… aus Paris bzw. Grasse, den wir uns gemeinsam ansehen. Jetzt haben wir die Reihe der 2016 lancierten Marke, einem Familienunternehmen um den Parfumeur Michel Almairac, auch „durch“: Zehn Düfte habe ich mir für Euch angesehen und dabei durchaus Gefallen gefunden an den Franzosen. Wie häufig habe ich mir meinen absoluten Liebling, das Schmankerl, für den Schluss aufgehoben – es handelt sich um Chypre Mojo / 45, der in jedem Fall bei mir einziehen wird. Ich bin sehr gespannt, ob er Euch genauso begeistert wie mich!
Chypre Mojo / 45
„Chypre as a concept saw the day in 1917 and our Chypre Mojo was born in 2017. An entire century given over to researching, experimenting and formulating, on a mission to pinpoint Chypre’s most seductive facets, supernatural and as sensual as they come. Chypre Mojo is the embodiment of sex appeal, triggering an instant addiction to its bergamot, carnation, mango and patchouli accord. Trust us on this one: spritz on and watch them fall at your feet.“
Die Ingredienzen: Bergamotte, Nelke, Mango, Patschuli
Die Duftbeschreibung erklärt, was eingefleischte Parfumistas ohnehin schon wissen: Chypre – dieser Begriff bezeichnet eine Duftfamilie, und zwar eine der ältesten, seit man Düfte überhaupt in Familien einteilt. Der Name geht zurück auf einen gleichnamigen Duft, den legendären Klassiker von François Coty. Namenspate war logischerweise die Insel Zypern – und die Duftzutaten überwiegend mediterranen Ursprungs. Letztendlich erfand Coty das Rad nicht komplett neu, ähnliche Zutaten wurden in ähnlichen Kompositionen auch schon früher verwendet, seinem Chypre war aber damals ein derart großer Erfolg beschert, dass sich in den Jahren danach, in den Jahrzehnten danach etliche Düfte an ihm orientierten. Ob Trittbrettfahrer oder Hommage, die Anzahl der Düfte, die bemüht waren, jenen herausragenden Akkord nachzuahmen, der Chypre so bemerkenswert machte, führten dazu, dass sich diese „Sorte Duft“ als Familie etablieren konnte.
Was macht einen Chypre aus? Hesperiden im Kopf und (Eichen)Moos in der darüber hinaus holzigen Basis, um es ganz knapp auf den Punkt zu bringen. Im Falle vom Original war es Bergamotte, Labdanum und Eichenmoos. Patschuli findet sich ebenfalls gerne mal im Duft, vertiefend und akzentuierend. Selbstredend lässt sich auch die Familie der Chypre-Düfte weiter aufdröseln: Es gibt animalische Chypres (überhaupt sind bzw. waren animalische Noten in Chypres populär), florale Chypres, fruchtige Chypres, holzbetonte Chypres, ledrige Chypres und so weiter und so fort, wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass viele Chypres ledrige Anklänge entwickeln, die irgendwo in dem Zusammenspiel der Noten des Hauptakkords zu suchen sind.
Welche bekannten Vertreter gibt es? Etliche, meine Lieben, und Duftfreunden werden auch ziemlich viele einfallen … Mitsouko von Guerlain zum Beispiel (1919) und Carons im selben Jahr erschienener Tabac Blond, Chanels Cuir de Russie (1924), Bandit von Robert Piguet (1944), Rochas‘ Femme (1944), Miss Dior (1947), Balmain Jolie Madame (1953), Cabochard von Grès (1959), Estée Lauders Azurée, Aliage sowie Knowing (1969, 1972, 1988), Chanels No. 19 (1971), Cliniques Aromatics Elixir (1972), Balmain Ivoire (1980), Sisleys Eau du Soir (1990?), ja, selbst CK One zählt dazu (1994) – um nur einige prominente Gesellen zu nennen. Chypres sind keine klassischen Herrendüfte, obschon viele Parfumnewbies einige Exemplare gerne so einsortieren, die ledrig-holzige Fraktion vor allem – sie ziel(t)en auf Frauen und Männer, oft genug aber explizit auf die Damenwelt.
Falls Ihr Euch zum Thema Chypres noch näher einlesen wollt – bei Perfumeshrine findet sich eine sehr gut geschriebene, ausführliche Artikelserie zum Thema, seht hier, der erste Artikel.
Ich erlebe es oft, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld, dass vielen Frauen ein Chypre zu „alt“ duftet. Hier kann ich nicht vehement widersprechen, zumindest bei den klassischen Chypres bzw. den Chypres, die einen deutlichen Retro- oder Vintage-Charakter haben. Dennoch liebe ich persönlich genau diese Düfte – und zwar aus denselben Gründen, die sich in dieser hübschen Liebeserklärung auf Now Smell This finden: Ich mag ihre Distanz, ihre gleichzeitige Sinnlichkeit, die „Mächtigkeit“ und vor allem – ihre Komplexität, auf die man sich einlassen muss und die auch ich erst verstanden habe, nachdem ich mich einige Zeit mit Parfums beschäftigt habe. Das zweite Argument: Es gibt auch moderne, mitunter auch gerade im Sinne von modern interpretierte Chypres. Nicht viele, aber immerhin einige – und darunter fallen Perlen wie beispielsweise Agent Provocateur (das Original), Ann Gérards Perle de Mousse, Estée Lauder Private Collection Jasmine White Moss, Frédéric Malles Parfum de Thérèse (ok, die Rezeptur ist älter – ich liebe ihn) oder auch Noir Épices, Hermès Parfum des Merveilles sowie Hermèssence Poivre Samarcande, Lalique Perles de Lalique, Juliette has a Gun Lady Vengeance (haach …), Lanvin Rumeur, Le Labo Ylang 49, Parfums MDCI La Belle Hélène, Sisley Soir de Lune, The Different Companys Bois d’Iris sowie Sublime Balkiss und viele weitere.
Hier sind durchaus auch leichte, seidige, „unbeschwerte“ Varianten dabei, so unter anderem Sublime Balkiss, den ich als T-Shirt-Chypre bezeichnen würde – im Gegensatz zum Vollblutchypre-Kracher, der für mich eher einem Statement gleicht, das eigentlich auch nach entsprechender Kleidung verlangt.
Chypre Mojo / 45 ist ein überaus moderner Vertreter der Chypre-Familie und einer jener Düfte, der eben eigentlich nicht alle Ingredienzen enthält, die einen Chypre eigentlich zu einem ebensolchen machen. Die Betonung liegt, Ihr seht es schon, auf dem Wörtchen eigentlich … An dieser Stelle muss man allerdings auch an die IFRA-Regulierungen denken, die die letzten Jahre in Kraft getreten sind und es vor allem dieser Duftgattung schwer gemacht haben, regulierte und reduzierte man doch den Einsatz von gerade Eichenmoos als auch Zitrusfrüchten (und vielem mehr) auf ein zum Teil homöopathisch anmutendes Minimum.
Chypre Mojo enthält kein Patschuli und keine Zitrusfrüchte, ihm fehlen ledrige Untertöne, er hat nichts Animalisches an sich und dennoch – er ist ein Chypre, keine Frage. Und hat als solcher absolut das Potential, der Welt zu zeigen, weshalb diese Duftgattung nach annähernd hundert Jahren immer noch besteht. Mich fasziniert und begeistert Chypre Mojo genau deshalb: Er ist einerseits ein Chypre, unverkennbar, er atmet den Geist der großen Klassiker, erzählt im olfaktorischen Zeitraffer die Geschichte seiner Familie, ist deutlicher Sproß seiner Gattung. Gleichermaßen ist er aber kontemporär, er ist 21. Jahrhundert, er ist jung und stylisch. Ein duftendes Schwergewicht und zugleich federleicht. Im Auftakt wirkt er rosig, bisweilen an Wein erinnernd oder auch likörig, düster-viktorianisch, wie es auch eine Lady Vengeance vermag. Und zeitgleich aber auch minimalistisch und transparent durch die Frische der saftigen, nicht überreifen Mango. Die pfeffrig tönende Nelke verhilft im Zusammenspiel mit Patschuli zur nötigen Tiefe, verleiht Körper, zeichnet weich, verwischt staubig – ein genialer Kontrast zu der Helligkeit und dem Leuchten einer meiner Lieblingsfrüchte.
Für mich ist Chypre Mojo / 45 ein absoluter Knaller – ich muss ihn haben. Wer Mango liebt, kann ihn gar nicht nicht mögen, für die Liebhaberinnen von Düften wie Lady Vengeance und Agent Provocateur, Sublime Balkiss und Co. ist er ein Test-Muss!
Wie sieht es aus meine Lieben, kennt Ihr Parle Moi de Parfum schon, habt Ihr schon getestet? Welcher Duft interessiert Euch am meisten, was wollt Ihr unbedingt probieren?
Einen schönen Tag und möglichst wenig (Weihnachts)Stress wünscht Euch
Eure Ulrike
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