… haben wir es heute, und zwar mit zwei weiteren Düften des Hauses Welton London. Wer das Bisherige verpasst hat – ich hatte die bei uns neu im Sortiment gelandete Marke bereits vorgestellt (inklusive Rezension des ersten Duftes, Rose Empire), lest hier, sowie eine Rezension der beiden Holzdüfte der Kollektion geschrieben, lest hier. Heute geht es weiter im Duftext mit Secret Amber und mit Iconic Amber Oud – Oud Inspiration und Jasmin Sacré vervollständigen am Donnerstag unsere Betrachtungen zu der Welton-Kollektion, die sich von Reiseerinnerungen John-Paul Weltons inspiriert sieht.
Der Rosen Rot – Secret Amber
„Secret Amber ist ein mysteriöser Duft mit einer sehr modernen Sinnlichkeit. Die Kopfnoten aus zarter pudriger Rose offenbaren verlockende Herznoten aus weißem Jasmin, gefolgt von intensiven, warmen Basisnoten aus Ambra, Moschus und einem dezenten Hauch von Vanille. Das vollkommen sinnliche Secret Amber hinterlässt eine bezaubernde und mysteriöse Spur …“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Rose, Marokkanische Rose
Herznote: Jasmin
Basisnote: Ambra, Mysore-Sandelholz, Weißer Moschus, Vanille
Ambra und Rose sind offensichtlich das Geheimnis, das uns Secret Amber verheißt – ich ertappe mich dabei, dass mir spontan kein Duft einfällt, der die beiden eigentlich relativ gängigen Ingredienzen als Duo in den Mittelpunkt stellt. Und das, obschon das eigentlich auf der Hand läge, denn sie harmonieren sehr gut zusammen, wie man an etlichen Orientalen sehen kann, und erfreuen sich zudem beide großer Parfumista-Fangemeinden. Ob mir noch ein Duft einfällt? Mmmmh, yep – Rose Night von Montale, wobei hier auch eine ordentliche Portion Moschus mitschwingt. Rose Kashmirie von Les Parfums de Rosine habe ich relativ orientalisch bzw. ambralastig in Erinnerung, er wartet aber noch mit wesentlich mehr Zutaten auf, insofern … Von Fragonard gibt es Rose Ambre, den ich allerdings nicht kenne. Da verließen sie ihn beziehungsweise mich aber schon wieder – mehr will mir nicht einfallen, Euch?
In welchem Land oder welcher Stadt wir uns mit Secret Amber befinden, ist leider nicht angegeben, allerdings vermute ich, dass wir uns in arabischen Gefilden aufhalten. Dafür ist Secret Amber sehr französisch oder vielmehr europäisch, er zeigt sich als einer jener Duftkandidaten, die auf europäische Weise arabischen Dufttraditionen Tribut zollen. Ein sinnlich-samtiger, opulenter Rosenstrauß in leuchtendem Rot, warm-würzig und vanillepudrig geküsst sowie von köstlichen Honigsprenklern benetzt. Irgendwo in der balsamischen Harzwürze wohnt auch ein Quentchen Rauchigkeit, der unsere Röslein auf hintergründige, zurückhaltend-zivilisierte Weise einrahmt.
Secret Amber ist ein Schönling, den ich zwar primär an Frauen sehe, der aber durchaus auch dem richtigen Mann exzellent zu Gesicht stehen könnte – vorausgesetzt, dieser hat keine Angst vor Wärme und einer Portion Süße, die aber ohnehin beide heutzutage gerne mal in Herrendüften vertreten sind. Secret Amber gefällt mir ausnehmend gut – wer beispielsweise Tom Fords Noir de Noir mag oder auch by Kilians Rose Oud, ferner die Rosen von Kurkdjian oder Van Cleef & Arpels Rose Vélours, der wird mit Secret Amber nichts falsch machen.
Maurisches Meisterwerk – Iconic Amber Oud
„… ich bin berauscht von dieser Architektur, von den Fresken und Lichteffekten. Ich bin bezaubert von diesem Palast aus Tausendundeine Nacht, von der Magie dieses Juwels orientalischer Schönheit – vom Gesang der Vögel, von dem feinen Duft der Blüten, von dem Murmeln des Wassers.“ Elegant verführt Iconic Amber Oud in höchstem Maße. Eine außergewöhnliche Erinnerung an den Orient vergangener Zeiten, mit einem modernen Twist …
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Tabak, Ingwer, Kardamom
Herznote: Oud, Zedernholz, Safran, Rosa Pfeffer
Basisnote: Moschus, Ambra, Labdanum, Sandelholz
In der Beschreibung zu Iconic Amber Oud schwärmt John-Paul Welton von einem ganz bestimmten Palast – von der Alhambra im spanischen Granada. Diese hat seit 1984 den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes inne und gilt als eines der herausragendsten baulichen Zeugnisse maurischen Stils. Sie ist eine Stadtburg, was arabisch „kasbah“ heißt – ein Fingerzeig in Richtung eines anderen Duftes, der sich ebenfalls auf die Alhambra bezieht, Robert Piguets Casbah. War jemand schon mal dort? Ich selbst leider noch nicht, das wird aber irgendwann nachgeholt, ganz bestimmt.
Fassen wir einige Fakten zu der Palastanlage zusammen: Der Namensursprung qasr al-hamrā‘, die rote Burg, dürfte auf die rötliche Färbung derselben zurückgehen. Bereits im 9. Jahrhundert ist eine rote Burg bei Granada erwähnt – dafür spricht auch, dass sich besagte Farbe ebenfalls im Namen von Granada selbst wiederfindet. Der Berg, auf dem die Alhambra steht, war schon zu vorrömischer Zeit besiedelt, die Alhambra selbst wurde im (frühen) Mittelalter erbaut. Sie ist circa 740 m lang und bis zu 220 m breit und setzt sich als Gesamtkomplex aus vier Bereichen zusammen, siehe Wiki: „Der Generalife außerhalb der Festungsmauern, die Medina, die Paläste der Naṣriden und die Alcazaba (Zitadelle). Oberhalb des Generalife befindet sich die Ruinen der Silla del Moro (‚Sitz des Mauren‘, auch Castillo de Santa Elena), darüber, auf dem Gipfel des Cerro del Sol befindet sich das Dār al-ʿarūsa (‚Haus der Braut‘).“
Zu den einzelnen Bereichen findet sich selbstredend auch Information:
Alcazaba: „Die Alhambra ist von einer türmebewehrten Stadtmauer umgeben. Die Alcazaba (von arab. al-qaṣba) bildet das Bollwerk der Alhambra. Vom Rest der ummauerten Medina grenzen sie hohe Türme und Mauern ab. Von hier aus führen Mauern zu den Torres Bermejas außerhalb der Alhambra auf der anderen Seite des Bosque (‚Wald‘) de la Alhambra. Diese Mauer wird heute durch das von Pedro Machuca im 16. Jahrhundert errichtete Tor Puerta de las Granadas unterbrochen.“
Naṣridenpaläste: „Die Naṣridenpaläste (Palacios Nazaries) mit ihren Gärten (z. B. el Partal) sind das Herzstück der Alhambra. Hier befanden sich der Regierungssitz und die Privaträume der maurischen Herrscher. […] Die Wände sind mit Arabesken und arabischen Schriftzügen aus Stuck versehen, die Kuppeln sind auf der Innenseite mit Muqarnas verziert. Hauptkomplex ist der Alcázar mit dem Thronsaal (Sala de Embajadores) im Comares-Turm und dem Löwenhof, der im Stil eines persischen Tschahār Bāgh gestaltet ist. Ein von zwölf steinernen Löwen getragener Springbrunnen gab dem Hof den Namen Patio de los Leones. Am Rand des Brunnens ist ein Spruch des Dichters Ibn Zamrak zu lesen: Selig ist das Auge, das diesen Garten der Schönheit sieht. Im dem Patio de los Leones anschließenden Sala de los Reyes sind, das Bilderverbot im Islam umgehend, auf einem Deckengemälde zehn Personen dargestellt. Diese werden als die ersten Emire der Naṣriden gedeutet, doch konnte diese Theorie bislang nicht bestätigt werden.“
Der Palast Karls V.: Für den Palast Karls des Fünften wurden Teile der Naṣridenpaläste abgerissen. Das zweietagige, beinahe kubisch anmutende, um einen runden Innenhof errichtete Gebäude im Renaissance-Stil, das Karl V. im Jahre 1527 in Auftrag gab, wurde nie richtig fertiggestellt. Nach Jahrhunderten als Bauruine bekam der Palast erst im 20. Jahrhundert ein Dach. Seit 1958 befinden sich darin unter anderem das Museum der Schönen Künste und das Museum der Alhambra. An der Nordostecke des Palastes befindet sich eine achteckige Kapelle, die möglicherweise von der Aachener Pfalzkapelle, in der Karl V. 1520 zum Kaiser gekrönt wurde, inspiriert wurde.“
Generalife: „Der Sommerpalast neben der Festungsmauer war der Ǧanna(t) al-ʿĀrif (‚Garten des Mystikers‘), aus dem im Spanischen das Wort Generalife wurde. Ein Spazierweg unter Zypressen führt zu den Gartenanlagen. Im Palacio de Generalife befindet sich der Acequia-Hof mit seinen Wasserspielen.“
… und wie hat John-Paul Welton seine Alhambra-Begeisterung schlussendlich in den Flakon bannen lassen? Mit Hilfe von Oud, das in diesem Fall ziemlich gut passt. Ein Bild aus dem Generalife trifft für mich den Charakter des Duftes, seine Farbstimmung ziemlich perfekt (obschon noch ein Touch Rottöne fehlt, genauer: ein dunkles Ochsenblutrot als auch eine Hauch Rosé):
Wir haben es hier mit einem balsamischen Oud-Duft zu tun, einem, der seine Strahlkraft aus dem permanenten Changieren zwischen Kühle und Wärme. Kühle Ouddüfte gibt es ohnehin viel zu selten – Fars von Xerjoff ist ein hervorragendes und wunderschönes Beispiel dafür, Enrico Gis Oud Intense ebenfalls, um zwei meiner Lieblingskandidaten zu nennen. Es gibt noch einige mehr, allerdings nicht unzählige – Iconic Amber Oud schlägt eine herrliche Brücke zwischen den beiden Oudduftwelten. Einerseits wartet er mit einer gewissen Frische auf, mit trocken-fruchtig-holzig-zitrischem Ingwer als auch grünem Kardamom, interessant kontrastiert von fein-würzigem Pfeffer und einer leisen, überaus subtilen Prise Safran(ledrigkeit). Und andererseits brilliert er mit einer feinen orientalischen Wärme. Keiner Hitze, wie wir sie aus alten Lutens-Klassikern kennen, sondern mit Sonnenwärme in leuchtendem Altgold auf edelholzigem Grund, gepaart mit einer erlesenen, allumfassenden Süße. Tabak hüllt in sachte Rauchschwaden, die an den Duft feiner Pfeifen erinnern, von einem ausgewählten Grüppchen Harzen tatkräftig unterstützt, wobei hier vor allem Labdanum dominiert, das herrlich warme, süße Labdanum. Die Harze sorgen überdies für das pudrig-samtige und balsamisch-würzig-warme Naturell des Duftes, vielmehr – jene Seite seines Charakters, der darüber hinaus eben auch jene andere Seite besitzt, die kühne, kühle.
Iconic Amber Oud macht Spaß: Er ist ein kontrastreicher, vielschichtiger Oudduft, der trotz seiner Strahl- und Aussagekraft unkompliziert zu tragen ist – und das von jedem Geschlecht.
Mitte der kommenden Woche folgt der vorerst letzte Streich von Welton London – die letzten beiden Düfte der Kollektion, Oud Inspiration und Jasmin Sacré. Bis dahin wünsche ich Euch alles Gute und noch einen schönen Sonntag, viele Grüße
Eure Ulrike
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