Neue Pariser Haute Parfumerie – Maison Crivelli …

Maison Crivelli stehen seit nicht allzu langer Zeit in unseren virtuellen (und, offline, auch sehr realen) Regalen. Grund genug für mich, mir diese optisch schon einmal recht ansprechende Marke einmal näher anzusehen.

 

Olfactory Haute Couture – Maison Crivelli Parfums Paris

„An authentic journal of various olfactory experiences“ versprechen Maison Crivelli, eine authentische Duftreise also mit verschiedenartigen Erfahrungen, darüber hinaus hängen sie die Latte hoch, denn besagte Reise soll ganz neue Erweckungserlebnisse bergen, genuin neue Duftentdeckungen – „a new approach to olfactory exploration, astounding the senses and leading to a highly personalized understanding of fragrance.“

Maison Crivelli

Slow Perfume nennen Maison Crivelli ihre Kreationen, vermutlich analog zu Slow Food – einen Gang runterschalten, innehalten, Sinne „spitzen“ und genießen. Das wäre dann das, was ich mit „Insel“ oder „Inseln“ meine, was ich mit meinem Blog schon seit Beginn verfolge – eine Alltagsinsel zu bieten, eine kleine temporäre Flucht. Und ziemlich genau das, was meines Erachtens nach Parfum genauso wie Kunst ganz generell und diverse sinnliche Erfahrungen bieten können und sollten.

Die Kollektion von Maison Crivelli wird in Frankreich hergestellt und ist „made with integrity“: der Fokus liegt auf der Verwendung natürlicher Ingredienzen, es werden keinerlei Farbstoffe und Phtalate verwendet, aus Respekt vor der Umwelt. Das kann dazu führen, dass minimale Unterschiede zwischen den Serien zum Tragen kommen. Darüber hinaus wird auf Tierversuche verzichtet.

Bezüglich des Verpackungsdesigns: die schönen Deckel der Flakons werden aus Zamak hergestellt, einer Legierung aus Zink, Aluminium, Magnesium und Kupfer, versehen mit dem Logo der Marke. Die bewusst minimalistisch gehaltenen Verpackungen werden aus recyceltem Papier hergestellt und enthalten kein Plastik, die Zellulose wird aus Hölzern hergestellt und ist somit kompostierbar. Die Glasflakons werden in der Nähe, in Frankreich und Spanien gefertigt.

Maison Crivelli – Range
Darüber hinaus engagieren sich Maison Crivelli sozial: Nach Reisen durch Indonesien samt Besuchen der dortigen Vetiver- und Patschuliplantagen samt Gesprächen mit den Produzenten wurde man sich dessen bewusst, wie wichtig es ist, nachhaltige Anbaumethoden für Duftrohstoffe zu fördern.

Dazu gehören fünf Schritte:

  1. eine beständige Produktion aufrechterhalten, da diese immer davon bedroht ist, von leichter anzubauenden Pflanzen verdrängt zu werden (hauptsächlich Palmöl)
  2. Bodenerosion begrenzen
  3. Vermeidung des Einsatzes chemischen Düngers
  4. Permakultur fördern und Erzeuger ermutigen, Brandrodungen zu begrenzen, die zur Entwaldung führen
  5. ein hohes Qualitätsniveau aufrechterhalten.

Dieser Ansatz führte Maison Crivelli dazu, die Organisation Cœur de Forêt, das Herz des Waldes, zu unterstützen und am nachhaltigen Anbau von Patschuli in Indonesien teilzunehmen.

Der Mann hinter der Marke – Thibaud Crivelli

„Haute Parfumerie is a living experience. To explore perfume, slow down and astound your senses. Simply.“ Thibaud Crivelli, emotional botanist.

Ein emotionaler Botaniker, was auch immer das ist 😉 In jedem Fall eine nette Beschreibung für etwas, das wir als Parfumistas eben doch auf eine Weise verstehen, oder nicht? Thibaud Crivelli ist der Mann hinter der Marke Maison Crivelli, die Ende 2018 ins Leben gerufen wurde. Die Webseite der Brand erzählt etwas mehr über den jungen Mann:

„Thirst For Adventure – Behind the calm exterior of this young entrepreneur lies a thirst for adventure that has characterized his family for more than 150 years, as they have ventured off the beaten tracks at a time when traveling was uncommon. From Lebanon to Australia, and from Morocco to Vietnam via the Indian Ocean, the three generations that preceded Thibaud lived on 5 continents, and have passed on an eclectic legacy that has sharpened his taste for exploration.

Original Approach – A curious and sensitive soul, Thibaud developed an atypical approach to nature in all its splendour during his childhood. Born in Paris, he grew up between the central France and Provence. In 2006, he moved to China, and spent 10 years in various Asian countries, where his western sensibilities were faced with new influences. He developed an empirical and multi-sensorial approach to nature due to his ability to take his time, to be in the moment, and admire its immensity while exploring the smallest details. Thibaud discovered plantations of raw materials used in perfumery, saw his senses continually stirred up, and steeped himself in his surroundings. This exploratory journey was marked by unexpected elements, which have imbued him with an atypical and unusual knowledge of perfume at every level.

Incredible Experiences – Drinking spicy coffee on the slopes of an erupting volcano, zigzagging across a cocoa plantation on a motorbike, smelling a rose 60m under the sea, or crossing a field of saffron in a snowy desert… Such are the extraordinary experiences within a realm of possibilities, which Thibaud has now chosen to share through his perfumes, combining surprising textures, flavours and scents.“

Die Crivellis sind ergo Weltenbummler und -wanderer: fünf Kontintente haben die letzten vier Generationen der Familie bewohnt, Thibaud schafft es bereits auf zwei: Geboren in Paris und aufgewachsen zwischen der Hauptstadt und der Provence zog es ihn später nach Asien, wo er zehn Jahre seines noch jungen Lebens in unterschiedlichen Ländern verbrachte. Eine Erfahrung, die er einfließen ließ in die Kreation seiner Düfte – genauso wie seine Erinnerungen und Erfahrungen.

Sieben Düfte gibt es bisher von Maison Crivelli: Absinthe Boréale, Bois Datchaï, Citrus Batikanga, Fleur Diamantine, Papyrus Moléculaire, Rose Saltifolia und Santal Volcanique – wir werden sie uns alle ansehen dieser Tage. Da ich bisher genauso wenig über sie weiß wie Ihr (oder die meisten von Euch, nehme ich einmal an), gehe ich es „safe“ an, chronologisch – das heißt den Auftakt macht heute Absinthe Boréale.

Das Wermut-Nordlicht – Absinthe Boréale

Maison Crivelli – Absinthe Boréale

Will-o-the-wisp, crunching snow, cosy shelter.Phosphorescent absinth and underwood lemons: palpitations. Sweet resin, polar fern, milky lavender. Mild geyser, immaculate fur. A hypnotic and verdant whisper.“

Die Ingredienzen: Absinth, Zitrone, Farn, Lavendel, Blattgrün

Parfumeur: Nathalie Feisthauer

Irrlichter und knirschender Schnee, darüber hinaus ein behaglicher Unterschlupf, davon ist die Rede – vielleicht eine Holzhütte irgendwo in Halbhöhenlage eines winterlich verschneiten Berges? Ich bin kein Skifahrer, ein Grund, weshalb ich mich gedanklich nicht in Österreich oder der Schweiz verorte in Anbetracht dieser Zeilen … dort gibt es überdies keine Nordlichter, die später erwähnt werden, insofern war ich gedanklich ganz richtig in Skandinavien oder besser Norwegen. Phosphoreszierender Absinth wird erwähnt und Unterholzzitronen, die Herzklopfen bereiten, süßes Harz, polarer Farn und milchiger Lavendel, darüber hinaus milde Geysire und makelloses Fell. Stellt sich nur die Frage – eines vor dem offenen Kamin oder das der Tiere draußen, vielleicht der Huskeys oder auch Rentiere? Und irgendetwas flüstert hypnotisch und saftgrün, so steht es geschrieben …

https://pixabay.com/photos/iceland-aurora-borealis-2111811/

Eine Absinthverkostung unter dem Nordlicht ist Inspirationsquelle zu Absinthe Boréale, der umgehend auf meinem Handgelenk gelandet ist – überflüssig zu erwähnen, ich bin neugierig. Absinth ist cool, sowohl in der Flasche, im Glas als auch im Flakon – und dennoch gibt es nicht überragend viele Absinth-Düfte. Eine der ersten Firmen war sicherlich Absolument Parfumeur aka Parfum d’Interdits – Kunststück, deren Eigner produzierte in seinem „früheren Leben“ auch Absinth, und zwar als einer der ersten, als der erste Franzose, nachdem bei unseren Nachbarn die Absinth-Prohibition aufgehoben wurde. L’Artisan Parfumeur (Fou d’Absinthe) haben einen Absinth im Portfolio genauso wie Nasomatto, Franck Boclet, Mark Buxton (Wood and Absinth)und by Kilian (A Taste of Heaven Absinthe Verte) sowie Serge Lutens (Douce Amère) und Keiko Mecheri (Paname). Von Erbolario gibt oder gab es einen, Demeter hat sicherlich auch etwas zu bieten. Dann wird es aber dünn, soweit ich mich erinnere … Fällt jemand noch ein Absinth-Duft ein?

Subtil zeigt sich Absinthe Boréale, auf eine Weise dezent, nicht vordergründig. Ein bisschen zitrisch, ein bisschen cremig, ein bisschen salzig, ein bisschen grün,frisch, hell, transparent, strahlend. Es ist schwierig, diesen duftenden Gesellen zu packen, weil er dafür sehr schwebt, sich nicht festlegend, und auf eine Weise puristisch wirkt, wie es häufig beispielsweise die Düfte von Jo Malone tun, an die er mich ein wenig erinnert. Im weiteren Verlauf gestaltet sich unser Absinth luftiger, ozonig mit einem klitzeklein maritimen Einschlag, aber eher kühles, klares Nass samt einem Quentchen mineralischer Anklänge, die für mich die Umgebung nachzeichnen. Und dann ist da noch der Absinth – eine Wermutnote, würzig-aromatisch-grün-krautig, allerdings zumindest auf meiner Haut weniger ausgeprägt als erhofft. Auf dem Teststreifen zeigt er sich etwas dominanter, ist aber dennoch nicht über die Maßen prägnant. Macht nichts, Absinthe Boréale macht trotzdem Freude – von der Stilrichtung her ist er ebenso smooth wie beispielsweise Tom Fords Grey Vetiver, ergo ein Immergeher, ein eleganter Understatement-Duft mit leisem Tick in Richtung Männerwelt.

Morgen geht es weiter mit Maison Crivelli – bis dahin alles Liebe und viele Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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