… sind unser Thema heute, nachdem die mexikanische Marke von Carlos Huber dieser Tage erneut bei uns im Shop gelandet ist – sehr zu meiner Freude, wie ich vorgestern anlässlich meiner ersten neuen Rezension zu L’Etrog und seinem Flanker L’Etrog Acqua geschrieben hatte. Lange waren sie in Deutschland nicht mehr erhältlich, insofern habe ich in der Tat auch ein paar Lancierungen verpasst. Dazu gehören auch Él und Ella, die ich mir jetzt umgehend stellvertretend für Euch unter die Nase klemmen werde.
Arquiste Él & Ella
„Él and Ella were inspired by the decadence and glamour of Acapulco in the 70s. December in Acapulco was the obligatory stop in the jet set calendar, with lots of beach and pool time and endless partying. The 70s were an era of glamour and sensuality heightened in here by the heat, the magnificence of the bay and magical sunsets.
With Él and Ella we were looking to create the impression of a scent macerating on skin, something more sensual and playful. The idea was to recreate the scent of HIM and HER just as they leave the disco, they come together and embrace…what would each smell like? HIM with his unbuttoned shirt and his burly scent, her with her plunging neckline and her voluptuous femininity. In ÉL and ELLA skin, sweat, cigarettes, champagne, sand and heat all come together under in a sophisticated way.“
Ins Acapulco der Siebzigerjahre entführt uns das Duft-Dreamteam von Huber. Ich kenne es eigentlich nur aus … Schlagern? Dem Fernsehen? Hörensagen? Die Gnade oder Schmach der späten Geburt 😉
Acapulco de Juárez liegt im Süden Mexikos an der Pazifikküste und war lange Jahre ein touristischer Hotspot – bis, ja, man ahnt es leider schon, die Kriminalitätsrate als auch die zunehmende Umweltverschmutzung die Urlauber in andere Regionen vertrieben. Der Glamour hielt schon in den Dreißigerjahren Einzug in dem Ferienort dank berühmter Hotels wie dem Los Flamingos und dem El Mirador. In den Sechziger-, Siebzigerjahren hatte Acapulco dann seine Hochzeit, was unter anderem auch der kubanischen Revolution geschuldet war. Kuba war erst einmal raus als Reiseziel, so wandten sich die Amerikaner Acapulco zu, das mit dem Flugzeug lediglich drei Stunden von Los Angeles entfernt liegt. Stars und Sternchen verbrachten ihre freie Zeit dort, ob in den hiesigen Luxushotels oder im eigenen Immobilienbesitz, so unter anderem Liz Taylor und Brigitte Bardot, Johnny Weissmüller aka Tarzan, John Wayne und John F. Kenned, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus wurden in Acapulco über 200 Filme gedreht wie beispielsweise der Bond Lizenz zum Töten. Ab den Neunzigerjahren ging es dann leider bergab mit Acapulco, in den Nullerjahren eskalierte die Kriminalität und Gewalt in der Stadt, da sich rivalisierende Drogenkartelle dort bekriegten. 2016 hatte Acapulco den traurigen dritten Platz inne hinsichtlich der Pro-Kopf-Mordrate weltweit und galt somit als die gefährlichste Stadt Mexikos (das will was heißen …) sowie eine der gefährlichsten Städte der Welt. Schade, wenn man sich die Bilder so ansieht, es muss wohl wirklich ein schönes Fleckchen Erde sein.
Él und Ella sehen sich selbstredend inspiriert vom „alten“ Acapulco, dem Acapulco der Siebzigerjahre. Die Glanzzeit der Stadt, die damals eine magnetische Wirkung auf den Jetset hatte mit ihren herrlichen Stränden und der endlosen Party. Sinnlich und verspielt soll das Duftpärchen sein, dem die Idee zugrunde liegt, den Duft von „ihm“ und „ihr“ einzufangen, die gerade von einer jener sagenumwobenen Parties kommen, zusammen, sich umarmend … Er mit aufgeknöpftem Hemd (das ist nicht meine Idee, das steht da, siehe oben ;)), sie natürlich feminin, sinnlich und erotisch. Haut, Zigaretten, Champagner, Sand und Hitze vereint in einem beziehungsweise zwei raffinierten Düften …
Das Tier im Manne – Arquiste Él
„December 1978, Armando’s Le Club, Acapulco, Mexico. Nighttime at Acapulco’s sultriest disco. Revelry on the dance floor. In the heat of the moment, he smiles coyly and motions to the beach outside, hinting at a midnight swim. He unbuttons his shirt, flashing bronzed skin and the scent of his cologne, a virile muskiness loaded with patchouli, oakmoss and elegant woody notes. A masculine impression of a day under the sun, intensified by the thrill of the night.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Lorbeer, Muskatellersalbei, Rosmarin, Geranium
Herznote: Kardamom, Zimt, Orangenblüte, Honig
Basisnote: Patchouli, Eichenmoos, Vetiver, Castoreum, Fougère-Akzent, Zibet
Parfumeur: Rodrigo Flores-Roux
Unser Mann macht heute den Anfang. Ein Strahle- oder vielmehr Lebemann offensichtlich – parfümiert, mit weit aufgeknöpftem Hemd und bronzefarbenem Teint, sonnengebräunt … Mann-Mann der Siebzigerjahre, würde ich sagen und denke an … Miami Vice. Vielleicht auch … das A-Team? 😉 Viel spannender ist aber: in welche Richtung geht Él, welchen olfaktorischen Pfad beschreitet der Duft?
Ich meckere ja immer wieder gerne einmal, dass ich mir mehr dezidiert „männliche“ und auch „weibliche“ Düfte wünsche, überhaupt – mehr Wuchtbrummen. Der oder besser die Trends der letzten Jahre, ja eigentlich der letzten ein, zwei Jahrzehnte, gingen deutlich gen Unisex-Duft, mehr noch: Aquaten standen lange im Fokus, Sauber-Düfte, wobei die Marke Clean hier definitiv Nomen est Omen die Nase vorne hatte beziehungsweise zu den Wegbereitern dieser Duftmode gehörte. Beide Strömungen haben sicherlich ihre Berechtigung, jedoch vermisse ich – und ich stehe damit nicht alleine da – mittlerweile wieder „Wummser“. Ich habe es schon öfters angemerkt, unter anderem bei animalischen Düften, die heute kaum mehr kreiert werden, jenen knackig nach Tier(chen) duftenden, sowie bei Männer- als auch Frauendüften generell, wo ich den großen Klassikern hinterher trauere, die laut „Hier bin ich, ich bin ein Parfum!“ schreien. So etwas muss und kann man nicht täglich haben und tragen, dennoch könnten einige Marken und Parfumeure wieder etwas mehr Mut beweisen und olfaktorische Statements kreieren, die eindeutig duftend(e) Stellung beziehen.
Macht Él das, wenn er schon einen Männer(stereo)typ beschreibt, der wie aus der Zeit gefallen wirkt zwischen Metrosexuellen, Hipstern und Lumbersexuals? Yep, er tut es. Er kam, sah und siegte, wagt und gewinnt, so zumindest mein Herz. Ein rauchiger Fougère-Duft, einer der schönsten, der mir die letzten Jahre über den Weg gelaufen ist. Krautig, dunkelgrün und aromatisch, gleichermaßen „dumpf“ im Sinne von matt strahlend. Und zwar so herrlich kraftvoll und „maskulin“, wenn man so möchte, wie ein von Hand sorgfältig matt-schwarz lackierter Young- oder Oldtimer, von mir aus gerne auch ein Muscle Car. Moosig, eichenmoosig, herb-bitter düstergrün, eine ordentliche Ahnung Tier verströmend. Mit einem Augenzwinkern ist hier ein Quentchen Süße im Duft gelandet, Honig, so dickflüssig und bernsteinfarben wie Single Malt, darüber hinaus Zimt, süß, aber eben auch von einer pfeffrigen Schärfe. Irgendwo im Hintergrund raucht es zurückhaltend, dennoch ist Él auf eine seltsam einzigartige Weise weich, fast samten, was bei mir die Assoziation von Samtleder hervorruft. Gibt es nicht, schon klar, wenn es das geben würde – Él ist das olfaktorische Abbild davon.
Dieser Mann, Él, ist toll. Markant, charakterstark, smart, kernig und vor allem auch sexy, aber gleichermaßen von einer lässigen Eleganz, vor allem aber einer ungezwungenen, natürlichen. Ich glaube nicht, dass er sich das Hemd irgendwo aufknöpfen muss, um seinen Mann zu stehen beziehungsweise seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Él braucht das nicht, Él ist einfach, das reicht. Daumen nach oben, Volltreffer. Und sicherlich nicht nur tragbar für das männliche Geschlecht, sondern auch für die eine oder andere Frau. Ihr ahnt es schon, ich überlege bereits … er geht bei mir in den Dauertest.
You’re a Sexbomb – Ella
„December 1978, Armando’s Le Club, Acapulco, Mexico. It’s a sultry night of disco, plunging necklines and champagne-soaked skin. Lights flash and strangers kiss, but it’s her, dancing, that commands the attention. She moves, panther-like, her honeyed skin creating an addictive sweetness and magnetism that only a deep chypre fragrance can deliver. She’s met her match on the dance floor, and it’s her animalic instinct that follows him outside, onto the golden beach, under a silvery moon.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Florale Noten, Angelika (Engelwurz), Karottensamen, Türkische Rose
Herznote: Jasmin, Kardamom, Honig, Ambra
Basisnote: Patchouli, Zibet, Vetiver, Tabak, Chypre-Akzent
Parfumeur: Rodrigo Flores-Roux
Unsere Frau hier, Ella, tänzelt selbstverständlich im selben Club wie Él, im Armando’s Le Club. Ob Carlos Huber dort mal war? Eigentlich ist er, der Markeninhaber, dafür auch noch zu jung, denke ich … Googelt man die Lokalität, gibt es wohl noch einige, die sich wehmütig daran erinnern – „those where the days my friends“ lese ich bei Tripadvisor, vermag nur ahnen, was sich dort so alles zugetragen hat und fühle mich an die Geschichten um das Studio 54 erinnert.
Zu dem Duftduo Él und Ella gibt es einige Rezensionen im Netz, am treffendsten finde ich die bei The Silver Fox, lest hier. Einzelne Aspekte daraus möchte ich aufgreifen, weil sie meine Meinung hinsichtlich der beiden Duftschönheiten perfekt auf den Punkt bringen.
Zitiert wird ganz am Anfang Barry White mit einer Aussage, die ich nicht kannte, die allerdings überaus gut zu unserem Thema hier passt:
„Disco deserved a better name, a beautiful name because it was a beautiful art form. It made the consumer beautiful. The consumer was the star.“ – Barry White
Selbst wenn ich in keinem, wirklich keinem einzigen jener legendären Clubs zu seinen Hochzeiten war, kann ich mir vorstellen, was gemeint ist, kenne die Bilder, Dokumentationen, Videos und so weiter … Es war etwas fürs Auge. Und für alle anderen Sinne selbstredend auch. Demnach aber so ziemlich genau das Gegenteil dessen, was man gerne mal als „Dorfdisko“ bezeichnet und was auf dem Land üblicherweise irgendwas mit „Baum“ am Ende heißt oder einen weiblichen Vornamen trägt, mit dem keiner (ok, fast keiner) die Frucht seiner Lenden bestrafen würde. Hedonismus, ungezügelte Lebenslust, 200 %. „Work hard, party hard“, für manche sicher auch „sleep all day, rock the night“. So liest man es auch bei The Silver Fox:
„Disco was about glamour, dressing like sexy evening dates, halter necks, plunging décolleté, dizzying heels, reckless hair, lipstick that could devour a room. […] Into this mix are two people, personified in ÉL and ELLA, a virile, passionate man who yearns to be loved forever and a woman whose incandescent sensuality burns like a white-hot flame, incinerating those around her like a million lovesick moths. You need time with these perfumes, they are strong and different.“
Und weiter:
„It is this transubstantiation of fleshly desire that Carlos and Rodrigo have nailed to perfection in these possessive fierce perfumes. The 70s was an explosive time for fragrance, you wore it big or you went home.“
Carlos Huber ist von Haus aus Architekt mit einer Spezialisierung auf Architekturgeschichte, Denkmalpflege, hat darüber hinaus erfolgreich als Interieurdesigner gearbeitet und ist überaus kunstaffin. Des weiteren – er ist Latino, genauso wie sein Haus- und Hofparfumeur Flores-Roux. Zwei Fakten, die, so meine ich und derselben Meinung ist auch The Silver Fox, mit hineinspielen in die Kreation dieses Duftpaares. „Fleischeslust“ oder auch – Verlangen, hitzige Leidenschaft, Lebenslust und -freude, Sinnlichkeit, überbordende, gepaart mit Glamour, Strahlkraft – für mich die Kernaussage dieser beiden Düfte, die für das, was ich von Arquiste vorher kannte, ungewohnt sexy sind. Um nicht zu sagen „sexy as hell“, im absolut und ausschließlich positiven Sinne.
Wo Él sich als Vorzeigemann der altehrwürdigen Duftfamilie der Fougère-Düfte verpflichtet, huldigt Ella einer ebensolch traditionellen Gattung, und zwar der der Chypres. Regelmäßige Leser werden es wissen – ich liebe Chypre-Düfte, sowohl klassische, klassisch aber auch modern interpretierte. Ella ist ein modern interpretierter Chypre, der aber dennoch aus allen weiblichen Rohren feuert. Wir haben es hier erfreulicherweise nicht mit einer zurückhaltenden Dame zu tun, sondern mit einer, die Bling-Bling liebt – Bling-Bling mit Stil wohlgemerkt. Ich sehe sie im weißen Designerkleidchen mit tiefem Ausschnitt auf Heels, vielleicht auch Boho-angehaucht, in jedem Fall aber sowohl elegant als auch sexy, behängt mit viel Goldschmuck, Statementkette(n) und dicken Ringen. Nicht prollig, sondern kühn, mutig, zeigefreudig selbstbewusst.
Jasmin, cremig, verhalten indolisch, nicht nur honiggeküsst, sondern honiggeschwängert – wer Kurkdjians Elie Saab, den ersten, den Signature liebt/e (er ist discontinued; und ja, hier, ich, ich gehöre zu der Fraktion) oder auch Terry de Gunzburgs Lumière d’Épices, der wird sich umgehend verlieben. Und sollte auch für die rauchigen Noten offen sein, denn unsere Schönheit hier zeigt sich in Zigarettenhauch gehüllt. Eleganter, alltagstauglicher als der Konzeptduft Jasmin et Cigarettes von EldO, der dennoch seinen Platz hat (und den ich, by the way, auch gerne mag und trage), aber seinem Naturell nach viel kühler und weniger komplex ist. Krautig-grün-aromatisches umrankt und irgendwo aus diesem angedeuteten Dschungel, der unbezähmbaren Wildnis, lugt auch hier ein Tier hervor. Oder ist es der Pelz, der hoffentlich „fake“ ist, in den sich unsere Vollblutfrau nach durchzechter Nacht im Morgengrauen hüllt, um eine letzte, selbstredend politisch unkorrekte Zigarette bei Sonnenaufgang zu rauchen?
Liebhaberinnen der ganzen alten Klassiker-Chypres, vornehmlich der Franzosen – Guerlain, Caron und Konsorten – testen. TESTEN!
Ich bin total begeistert, Ihr merkt es schon – und verdammt neugierig, ob Ihr die beiden Düfte schon kennt beziehungsweise was Ihr von Ihnen haltet!
Herzlichst
Eure Ulrike
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