Manchmal braucht auch ein Beauty-Journalist jemanden, der ihm auf die Sprünge hilft. Bei all den unzähligen Neuerscheinungen, die jeden Monat auf den Markt geworfen werden, übersieht man eben manchmal das ein oder andere Juwel. Von so einem Fall möchte ich heute berichten: Penhaligon’s „Amaranthine“.
Der Duft kam zwar schon 2009 auf den Markt, aber ich habe ihn für mich erst letztes Wochenende entdeckt! Mea Culpa. Ich möchte das wieder gut machen und meine späte Entdeckung heute mit Ihnen teilen.
Nun gibt es ein typisch journalistisches Prozedere, wie man sich einem neuen Duft nähert. Auspacken, den Flakon in der Sonne glitzern lassen (… das Licht der Schreibtischlampe tut’s auch), dann ein paar Spritzer in die Luft sprühen (oder in den Deckel) und drauf los schnuppern. Wie ein Weinkenner errät man wahrscheinlich ein paar signifikante Duftstoffe, um die gesamte Pracht der Zusammensetzung zu erfahren, greift man aber zur Pressemappe – und wundert sich viel zu oft über die Marketing-Texte. Die versuchen nämlich gerne, den Zauber des Duftes in merkwürdige Worte zu übersetzen, die leider so gar keine Emotionen transportieren. Besonders beliebt: „Ein Duft für die Frau von heute, von strahlender Eleganz, das Spiel der Verführung, Bla.“ Mir geben diese Texte so überhaupt nichts, außer gähnender Langeweile. Leider ist es bei Amaranthine nicht anders:
„Ein abgedunkeltes Zimmer, im sanft strahlenden Kerzenlicht, verführerisch schimmernde Seidenlaken und die flirrende Luft gesättigt vom Duft tropischer Blüten, von Vorfreude und Verlangen.“Aha. Und das soll mir sagen..?
Dabei ruht in Amaranthine tatsächlich ein Zauber, den der Parfumeur Bertrand Duchaufour in gewohnt meisterhafter Art einzufangen wusste. Dem Franzosen verdanken wir bereits einige große Würfe wie „Al Oudh“ für L’Artisan Parfumeur oder „Flora Bella“ für Lalique. Für den Damenduft Amaranthine mischte er frisches Grün und weiße Freesie im Auftakt, mit tropischen Blüten-Nuancen und sanften Gewürznoten, sowie einem samtigen Fond aus Moschus und Tonkabohne. Penhaligon’s nennt diese Kreation „Blumig-Orientalisch“, und tatsächlich locken die exotischen Anklänge aus Gewürznelken, Koriander und Kardamom in meinem Kopf das Bild einer arabischen Prinzessin hervor. Aber im Gegensatz zu manchen orientalischen Parfums fehlt Amaranthine glücklicherweise die typische Schwere. Kein olfaktorischer Dampfhammer, der für europäischen Geschmack zu wuchtig daherkommt. Ganz im Gegenteil, der Duft strahlt richtig (dank dem enthaltenen Grünen Tee) und umweht die Nase, statt sie zu überfordern. Köstlich, ein wenig milchig, auf jeden Fall sehr schmeichelhaft.
Aber was hat es bitte mit den schimmernden Seidenlaken aus dem Marketing-Text auf sich, mit Verlangen und einem abgedunkelten Zimmer? Ich finde nämlich, das Parfum ist keineswegs up-sexed, wie viele aktuelle Mass-Market-Parfums, sondern von einer viel subtileren Wahrnehmung. Seidenlaken, okay. Aber nicht, weil die Trägerin entblättert auf ihren Liebsten wartet. Diese Vorstellung ist zu ordinär für das Parfum. Viel treffender wäre das Bild einer arabischen Prinzessin, die auf bestickten Seidenlaken gebettet friedlich schlummert und in ihren Träumen Abenteuer mit magischen Wesen und Prinzen aus entlegenen Ländern erlebt. Dann würde auch der Name des Parfums passen:
Amaranthine – die Blüte, die nie vergeht
Um die legendäre Amarantos-Blüte ranken sich viele Legenden. Eine purpurfarbene, magische Blume von immerwährender, unvergänglicher Schönheit. In der griechischen Mythologie verstecken die Götter diese Pflanze, um ihr Geheimnis und ihre Schönheit für sich zu bewahren. Denn wörtlich aus dem Griechischen übersetzt bedeutet der Name dieser Blume: „Eine, die ewig blüht“. Der Sterbliche, dem es gelingt, die Blume zu entdecken, wird der Legende zufolge unsterblich. Heute noch steht in der englischen Sprache „amaranth“ für Unvergänglichkeit und inspirierte immer wieder Musiker: Die elegisch-verklärte Enya taufte ein ganzes Album nach der Blume, die erfolgreiche finnische Metal-Band „Nightwish“ schrieb sogar ein Lied über die Magie der ewigen Schönheit:
Penhaligon’s – die Marke, die nie vergeht
Mitte des 19. Jahrhunderts begann William Henry Penhaligon in London als Barbier zu arbeiten. Seine Anfänge in der Welt der Schönheit beruhten darauf, wohlhabende Gentlemen nach ihrem Besuch in einem luxuriösen Hamam – einem türkischen Bad, wie sie damals so beliebt waren – zu rasieren. Von seinem Erfolg kann er das Hamam kaufen und lernt, die exotischen Düfte und Gerüche dieser Badeanstalt zu lieben. Sie inspirieren ihn zu seinem ersten Parfum: „Hammam Bouquet“. Es folgen weitere sehr exklusive und erfolgreiche Kreationen, bis Queen Victoria den aufstrebenden Parfumeur zum Königlichen Barbier und Hofparfumeur ernennt, inklusive Ritterschlag. Penhaligons Ruhm wächst, er beliefert Prominente wie Oscar Wilde und Winston Churchill, sowie die meisten Königshäuser in ganz Europa. Doch dann die Krise: Der zweite Weltkrieg, Europas finsteres Kapitel, stoppt die Lieferung der auserlesenen Rohstoffe. Wirtschaftskrise, Bomben, Bankrott. Die Marke Penhaligon’s geht in den Kriegswirren unter. Erst 30 Jahre später haucht eine britische Modedesignerin, Sheila Pickles, dem Parfumhaus neues Leben ein. Mit nichts als einer handschriftlichen Rezeptliste des William Penhaligon und einer Hutschachtel voller alter Etiketten beginnt sie von vorne und tritt das legendäre Erbe an. Heute umfasst das Sortiment der Marke viele einzigartige Herren- und Damendüfte, dazugehörige Badelinien, Duftkerzen, Silberwaren und Lederaccessoires. Die Geschichte der Wiederbelebung ist so bezaubernd, dass sie mich natürlich an die magische Blume Amaranthine erinnert. Wie treffend, den neuesten Duft auf den Namen der Unvergänglichkeit zu taufen.
Aber noch mal: Mit den billigen Sex-Andeutungen der Marketing-Texte hat dieser Duft rein gar nichts gemein. So viel edler und anrührender ist Amaranthine, dass ich gar nicht verstehen kann, wieso viele deutsche und englische Beauty-Blogs auf den lasziven Zug aufspringen. Amaranthine ist edel, sinnlich und köstlich. Und die schönste orientalische Kreation, die ich seit langem gerochen habe. Was wieder einmal beweist: „Sex sells“ war einmal. Ein wirklich großartiger Duft überzeugt auch ohne billige Klischees.
Ihr Constantin Herrmann.
Danke Danke und nochmals DANKE für diese Revision des überaus phantasie-schmeichelnden DUFTES. Ich kann auch meistens mit diesen provokativen Texten nichts anfangen – genausowenig wie mit leichtgeschürzten Ladies auf Autos. Geht für mich ebenfalls immer nur in die Richtung „Sex sells“, wie Du schon angemerkt hast. Aber AMARANTHINE lässt mein Kopfkino auch anspringen – ich habe da eher so Visionen von elfengleichen zarten und femininen Wesen, die in kühlem, grünen Unterholz einherstreifen und Kräuter und Blüten sammeln… (Jedem das Seine halt, was Kopfkino betrifft)
Ein wirklich wunderbarer Duft, und mal ganz was anderes.
Eine schöne Beschreibung, herzlichen Dank dafür.
Mich hat Amaranthine sofort in seinen Bann gezogen und verzaubert. Diese grünen und floralen Noten gepaart mit einer Würze die den Duft perfekt ausbalanciert und nie zu süß oder schwülstig werden lassen machen ihn zu einem perfekten Begleiter und berühren meine Seele.
Allerdings bringe ich diesen Duft keineswegs mit Tropen in Verbindung, vielmehr könnte ich diesen köstlichen Blütenduft auf einer schönen Veranda in England inmitten eines üppigen Gartens bei einer Tasse Grüntee erschnuppern….