Parfumerie Particulière …

… hatte ich letztes Jahr bereits auf der Messe entdeckt, zumindest im Vorbeigehen, als ich mit Saskia (Institute for Art and Olfaction) herumschlenderte. Wir standen eine Zeit an deren Messestand, es entwickelte sich ein längeres Zwiegespräch zwischen Saskia und dem (einen) Inhaber der Marke, bei dem ich nicht stören wollte. Zumindest fiel mir damals bereits das schöne und moderne Packaging auf. Nun sind die Düfte bei uns im Shop gelandet – Grund genug, sie mir näher anzusehen!

Parfumerie Particulière – die Marke

Parfumerie Particulière – zwei langjährige Freunde, eine Vision. Guillaume Mantel und Charles Rousseau, beide beseelt von der Leidenschaft für Außergewöhnliches, wollten sie dieser nach eigenem Bekunden Ausdruck verleihen mit einer Kollektion an Konzeptdüften, die gleichzeitig das französische Erbe der traditionellen Parfümeurskunst widerspiegelt.

Acht Düfte, alle als „unisex“ gelabelt, inspiriert durch Lifestyle und handwerkliche Trends, kontemporär, urban und faszinierend, so beschreibt sich die Marke selbst. Die Düfte wurden kreiert von Anne-Sophie Behaghel und Amelie Bourgeois, die Flakons stammen von Walter Sperger in der Normandie, einem französischen Traditionsunternehmen. Die Deckel sind handgemacht von Francesco Passaniti, der, so zeigt eine kurze Google-Stippvisite, wohl (auch sonst) sehr Hübsches mit Beton fabriziert. Was die Illustrationen angeht, war ich sehr überrascht: Sie stammen von Pietro Sedda, der, siehe da, in erster Linie Tätowierer oder vielmehr neudeutsch Tattoo-Artist ist.

Und wow, die Tätowierungen auf seiner Seite sind wirklich hübsch, seht hier. Ich bin zu lange „draußen“, kenne mich damit nicht mehr aus, allerdings ist ein derartiger Stil gerade wieder sehr angesagt. Ich weiß nicht, ob es viele gibt, die exakt solche Tätowierungen machen, prinzipiell kamen nach dem ganzen Old School-Trend (sieht man oft bei Rockabillys, fette Außenlinien, meist bunte, einfache, will sagen eindimensionale Tätowierungen, Sternchen, Anker, Pin-ups, Spielkarten oder -würfel, Boote, Matrosen usw.) auch „antik“ anmutende Tätowierungen, beispielsweise Pflanzen und Tiere, die einem Kupferstich aus einem uralten Lehrbuch ähneln, Horrormotive, die auf eine Art viktorianisch angehaucht sind und so weiter und so fort. Fragt mich nicht, wie die Stile im Detail heißen, Pietro Sedda passt auf jeden Fall perfekt hinein, scheint aber wohl einen recht eigenständigen Stil zu haben und schon lange „so“ (retro) zu tätowieren – hier ein paar weitere Bildchen von Tätowierungen als auch seinem Studio The Saint Mariner (spätestens jetzt komme ich in Gedanken nicht mehr von Coleridge los) in Mailand.

Rezensionen zu den Düften der Marke gibt es bisher wenig, auch einzelne Kommentare finden sich auf den großen Foren nur im überschaubaren Rahmen. Borisov hat für Fragrantica bereits einen lesenswerten Artikel verfasst, seht hier. Ansonsten mache ich mich jetzt für Euch ans Testen, meine Lieben!

Von der Liebe und dem schwarzen Regen – PLUIE NOIRE

„As if enveloped by twilight, the cliffs stand erect, vertical sheer. The only horizon, the giddying view of a curtain of sobs from the sky. A black rain, touching the warm earth and leaving in its wake a special aroma … A dump rain, running down our necks and seeping into our bodies. Like the tears of a passionate love affair.“

Die Ingredienzen: Elemiharz, aquatische Noten, Wacholderbeeren, Geranium, Iris, Salbei.

Gewitterliebe! Zu dem Thema hatte ich mal etwas geschrieben, und zwar zu den beiden Gewitterdüften von Calé Fragranze d’Autore, die sich diesem Thema widmen, dem Davor und dem Danach, Roboris und Fulgor. Hier haben wir es mit Regen zu tun, mit dampfender Erde … das liest sich ganz wundervoll, finde ich. Ich mag diese spezielle Aura mitsamt ihren Gerüchten, nicht nur wenn es so heiß ist wie momentan und Regen sehnlichst erwartet wird. Nebenbei bemerkt: es donnert gerade, ich hoffe, wir bekommen in der Schwabenhauptstadt endlich mal einen kühlenden Guss ab …

Pluie Noire bietet Regen, und zwar in Form von einer floral-grün schimmernden Wässrigkeit, einer Nässe, die mich persönlich an Putmanns wunderschönen Préparation Parfumée erinnert. Dort ist von Treibholz die Rede, das Wasser kommt allerdings gleich mit. Pluie Noire ist nicht aquatisch und auch nicht maritim, er entführt nicht an die See, sondern raus in die Natur während eines Regens. Wacholder stiftet eine gewisse Fruchtigkeit, ist aber nicht dezidiert als solcher wahrzunehmen auf meiner Haut, auf der es ansonsten dunkelgrünt. Leise Minzfrische und sachte Grasigkeit, darüber hinaus Erdigkeit, pudrige, die eine subtile Wärme verströmt, der Iris geschuldet. Er offenbart darüber hinaus mineralische Noten, die an Stein erinnern, im späteren Verlauf auch an Zement, Beton, regenfeuchten, die eine gewisse Würzigkeit ausstrahlen.

Insgesamt ist Pluie Noire kein warmer Duft, sondern ein kühler, kontemplativer, geeignet für Männlein wie Weiblein. Er ist modern, keine Frage, könnte also auch ohne Probleme seinen Platz in der Kollektion von Comme des Garçons gefunden haben, vielleicht auch in der von Andrea Maack. Allerdings ist er sanft, fast schon poetisch, insofern zwar avantgardistisch, aber nicht „edgy“ oder „rough“. Er ist nicht kantig, sondern relativ gefällig, was seiner Strahlkraft aber keinen Abbruch tut.

Wer neugierig ist – einen ebenfalls tollen, aber etwas maskulineren Regenduft hatte ich Euch letztes Jahr vorgestellt, und zwar der leider irreführend benannte Black Citrus von Vilhelm Parfumerie. … ja, richtig – ich liebäugele noch mit ihm, deshalb ist er mir noch im Kopf geblieben 😉

TONKA FEVER

„From the heights of the Corcovado, Rio is held in a hand. Lower down, in the sweating slums and jungles, men and women forgotten by God have the same zest for life, led by a feverish quest … For some it is love, for others the desires and lust of life, but for most it is the madness of gold, a gold reflecting the souls of those who grasp it. Behind every look, even the darkest, burns, the one obsession.“

Die Ingredienzen: Pin Berries, Schwarzer Pfeffer, Vanille, Tonkabohne, Patschuli, Rum (natürlich jamaikanischer).

Tonkafieber … hier hat man Goldfieber und Tonka zusammengebracht. Ansonsten ist natürlich die Rede von Rio de Janeiro: Der Corcovado, der Bucklige, ist jener über 700 Meter hohe Berg, auf dem die bekannte Christus-Statue thront, Cristo Redentor, und somit neben dem Zuckerhutfelsen das zweite Wahrzeichen der Stadt.

Dipteryx odorata, der Tonkabohnenbaum, stammt zwar vermutlich ursprünglich aus Venezuela, ist aber schon sehr lange im südamerikanischen Raum beheimatet, darüber hinaus in einigen afrikanischen Ländern als auch auf Trinidad. Im übrigen bezeichnet man das Holz des Baumes, das, ich wusste es bisher nicht, auch zu Bauzwecken verwendet wird, als Brasilianisches Teakholz oder auch Cumarú – es ist wohl sehr stark nachgefragt.

Als alter Pendant musste ich nachlesen … der erste Goldrausch der Geschichte ist in der Tat wohl in Brasilien ausgebrochen, und zwar Ende des 17. Jahrhunderts im heutigen Bundesstaat Minas Gerais (dort finden sich auch etliche Edelsteinvorkommen). Als größter lateinamerikanischer Goldrausch gilt der brasilianische Goldrausch zwischen 1978 und Anfang der Neunziger Jahre, der sich vorwiegend in der Region um Serra Pelada abspielte. Wo Gold gefunden wird, könnte noch mehr sein, wo noch mehr sein könnte, wartet potentieller Reichtum – Gold provoziert Gier und Gier provoziert Unbill, die Rechnung dürfte jedem klar sein. Weltenbummler, Abenteurer, Kriminelle, alle auf der Suche nach dem schnellen Geld …

Tonka Fever berauscht auch, meine Lieben, der Name ist nicht zufällig gewählt: Ein Vorzeigegourmand allerfeinster Sorte. Ich finde hier jede Menge Assoziationen, als hätte man das Beste aus allen Welten vereinigt in einem Flakon: Eine Prise von Serge Lutens Borneo 1834, und zwar der tiefdunkel kakaopudrige, trocken-staubige, wundervolle Patschuli, dann ein Schlückchen von dem Rum aus Lubins Idole. Und auf abstrakter Ebene sehe ich Ähnlichkeiten zu der vollmundigen Opulenz von Parfums d’Empires Ambre Russe und Ambre Narguile von Hermès. Es ist diese reiche, goldene Tonkabohne, die strahlende, die würzig-vanillig betört, mitunter fast honigartig anmutende Anklänge zaubernd.

Das kann was, meine Lieben! Und dürfte all jenen gefallen, die erwachsene Gourmanddüfte mögen. Ein Herz für Vanille sollte man in jedem Fall haben – Tonka ist ja quasi die würzigere, wildere Schwester derselben 😉

Morgen geht es weiter mit Parfumerie Particulière – bis dahin alles Liebe und viele Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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