Olfaktorische Gemälde – Parfums MDCI Paris setzen mit L’Aimée …

… ihre Masterpiece Collection fort – Grund genug, mir die beiden Neulinge umgehend für Euch anzusehen, denn gemeinsam mit L’Aimée wurde auch La Surpise lanciert, der morgen an der Reihe ist.

Kennt Ihr das Haus bereits, vielleicht auch die Masterpiece Collection? Parfums MDCI Paris gehören zu den „alten Hasen“ in der Nische. Leider, ich hatte es schon häufiger erwähnt, fliegen sie ein bisschen unter dem Radar, was einerseits daran liegt, dass sie preislich im oberen Bereich des Nischensegments angesiedelt sind. Andererseits, ich höre es immer wieder von Kunden, lese es in Foren und so weiter und so fort – die Flakons beziehungsweise deren Gestaltung. Geschmackssache, klar. Und obschon sie mir ein bisschen zu „verrüscht“ sind, finde ich sie nicht unattraktiv. Aber – sie strahlen eine gewisse Altehrwürdigkeit aus, was den einen oder die andere vielleicht nicht „abgestoßen“ hat, ein zu hartes Wort. Aber eben nicht dazu verleitet, die Linie zu testen, weil man dahinter vielleicht sehr klassische und/oder traditionell französische Düfte vermutet, eventuell auch Düfte mit Retro- oder Vintage-Charakter.

Solltet Ihr ebenfalls zu denjenigen gehören, die sich bisher noch nicht mit Parfums MDCI beschäftigt haben – mein dringender Tipp: Ändern! Die Düfte sind erlesen und von herausragender Qualität, allesamt geschaffen von nicht zu Unrecht bekannten Parfumeuren, für Parfumistas alte Bekannte. Mir persönlich haben es nach wie vor die Oldies der Marke angetan – vor allem der geniale Invasion Barbare (Stéphanie Bakouche), darüber hinaus Le Rivage des Syrtes und Un Cœur en Mai (beide von Patricia de Nicolaï) sowie La Belle Hélène und Chypre Palatin (beide von Bertrand Duchaufour).

Die Masterpiece Collection, zu der L’Aimée und La Surprise gehören, hat ein besonderes Leitmotiv: Inspirationsquelle eines jeden Duftes ist ein bestimmtes Bild, ein klassisches Gemälde. Nicht irgendeines, alle jener Bilder gehören zu den Werken, die kunsthistorisch bedeutsam sind und in Sammlungen wie beispielsweise dem Louvre hängen. Jene Gemälde, die weltberühmten, dienen den jeweils ausgewählten Parfumeure als Inspirationsquelle und „Vorlage“ für ihre Kreationen.

Ein eher seltenes Motto und Vorgehen in der Duftwelt – mir fällt dazu aber selbstredend umgehend Olfactive Studio ein, wo ausgewählte Fotografien als Inspirationen dienen und Teil des Parfumeursbriefings sind. Die sind aber heute, meine Lieben, nicht Thema, sondern … tadaaa – L’Aimée.

Die Geliebte – L’Aimée

„Dieses Parfum wurde vom berühmten Ölgemälde inspiriert, das Madam Sériziat porträtiert und von Jacques-Louis David gemalt wurde, einem der berühmtesten französischen Künstler.

Jacques-Louis David hat viele politische Ölgemälde während der Französischen Revolution gemalt und wurde während der Terrorherrschaft gefangen gehalten. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden, da er zu dieser Zeit gegen den König gestimmt hatte, später im Jahr 1796 heiratete sie ihn wieder. Nach seiner Freilassung 1794 traf sich Jacques-Louis David mit der Schwester seiner Ex-Frau und seinem Schwager Pierre Sériziat. Die ehemalige Schwägerin Sériziat und sein Schwager malten jeweils ein Porträt, um sich an den Maler David und ihre tiefe Freundschaft zu erinnern.

Madam Sériziat sitzt, hält einen Strauß in der einen Hand, an der anderen Hand ein Kind. Im Gemälde sehen Madam Sériziat und das Kind natürlich aus. Das grüne Band am Hut der Dame passt zu ihrem Gürtel, der schlichte Hintergrund setzt die Figur besonders in Szene. Man kann die Äderchen auf ihrem Handrücken gut sehen. Die Hand ist zart und zeigt ihre Identität und ihre Klassenzugehörigkeit. Es wurde vornehmlich Weiß verwendet mit Smaragdgrün, Korallenrot und gelben Elementen auf dem Hintergrund, der Ton ist harmonisch und einheitlich, das Gemälde ist klar und wunderschön. In diesem Gemälde legte der Maler Jacques-Louis David sein Augenmerk auf die Darstellung des Charakters und des Gefühls und machte somit die Figur natürlich und real.“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte, Mandarine, Schwarze Johannisbeere
Herznote: Bulgarische Rose, Jasmin, Champaka, Maiglöckchen, Orangenblüte, Heliotrop, Iris
Basisnote: Himbeere, Pfirsich, Zedernholz, Vetiver, Patchouli, Amyris, Eichenmoos, Sandelholz, Benzoeharz, Styraxharz, Tonkabohne, Vanille, Ambra, Ambrette, Weißer Moschus, Castoreum

Parfumeur: Nathalie Feisthauer

Zu Nathalie Feisthauer muss ich vermutlich nicht viele Worte verlieren, denn sie ist eingefleischten Parfumistas bereits ein Begriff, nehme ich an. Klassische Laufbahn einer Großen: Givaudan Roure Perfumery School, danach Stationen bei, klar, Givaudan und später Symrise, bevor sich Feisthauer als Parfumeurin dann selbstständig machte. Ich finde sie auf Bildern immer sehr sehr sympathisch – nicht nur, weil sie häufiger mal mit einer Katze auf einem Foto zu sehen ist 😉

Ihre Duftkreationen sprechen selbstredend auch für sie – da wären beispielsweise: Aedes de Venustas Pélargonium, Amouage Honour Man, diverses für CdG und Ètat Libre d’Orange, MDCI Cuir Cavalier und L’Homme aux Gants, Une Nuit Nomade Murmure des Dieux, Yohji Yamamoto pour Femme, um nur einige zu nennen.

Kommen wir aber nun zu Monsieur David: 1748 in Paris geboren und 1825 in Brüssel gestorben zählt er zu den französischen Klassizisten. Sein Werk lässt sich, danke Internet und Wiki, in drei verschiedene Kapitel aufteilen, siehe Wiki. Als erste Phase gilt diejenige, in der David als Hofmaler des französischen Königshauses und Mitglied der französischen Akademie tätig war. Die Werke aus dieser Zeit sind überwiegend antiken Motiven gewidmet, wobei sich David „das gestische Pathos vieler seiner Figuren“ (Wiki) von Jean-Baptiste Greuze abschaute. Inspiriert dazu wurde er sicherlich vor allem durch seinen Romaufenthalt, seiner Bewunderung für Michelangelo und vor allem auch Raffael.

Jacques-Louis David - 1794
Jacques Louis David – Selbstporträt (1794), Sammlung Musée du Louvre / Paris. Gemeinfrei.

Ab Phase Zwei ging es hoch her im Leben von David, der sich der Politik zuwandte, siehe Wiki:

„Nach Beginn der Revolution wurde David politisch tätig und beeinflusste die französische Malerei. Im Auftrag der Gesetzgebenden Versammlung begann er den Schwur im Ballhaus, eine riesenhafte Komposition, die unvollendet geblieben ist (im Louvre). Als entschiedener Republikaner wurde er 1792 Mitglied des Corps électoral von Paris und Konventsdeputierter und stimmte als solcher für die Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. Seine Stellung als Abgeordneter und Mitglied des Nationalkonvents nutzte David dazu, um in jenen Zeiten des Umsturzes so vieler Kunstinstitute manches zu erhalten. Andererseits betrieb er die Aufhebung der Akademie. In seiner Macht stand es, die Zerstörung vieler Kunstwerke zu verhindern; er unterließ es aber, weil er von den vielen alten Denkmälern der Malerei, Skulptur und Architektur nichts als gut anerkannte, sondern auch hier vom Grund auf neu schaffen wollte.“

Seine Freundschaft mit Robespierre und Marat führte in Folge dazu, dass er sich in den Sturz von ersterem verwickeln ließ, weswegen er sogar für einige Zeit im Kerker landete. In solchen Fällen zahlen sich Fanboys und -girls aus – seine Schüler und Verehrer trugen maßgeblich dazu bei, dass er das vermutlich triste Loch wieder verlassen konnte. Hernach könnte man annehmen, hätte David dann die Nase voll von Politik gehabt, siehe Goethe und sein garstig Lied – aber nein, seine diesbezüglichen Ambitionen nahmen fortan erst Fahrt auf: Nach der Machtergreifung Napoleons nutzte er das als Chance und huldigte fortan demselben in zahlreichen Bildern.

Wie wir mindestens noch aus dem Geschichtsunterricht wissen, nahm es mit Napoleon kein glückliches Ende – nachdem man den kleinen Korsen abgesägt hatte, „ging auch Davids Glücksstern in Frankreich unter. Als „Königsmörder“ wurde er 1816 aus der Liste der Mitglieder des Instituts gestrichen und aus Frankreich verbannt.“ Das hat sich sicherlich nicht gut angefühlt – es zog David ins Ausland, genauer gesagt nach Belgien, der Heimat immer noch einigermaßen nahe. Dort malte er fleißig weiter – die dritte Epoche seines Schaffens – und stellte seine Werke aus, auch in Frankreich – dennoch sind sie sich nicht mehr „grün“ geworden, David und sein Heimatland. Über vierhundert Schüler muss er wohl gehabt haben – eine ordentliche (An)Zahl, was ebenfalls auf seine Werke zutrifft, die sich heute unter anderem im Louvre und in Versailles befinden, in der Münchner Neuen Pinakothek sowie in Privatbesitz.

Das Bild, das als Inspirationquelle zu L’Aimée, der Geliebten diente, ist dieses hier:

Madame-Seriziat Jacques-Louis-David 1795
Jacques-Louis David – Porträt von Madame (Pierre) Sériziat, geborene Emilie Pecoul, und ihrem Sohn (1795), Sammlung Musée du Louvre / Paris. Gemeinfrei.

Was ist der Hintergrund zum Bild, vor allem, wenn von der „Geliebten“ im Duftnamen die Rede ist? Die Familie Sériziat und David waren familiär verbunden: Davids Frau, Marguerite Charlotte Pécoul (die im übrigen zum Zeitpunkt der Hochzeit 1782 gerade einmal 18 Jahre alt war, also fast halb so alt wie David), war die Schwester von Emilie Pécoul. Soweit ich das richtig recherchiert habe, waren die beiden zwischendurch einmal getrennt oder gar geschieden, da sie ihn aber im Gefängnis besuchte, sich um ihn kümmerte, ließ das ihre Liebe wieder aufflammen. Sein Ex- und dann Wieder-Schwager Pierre Sériziat war wohl ein Dandy und bestens vernetzt in Pariser Kreisen, was wiederum, so las ich an ein paar Stellen, zu der endgültigen Entlassung Davids aus dem Kerker beigetragen haben könnte. Hernach taten diesem ein paar Tage Landidylle und Gesellschaft wohl recht gut, er verbrachte demnach direkt im Anschluss an seine Gefangenschaft einige Zeit auf dem Landsitz seines Schwagers und dessen Frau – malend, unter anderem auch die beiden.

Madame Sériziat wirkt auf dem Bild so, als käme sie gerade von einem Spaziergang mit ihrem Sohn, vom Lustwandeln im Garten, mit ein paar frisch gepflückten Blümchen in der Hand. Was ihre Kleidung angeht zeigt sich der damals beginnende neoklassische Modetrend: ein als minimalistisch zu bezeichnendes Kleid aus leicht schwingendem, fließendem Stoff in schlichtem, reinem Weiß gehalten, einzig kontrastiert durch die dunkelgrüne Schleife um die Hüfte. Allerdings, auch das sieht man, trägt sie vermutlich noch ein Korsett unter dem Kleid als auch einen Hut, obschon sie sich im Innenraum befindet, was wiederum wohl eher klassischer Natur hinsichtlich des Kleidungsstiles ist bzw. war.

L’Aimée, die Geliebte – eigentlich hätte ich hier eine Romanze vermutet, vielleicht eine Affäre. Diesbezüglich habe ich keinerlei Anhaltspunkte gefunden, sei es drum 😉 Kunsthistorisch bin ich nur rudimentär bewandert, allerdings mag ich das Bild, so ganz spontan 🙂

… und wie hat es Feisthauer umgesetzt? Ganz wundervoll und so weiblich-liebreizend wie die junge, hübsche Dame 🙂 Chypriert wirkt er, ganz zarten Vintage-Charme verströmend mit samtig-trocken-pudriger Ausstrahlung. Sacht funkeln köstliche Früchtchen gleich einem Stillleben, Johannisbeere, deren Säuerlichkeit von der Süße saftiger Mandarinen ausbalanciert wird, angestrahlt von herb-zitrischer Bergamotte. Jasmin cremt hier tatkräftig mit sauberem Maiglöckchen im Duett, während Orangenblüten lebensfroh-floral die Fruchtsüße aufgreifen. Unsere Rose stimmt mit ein, während zwischendurch immer wieder der Pfirsich ertönt. Sehr sehr nett und bezaubernd.

https://www.pexels.com/photo/woman-in-white-tank-top-3828240/

Allerdings ist sie nicht durchgängig von einer solchen Unschuld, unsere Geliebte: die sanft-pudrige, würzige Wärme offenbart immer wieder äußerst subtile animalische Anklänge, nur eine Ahnung, rauchnebelt allerdings auch ein wenig, obschon überaus zivilisiert, das muss ich betonen, und in verlockende Vanille gehüllt.

Feisthauer hat hier einen wirklich schönen Damenduft geschaffen, der den Spagat zwischen Klassik und Tradition als auch Moderne perfekt auszubalancieren weiß. L’Aimée fügt sich harmonisch ein in das Portfolio von MDCI, eines jener Meisterwerke, dessen vollende Schönheit sich dann am besten erschließt, wenn man sich ein wenig Zeit lässt, um diese fein verwobene Komplexität des Duftes auf sich wirken zu lassen.

Ein Vergleich? Schwierig. Grosssmith-Düfte haben eine ähnliche Femininität, sind aber deutlich mehr Retro beziehungsweise seeehr viel klassischer. Patricia de Nicolaï vielleicht? Ähnlich zartes Parfumeurshändchen, Understatement, aber oho. Und ähnliche Damendüfte, die sich nicht dafür „schämen“, nicht unisex zu sein. Auch einige der neueren Amouage-Frauen weisen in eine ähnliche Richtung, wer da fündig geworden ist, sollte die Geliebte in jedem Fall testen.

Ich bin schon gespannt auf morgen – und wünsche Euch ein schönes Wochenende, meine Lieben!

Herzlichst

Eure Ulrike

 

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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