wie Fleischtomaten, Gouda, Frau Antje, Clogs und Windmühlen (oder so wie Hape Kerkeling mit Königin Beatrix). Und diese Assoziation kommt nicht von ungefähr: aus den Niederlanden stammt etwa 80% der globalen Jahres-„Produktion“ an Tulpen.

Tja, aber die Zeiten ändern sich. In einer Welt, in der der Fernsehanschluss nur noch digital, dafür aber der Käse analog ist; in der der Normalbürger seinen täglichen Flüssigkeitsbedarf nicht mehr über wässriges Treibhausgemüse deckt, sondern stattdessen hyperdietätische Softdrinks oder stilles Vulkangestein-Mineralwasser zu sich nimmt (hehe … ich selbst bin hier ein blühendes Beispiel); in der die TV-Dinosaurier Frau Antje, Frau de Mol und Frau Amado schon seit Urzeiten von unserer hiesigen Mattscheibe verschwunden sind und sich dafür unzählige, prima an die neuen Fernsehunterhaltungsbedingungen angepasste Casting-Reality-Doku-Shows im TV-Programm durchsetzen konnten (tja, die Evolution ist nicht aufzuhalten); in der Hape Kerkeling (leider) nur noch als Gisela respektive Werner in Werbespots für Anrührkaffee zu sehen ist; ja, in einer solchen Welt kommen Tulpen auch nicht mehr zwingend aus Amsterdam.

Ein besonders hübsches Exemplar fand zum Beispiel erst vor ein paar Wochen seinen Weg aus Stockholm zu mir. Und das, obwohl die Tulpenzeit da schon längst vorbei war. Doch diese ach so kurze Zeit des Frühjahres, wenn es in sämtlichen Vorgärten, Super- und Wochenmarkteimern nur so vor Tülpchen wimmelt, wurde durch die Lancierung des neuen Byredo-Duftes La Tulipe, zumindest olfaktorisch, verlängert. Herr Gorham, dessen Vorgängerdüfte die gute Uli ja bereits vorgestellt hat (zum Beispiel hier und hier und hier), war nach eigener Aussage schon seit jeher ein Freund der Zwiebelpflanze, so lag die Idee eines eigenen Tulpenduftes für ihn nahe. Augenmerk legte er hierbei nicht unbedingt auf eine möglichst authentische Umsetzung, sondern vielmehr:

„La Tulipe is built around the idea of the tulip – a flower reminiscent of morning moist gardens and by being one of the season’s first flowers to open its bud; the tulip has become a symbol for the rebirth of spring.“

Tulpen
Foto von Zoe Schaeffer auf Unsplash

Die Wiedergeburt des Frühlings soll er also einfangen. Schade, dass ich erst vor ein paar Wochen seiner habhaft werden konnte. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte ihn bereits im März geschnuppert, als hier noch alles unter einer eisigen Winterdecke lag und es nicht so aussah, als ob es überhaupt jemals wieder einmal Frühling werden würde…. ja, ich glaube, ich hätte mit und durch La Tulipe neue Hoffnung geschöpft. Tja, so musste ich mir in des Märzens Iden ohne diesen wunderbaren Duft warme Gedanken machen. Und schließlich hat es der gute Zephyr ja doch noch geschafft, uns den Lenz hierher zu wehen, den wir jetzt schon seit geraumer Zeit genießen dürfen. Und so sitze ich nun in der nachmittäglichen Julisonne, vor mir die Byredosche Tulpe und schnuppere vor mich hin.

Hier schon einmal die Duftnoten: Rhabarber, Alpenveilchen, Freesie, Tulpe, Hölzer, Vetiver.

Byredo – La Tulipe

Leicht zitrisch im Auftakt, was ich ob der säuerlichen Fruchtigkeit dem Rhabarber zuordnen würde, wird es plötzlich floral. Noten von… ja, wovon eigentlich? Intuitiv muss ich an Flieder denken, wobei ich im direkten Vergleich mit Frau Giacobettis En passant wieder ein wenig davon Abstand nehme. Allerdings mit Vorbehalt, denn En passant ist natürlich ein weitaus filigraneres, zarteres und dezenteres Kaliber als die Stockholmer Tulpe. Aber dennoch: die Authentizität des Fliederduftes in En passant (und diese ist wirklich vorhanden, wenn ich mich an all die duftenden Fliederdolden in den Lindauer Vorgärten erinnere, in die ich noch vor ein paar Wochen jauchzend und juchzend meinen Rüssel zum Schnuppern hing) lässt einen direkten Vergleich zu und so muss ich die Byredo’sche Ingredienzienangabe bestätigen: kein Flieder in der Tulpe. Was mir hier so einen vorfliedert ist wohl vielmehr die Freesie, die sich satt und wuchtbrummig im Duftverlauf breitmacht und diesen, einmal geentert, auch nicht mehr freigibt. Gleich einem tanzenden Derwisch tollt sie süßlich-flirrend durch den Duft, stets begleitet von den für sie typischen aquatischen Tendenzen. Grünliche Noten, die möglicherweise der Tulpe geschuldet sein könnten, schwirren mit in dem floralen Ringelreihen und bringen diesen schließlich auf den hell-holzigen Boden der Tatsachen zurück.

Ja, das Stockholmer Tülpchen ist wirklich ein hübscher und überraschend lang anhaltender Duft. Wie ein intensiv duftender Frühlingsstrauß zaubert er ein Lächeln aufs Gesicht, sorgt für gute Laune und induziert Frühlingsgefühle. Der namentliche, sehr konkrete Bezug auf eine bestimmte Blume, nämlich die Tulpe, mag angesichts des tatsächlichen Duftes für Verwirrung sorgen, aber da selbige ja nach Herrn Gorham eher sinnbildlich zu betrachten ist, kann man da geflissentlich ein Auge zudrücken. Ich jedenfalls freue mich sehr über das Düftchen, werde es auch gewiss den Sommer über das ein oder andere Mal tragen, mir aber sicherlich ein paar Sprüher aufheben, um mich im Februar nächsten Jahres durch La Tulipe daran erinnern zu lassen, dass der Frühling ganz bestimmt irgendwann kommen wird und mit ihm auch die ersten (echten) Tulpen. 🙂

Einen schönen Tag wünscht Euch,

Eure Julia.

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

2 Kommentare

  1. Dagmar
    22. Juli 2010
    Antworten

    Sehr gut geschrieben. Bei La Tulipe kam mir ebenfalls sofort Flieder in den Sinn. Für mich ein ganz toller Duft, der irgendwann bei mir einziehen wird.

  2. Steffi
    22. Juli 2010
    Antworten

    Liebe Dagmar,

    schön, dass Dir der Artikel gefallen hat. Ja, La Tulipe ist wirklich ein sehr schönes, ja bezauberndes Düftchen. Ich trage ihn auch immer wieder gerne! 🙂

    Liebe Grüße,
    Steffi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert