… ist der zweite Neuling aus deren Masterpiece Collection, den ich Euch dieser Tage vorstellen möchte. Versprochen für’s Wochenende kommt er mit etwas Verspätung, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wie man so schön sagt 🙂
L’Aimée, die Geliebte, war der direkte Vorgänger, Rezension siehe hier, darüber hinaus umfasst die Masterpiece Collection insgesamt bisher fünf Düfte, außer den bereits genannten darüber hinaus Bleu Satin, Cuir Cavalier und L’Homme aux Gants.
Wie letzte Woche bereits erwähnt noch ein klitzekleiner Reminder zur Masterpiece Collection beziehungsweise zum Hintergrund derselben:
„Die Masterpiece Collection, zu der L’Aimée und La Surprise gehören, hat ein besonderes Leitmotiv: Inspirationsquelle eines jeden Duftes ist ein bestimmtes Bild, ein klassisches Gemälde. Nicht irgendeines, alle jener Bilder gehören zu den Werken, die kunsthistorisch bedeutsam sind und in Sammlungen wie beispielsweise dem Louvre hängen. Jene Gemälde, die weltberühmten, dienen den jeweils ausgewählten Parfumeure als Inspirationsquelle und „Vorlage“ für ihre Kreationen.“
Wir haben es im Falle von La Surprise erneut mit einem französischen Bild zu tun, das als Vorlage diente – mit welchem werde ich gleich in der Duftbesprechung verraten 😉
Von Liebe & anderen Überraschungen – Parfums MDCI La Surprise
„Dieses Parfum wurde vom berühmten Ölgemälde „La Poursuite“ inspiriert. Das Ölgemälde beschwört die Liebe in der berühmten Bilderserie „Progrès de l’amour“. Ursprünglich gehörte sie zur privaten Ausstellung der Comtesse du Barry (1743–1793), der letzten Mätresse von Ludwig XV. von Frankreich.
Die berühmten Gemälde der Serie „Progrès de l’amour“ wurden alle vom renommierten französischen Maler Jean-Honoré Fragonard (1732–1806) gemalt. Die Gemälde beschreiben die vier Stufen der Liebe: vom Umwerben zu einem geheimen Treffen, die Krönung der Liebe, vereint mit dem gekrönten Geliebten und dann die Erinnerungen der Liebe: Liebesbriefe.
Der Flakon von La Surprise gehört zum Gemälde La Poursuite. Es zeigt drei Mädchen, die an einem Brunnen im warmen Sonnenlicht spielen. Plötzlich überreicht ein junger Mann seiner geliebten Dame eine Rose, was das Werben symbolisiert. Die Stufe des Werbens ist voller Überraschungen. Da sie es nicht erwartet hatte, läuft das Mädchen überrascht davon, sein Körper dreht sich, es hebt die Hände, Kleid und Bänder werden beim Laufen zum Hindernis. Über dem Bild sieht man zwei Engelsstauen, die einen Delfin halten, welcher wiederum die Liebe symbolisiert. Sehnsucht liegt in der Luft, aber die Liebe ist noch nicht da.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Grüne Noten, Kardamom
Herznote: Weiße Blüten, Rose, Pfirsich
Basisnote: Hölzer, Moschus
Eine kleine Recherche, on- und offline, bringt noch einige Hintergrundinformationen zu Jean-Honoré Fragonard ans Licht: Geboren wurde er 1732 in Grasse und verstarb 1806 in Paris. Als Schüler von François Boucher gilt er neben diesem sowie Antoine Watteau zu den drei bedeutenden Meistern des französischen Rokoko. Bouchers Stil aufgreifend entwickelte er diesen weiter und wurde, nachdem er seine Kunstfertigkeit in Rom weiter ausgebildet hatte, nach seiner Rückkehr dank seines Gemäldes Koresos und Kallirrhoe zum Mitglied der Akademie. Der damals im Ancien Régime, ergo dem Absolutismus, der Zeit vor der Französischen Revolution vorherrschende Zeitgeschmack war eher … wie will ich sagen: beschwingt. Das sieht man an den Bildern Watteaus, dem sich Fragonard immer mehr annäherte.
Ich bin mir sehr sicher, dass, selbst wenn Ihr im Moment nicht wissen solltet, wer Watteau ist beziehungsweise diesem keine konkreten Werke zuordnen könnt (so erging es mir vor dem Verfassen dieses Textes) – spätestens, wenn Ihr kurz googelt, erkennt Ihr sie wieder. Watteau befasste sich überwiegend mit der Darstellung von, sagen wir einmal: vergnüglichen Freizeitbeschäftigungen sowie eher heiteren Alltagsdarstellungen, die wir heute mitunter eventuell als etwas „kitschig“ empfinden könnten … Idyllische Schäferszenen (nicht Schäferstündchen!) gehören dazu genauso wie üppige Feste und große Schlemmereien und Gelage, darüber hinaus tauchen viele Kostümierte auf, Schauspieler, die er porträtierte und so weiter und so fort. Diese schmückte Watteau so aus oder vielmehr: verzierte sie dergestalt, dass seine Malerei in der Tat einen Einfluss auf die Mode seiner Zeit hatte: es etablierten sich Ausdrücke wie „Frisur nach Watteau“, bestimmte Kopfbedeckungen („Watteauhäubchen“) als auch Négliges à la Watteau … Falls Eure Gedanken in eine derartige Richtung wandern sollten – korrekt. Sowohl bei Watteau als auch bei Fragonard findet sich eine gewisse Erotik, (mehr oder weniger, je nach Auge des Betrachters) erotische Szenen und so weiter – das war damals eben „en vogue“.
Fragonard wurde, genauso wie David, der Maler des Werkes, das als Inspirationsquelle zu L’Aimée diente, von den wechselhaften Wellen der Politik der damaligen Zeit erwischt, obschon er sich, soweit ich das recherchiert hatte, nicht aktiv politisch positioniert hatte. Dennoch verlor er im Zuge der Französischen Revolution beziehungsweise danach sein erarbeitetes, mit dem Anfertigen von Staffelei- und Dekorationsmalereien erworbenes Vermögen. Darüber hinaus gelang es ihm nicht, an seine früheren Erfolge anzuknüpfen: Der Klassizismus kam auf, war hernach in Folge stilistisch der Trend, den Fragonard wohl offensichtlich nicht so umsetzen konnte als dass ihm seine Malkünste zu erneutem Erfolg gereichten, weswegen er später in Armut verstarb. Zumindest einmal kam er dann knapp zweihundert Jahre später unverhofft zu erneuten Ehren: ein 1960 entdeckter Asteroid der Clarissa-Familie trägt seit 1999 seinen Namen – (8235) Fragonard.
Bezüglich seines Malstils findet sich bei Wiki wie so oft eine kompetente Beschreibung:
„Fragonards Arbeitsstil zeichnet sich durch eine flockige und lockere Malweise aus (ähnlich Tiepolo). Dadurch wirken seine Figuren weniger porzellanhaft und lebendiger als die Bouchers. Teilweise erinnert seine grobe Pinselführung an Werke von Frans Hals und ist wie bei diesem vorausweisend auf den Impressionismus.“
La Surprise, der Duft, hat als malerisches Vorbild La Poursuite, ein Gemälde aus einer zusammenhängenden Serie, die Fragonard 1771 für besagte Mätresse des Königs schuf, für Madame du Barry. Die Serie beinhaltet vier Gemälde, La Poursuite, La Surprise (oder lan Rencontre), L’Amant couronné und La Lettre d’amour. Diese Serie sollte ursprünglich einen halbkreisförmigen Salon im Pavillon de musique in Louveciennes zieren, auch Pavillon Ledoux genannt, den du Barry auf dem Grundstück ihres Schlosses erbauen ließ.
Wer sich, wie ich, jetzt fragt, warum man noch einen Pavillon neben einem Schloss benötigt – offensichtlich hatte das Schloss nicht genügend Empfangs- und Gästeräume, so unglaublich das sich auch anhört, und, wichtig, keine (unverstellte) Sicht auf die Seine. Nun ja, du Barry, die später während der Französischen Revolution guillotiniert wurde, schien über relativ üppige finanzielle Mittel zu verfügen, sie tat sich in der Planung und Ausarbeitung des Pavillons eher durch Klotzen denn durch Kleckern hervor: diverse Architekten waren am Werk, darüber hinaus ließ sie zwecks Interieur und „Dekoration“ die bekanntesten und besten (sowie wahrscheinlich auch teuersten …) Künstler ihrer Zeit antanzen, die Wände verzierten, Skulpturen aus Stein und Holz als auch Bronzen für sie schufen – unter anderem auch Boucher und eben Fragonard. Liest sich pompös, war es wohl auch, du Barry plante später sogar, den Pavillon zum Schloss umbauen zu lassen, wobei ihr hier der Tod des Königs als auch der eigene eher unfreiweillige in die Quere kam.
Witzigerweise, das nur nebenbei, ging der Pavillon später durch die Hände diverser Besitzer – einer davon ist für uns kein Unbekannter, der Parfumeur François Coty, der ihn 1929 erwarb. Die letzte Info, die ich dazu bekomme, ist, dass er seit 2019 geschlossen ist, nachdem er vorher dank der letzten Besitzerin in irgendeiner Weise der Öffentlichkeit beziehungsweise der Stadt, der Region, dem Staat vermacht und immer wieder für Festivitäten genutzt wurde. Wer Kleingeld hat, das nötige, kann ihn sich über Sotheby’s zulegen, seht hier. In den Genuss der Bilderserie von Fragonard wird der neue Besitzer dennoch nicht kommen, denn bereits zu Lebzeiten Madame du Barrys wurde Fragonard einmal mehr vom Klassizismus verdrängt: Diese befand schon kurze Zeit, nachdem die Bilder im Salon gelandet waren, dass diese sich nicht so recht mit dessen neoklassizistischem Stil vertragen, weshalb Fragonard die Bilder wieder zurückerhielt (oder -kaufte) und mit in sein Atelier in seiner Heimatstadt Grasse nahm. In der Familie sollten sie bleiben, ihr neuer Bestimmungsort war die Villa von Fragonards Cousin. Der hatte offenbar mehr Platz in dem dafür vorgesehenen Salon: Nachdem die Bilder an der Wand waren, war die Hälfte der Wände noch kahl, was Fragonard dazu anregte, den Bilderzyklus um zehn weitere Gemälde zu erweitern. Heute befinden sich in besagter Villa, die zum Fragonard-Museum wurde, lediglich Kopien derselben, die angefertigt wurden, bevor man die komplette Serie in die USA verkaufte. Dort sind sie immer noch, seit 1915 im Besitz der Fricks und somit heute Bestandteil der Sammlung Frick in New York.
Via Wiki Commons finde ich lediglich einen Ausschnitt von La Poursuite (Die Verfolgung), zugegebenermaßen etwas schlecht von der Qualität, aber zumindest die richtige Szene, auf die es ankommt:
Hier stehe ich dann doch vor ein paar Rätseln: Wieso ist scheinbar dieses Bild nicht Bestandteil der Sammlung Frick? Und, schon vorher – wieso ist La Poursuite als Inspirationsquelle zum Duft angegeben und nicht La Surprise, denn es existiert ein gleichnamiges Gemälde? Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass hier irgendwo bei den Duftbeschreibungen etwas verkehrt gelaufen ist, denn La Surprise zeigt eine ganz ähnliche, meines Erachtens nach passendere Szene:
Das ist dann in der Tat auch Bestandteil der Sammlung Frick, passt also wieder.
Was die Parfumeurin des Duftes La Surprise angeht, gibt es keine Überraschungen, darüber hinaus keine Rätsel zu lösen – Cécile Zarokian, seit einigen Jahren einer der neuen Shootingstars der Branche, war hier an den Phiolen. Nicht der erste Duft, den sie für Parfums MDCI kreierte – Blue Satin aus der Master Collection ist ebenfalls von ihr, darüber hinaus noch einige weitere Düfte der Marke. Parfumistas kennen sie ganz bestimmt ebenfalls dank ihrer zahlreichen anderen Duftschöpfungen der letzten Jahre. Auf das Konto der mittlerweile frei arbeitenden Parfumeurin gehen unter anderem: Amouage Epic Woman, David Jourquin Cuir Altesse und Cuir de R’Eve, einiges für Evody, New Oud und Only for Him von Hayari, diverse Düfte für Fath’s Essentials, Van-Ile für Jacques Zolty, Private Label und Remember Me von Jovoy Paris, Jul et Mad Aqua Sextius und Stairway to Heaven, einige Düfte für Laboratorio Olfattivo, Majda Bekkali Mon Nom est Rouge, Puredistance Sheiduna und viele mehr.
Jetzt also La Surprise für MDCI – schauen wir doch mal wie Zarokian das Bild olfaktorisch interpretiert, festgehalten hat … Vom Werben und verliebten Sehnsüchten ist die Rede in der Duftbeschreibung, von der Liebe, die vielleicht bereits angelegt ist, es prickelt in der Luft, allerdings ist es noch ein frühes Stadium. Eines, in dem noch keiner der Beteiligten weiß, wohin die Reise geht, ob sie überhaupt beginnt, weil noch nichts Konkretes passiert ist. Gefühle, die sich bereits entwickelt haben und Ausschlag geben für die zarten Bande, die geknüpft werden …
Das liest sich nach Understatement. Nach Sinnlichkeit, angelegt, aber noch nicht offenbar geworden. Nach großen Emotionen, noch mehr oder weniger unter Verschluss gehalten. Selbstredend nach Hoffnung, vor allem aber liest es sich nach Möglichkeit(en) und nach Ahnung, nach bereits Angelegtem, das noch nicht wirklich geworden ist.
Wenn ich so an La Surprise schnuppere, dann denke ich mir, dass Zarokian vermutlich eine Romantikerin ist oder zumindest eine gewisse romantische Ader hat. Der Duft sprüht nur so vor Sinnlichkeit, allerdings auf eine (noch?) unschuldige Weise: Saftiger Pfirsich, satt fruchtig-süß im Duett mit nicht näher zu identifizierenden weißen Blümelein, klein, nektarsüß, erfreulicherweise nicht indolisch, dafür aber pudrigen als auch dezent cremigen Naturells. Und – viele davon, richtig viele. Ein Blütenmeer, sacht wogend im sommerlichen Wind, von Rose fruchtig-frisch angehaucht. Kardamom spendet aromatisch-grüne Töne, umrankt rankend dunkelgrün, während Moschus ordentlich weichzeichnet, die pudrigen Facetten des Duftes aufgreifend und vertiefend. Hölzer setzen hier einen edlen Unterholzkontrast, sie balancieren La Surprise gekonnt kontrastierend aus. Und dann sind da noch ein paar Anklänge, deutlicher auf meiner Haut als auf dem Teststreifen zu erkennen, warm, wärmend, sanft-würzig und wohlig, eine gewisse harzig-gourmandige Aura ausstrahlend und die Pudrigkeit des Duftes (weiter)tragend.
Ein Damenduft, ganz klar. Einer mit Vintage-Charakter, der sich dennoch als moderner Zeitgenosse und Duftbegleiter zu erkennen gibt.
Wie sieht es aus, meine Lieben – kennt und besitzt Ihr Düfte von Parfums MDCI? Wenn ja – welche? Und sprechen Euch die beiden Neulinge an? Ich bin gespannt
Herzliche Grüße
Eure Ulrike
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