Ganymede ist der zweite Duft von Marc-Antoine Barrois …

… und, genau wie sein erstes olfaktorisches Werk, von einem Himmelskörper inspiriert. Aber fangen wir von vorne an … Marc-Antoine Barrois‘ Duftduo ist vor nicht allzu langer Zeit bei uns im Sortiment gelandet und harrt seitdem einer näheren Betrachtung. Den ersten Teil derselben habe ich gestern eingelöst – in der Rezension habe ich die Marke des französischen Modedesigners (für Herren) vorgestellt sowie seinen ersten Duft, B683, inspiriert durch den Kleinen Prinzen und benannt nach einem imaginären Planeten, den er zusammen mit dem Parfumeur Quentin Bisch entwickelte und 2016 lancierte. 2019 folgte dann Ganymede, dem wir uns heute widmen.

Im Mondenschein – Ganymed

Schon wieder greifen Barrois und Bisch nach den Sternen, so scheint es. Oder vielmehr gleich nach den größeren Himmelskörpern. Gestern war es ein Asteroid, heute ist es mit Ganymed … nicht ganz so einfach. Gemeint sein könnten zwei Himmelskörper, die beide denselben Namen tragen.

Einerseits (1036) Ganymed, ein laut Wiki „erdnaher Asteroid vom Amor-Typ“ (der größte seiner Art mit einem Durchmesser von 31,7 km), entdeckt am 23. Oktober 1924 von Walter Baade an der Sternwarte Bergedorf bei Hamburg. Andererseits aber auch, und das halte ich für wahrscheinlicher, Ganymed, der größte Mond des Sonnensystems, siehe die perfekte Zusammenfassung bei Wiki:

„Ganymed (auch Jupiter III) ist der dritte und größte der vier Galileischen Monde des Gasplaneten Jupiter. Er ist mit einem Durchmesser von 5262 km der größte Mond des Sonnensystems. Er hat – ebenso wie der Saturnmond Titan – einen etwas größeren Durchmesser als der (allerdings massereichere) Planet Merkur. Ganymed gehört zum Typ der Eismonde und besitzt einen Kern aus Eisen. Er ist der einzige Trabant mit einem ausgeprägten Magnetfeld und besitzt eine sehr dünne Atmosphäre.“

Der Jupitermond Ganymed wurde wohl von Galileo Galilei entdeckt, der 1610 sein im Vergleich zu heute vorsintflutliches, einfaches Fernrohr auf den Jupiter richtete und vier Monde entdeckte, die seitdem als die Galileischen Monde bezeichnet werden -Io, Europa, Ganymed und Kallisto. Alle vier Monde strahlen so hell, dass sie sich nach wie vor mit einem normalen Fernrohr beobachten lassen. Ganymed ist der hellste, er ließe sich auch mit bloßem Auge beobachten, wenn er nicht vom Jupiter überstrahlt werden würde.

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„True color image of Ganymede, obtained by the Galileo spacecraft, with enhanced contrast.“ Aufgenommen am 26.6.1996 von der NASA/JPL [Public domain], via Wikimedia Commons
Der Name sowohl des Asteroiden als auch des Mondes stammt aus der griechischen Mythologie: der Jüngling Ganymed war Sohn des trojanischen Königs Tros, früher Hirte, später dann Mundschenk der Götter und Geliebter des Zeus, galt er doch als der Schönste aller Sterblichen. Die Ganymed-Sage ist alt, sehr alt – sie wird bereits im sumerischen Etana-Mythos sowie im Gilgamesch-Epos dargestellt. Der Etana-Mythos wird mindestens auf das 24. Jahrhundert vor Christus datiert. Zu dieser Zeit entstand auch das Gilgamesch-Epos. Beide gelten deshalb als älteste Schriftstücke der Welt.

Ganymede Louvre
Porträt des Ganymed, 2. Jhdt. n. Chr., gefertigt aus pentelischem Marmor, Eigentum des Louvre Paris; Foto von Marie-Lan Nguyen [Public domain], via Wikimedia Commons

Ganymede – der Duft

„Ganymede was launched in 2019, it is still a leather-based perfume but just like the planet whose name it bears, it is a new elegance, which is fresh and mineral, just as timeless.“

„Wenn B683 von einem Souvenir inspiriert war, stammt Ganymede von der Vorstellung einer neuen Eleganz, die zeitlos und fließend ist.“ – Quentin Bisch

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Mandarine, Safran
Herznote: Veilchen, Osmanthus
Basisnote: Hölzer, Immortelle (Italienische Strohblume)

Ganymede spielt, so beschreiben es Barrois und Bisch, mit Kontrasten und Gegensätzen. Wie sein Vorgänger B683 spielt Leder erneut eine Rolle, in diesem Fall aber wohl gänzlich anders interpretiert … Während das Pröbchen noch vor mir liegt, bin ich neugierig: Safran und Veilchen finden sich auch in B683, mit Mandarine und Osmanthus dürften sich allerdings deutlich fruchtigere Noten einstellen, darüber hinaus unterstelle ich der Immortelle eine gewisse Präsenz, zeigt sich doch diese Strohblume häufig in Düften sehr prominent … Bevor ich jetzt noch weiter spekuliere, auf dem olfaktorischen Trockenen sitzend, muss Ganymede flugs auf die Haut …

Wow. Ist B683 bei mir umgehend im Dauertest gelandet, weil er mir sehr gut gefällt, ich aber doch schon das eine oder andere Lederchen in meinem Repertoire habe, muss ich Ganymede gar nicht länger testen, es ist für mich Liebe auf den ersten Blick oder besser Schnupperer. Will sagen: ich brauche ihn, muss ihn haben.

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Leder steht erneut im Mittelpunkt, ein charakterstarkes, exquisites Glattleder, im Falle von Ganymede aber heller, weicher, weniger dezidiert maskulin. Mandarine strahlt hell, frisch und erfrischend, saftig, reif und von einer köstlichen, zarten Süße, die von Osmanthus vertieft wird. Die Blüten des asiatischen Strauches zeigen sich von ihrer besten Seite, Bisch hat jene Aspekte herausgearbeitet, die Osmanthus in Düften so einzigartig macht: die fruchtigen Facetten, die an Aprikosen und Pfirsiche erinnern, samtig, süß und überaus verlockend, als auch die ledrigen Facetten. Letztere werden von einer extrem gekonnt ausbalancierten Strohblume akzentuiert: sie würzt leise und salzt, haucht abstrakte Anklänge von Curry ein, die hier weniger an Essen oder Transpiration (ja, auch das kann Immortelle …) erinnern als vielmehr das Leder plastischer erscheinen lassen, dichter, wohlgestaltiger. Veilchen schafft ebenfalls Konturen, pudert sanft, erdet, spendet eine gewisse Mattheit, die den Duft eher scheinen als strahlen lässt, von kühl-knarzigen Hölzern getragen.

https://www.pexels.com/photo/unknown-person-standing-outdoors-2379179/

Ganymede ist definitiv „unisex“, er kann von beiden Geschlechtern gleichermaßen getragen werden. Leder ist sein Element, das sollte man schon mögen, sonst wird es mit Ganymede (und erst recht mit B683) nichts. All diejenigen, die Leder mögen, sollten testen, denn Ganymede versteht es, eine innovative Lücke zu besetzen, die sehr selten ist. Er ist ein Vollblutlederchen und entspricht dem Zeitgeist insofern, als dass er auf Leder in Kombination mit Veilchen als auch Früchten oder vielmehr Frucht setzt – das kennen wir von modernen Klassikern wie beispielsweise Tom Fords Tuscan Leather, Parfum de Marlys Godolphin, Oro 1920 von Bois 1920 und Konsorten, sowohl im Mainstream als auch im Nischenduftbereich. Neu ist im Falle von Ganymede, dass er keine Beeren mit Leder kombiniert, sondern besagtes gelbes Steinobst, darüber hinaus dank Safran und Immortelle annähernd orientalische Würze in sich trägt, aber dennoch kein Orientale ist, sondern zudem eine entfernt an Meer erinnernde Salzigkeit aufweist (die wahrscheinlich ein Tribut an die Salzwasserozeane des Jupitermondes darstellt). Jene fruchtig-salzige Frische in Kombination mit orientalisch-würzig-pudrigem Leder ist meines Erachtens nach einzigartig. Und einzigartig schön. Meine Bestellmail gen Versand ist schon raus …

Schwelgerische Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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