… habe ich mir heute zum Rezensieren herausgepickt – und bin ziemlich gespannt. Miller et Bertaux zählt zu meinen „alten“ Lieblingsmarken, ich mag die Handschrift des Labels sehr, darüber hinaus haben sie einige herausragende Düfte geschaffen, unter anderem green, green, green and… green / No. 3.
Lasset uns das Basilikum feiern – Tulsivivah!
Tulsivivah! ist der dritte Duft von Miller et Bertaux, der sich von Indien inspiriert sieht:
„Tulsivivah! ist die neueste Kreation aus dem Hause Miller et Bertaux, die die beiden Düfte Shanti Shanti und A Quiet Morning ergänzt und komplettiert, jenes Duo, das Indien heraufbeschwört.
Tulsivivah! ist der Name eines indischen Festivals, bei dem der Tulsi gefeiert wird, das heilige Basilikum.
Wir können den Duft Tulsivivah! als Erforschung des Tulsi oder heiligen Basilikums zusammenfassen, als festliche Vision Indiens. Die einfachen Akkorde des Basilikumblatts, ein Tee mit Calamansizesten (kleinen Zitrusfrüchten), umhüllt von Gewürzen, Sandel- und Kaschmirholz, offenbart all die Sinnlichkeit und geheimnisvolle Tiefe Indiens.“
Die Ingredienzen: Kopfnote: Basilikum, Tee; Herznote: Sandelholz, Kaschmirholz; Basisnote: Calamondin-Orange, Jasmin.
Das heilige Basilikum? Sehr gut. Eifrige Leser werden wissen – ich liebe Basilikum in Düften, genauso wie Tomaten. Beides auf dem Teller ist auch nicht schlecht 😉 Allerdings macht es sich in der hauseigenen Küche weit weniger rar als in Parfums, darum scharre ich schon mit den Hufen und hoffe, dass sich das schmückende Beiwerk aus der Basis im Zaum hält und in vornehmer Zurückhaltung übt. Basilikum ist mein Begehr!
Davor möchte ich es aber selbstredend genauer wissen und google nach der Feierlichkeit zu Ehren des Kräuterfreunds – Tulsi Vivah heißt es und Wiki weiß wie so oft eine ganze Menge dazu:
„Tulsi Vivah is the ceremonial marriage of the Tulsi (holy basil) plant to the Hindu god Shaligram or Vishnu or to his avatar, Sri Krishna. The Tulsi wedding signifies the end of the monsoon and the beginning of the wedding season in Hinduism.“
Eine zeremonielle Verheiratung des heiligen Basilikums mit Shaligram beziehungsweise Vishnu oder seinem Avatara Sri Krishna. Gleich vier Begriffe, die nicht jedem geläufig sind. Deshalb noch ein bisschen Nachhilfe von Wiki:
Avatara (Sanskrit, m., अवतार, avatāra, wörtl.: „Abstieg“, von ava- „hinab“ und tṝ „überqueren“) bezeichnet im Hinduismus die Manifestation des höchsten Prinzips (Brahman) oder einen göttlichen Aspekt, der die Gestalt eines Menschen oder Tieres annimmt. Avatara bezieht sich immer auf den Gott selbst oder seine Kraft (Chit-Shakti), die sich in einer besonderen gottgeweihten Seele (Atman) manifestiert bzw. zu dieser Seele hinabsteigt.
Krishna (Sanskrit: कृष्ण, kṛṣṇa = „der Schwarze“ oder „der Dunkle“; in Südindien häufig als keshava oder venugopala = „Kuhhirte mit Flöte“ bezeichnet) ist eine hinduistische Form des Göttlichen und wird meist als der achte Avatara von Vishnu verehrt. Für seine Anhänger ist er die Inkarnation des Höchsten.
Vishnu (Sanskrit: Sanskrit विष्णु, Viṣṇu [ˈʋɪʂɳʊ], Etymologie unklar; deutsch auch Wischnu) ist eine der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus und kommt bereits in den Veden vor. Im Vishnuismus gilt er als die Manifestation des Höchsten. Seine Shakti, die weiblich gedachte Seite des Göttlichen, ist Lakshmi, die als seine Gattin gilt.
Es bleibt noch der Begriff Shaligram: Dieser bezeichnet versteinerte Muscheln, die in Südasien als Abbild Vishnus angesehen werden.
Die Geschichte dahinter … Tulsi, Vrinda und Vishnu
Bevor wir aber zurück zu Tulsi Vivah kommen – ich war selbstredend neugierig … und auch bei Göttern und Gottheiten scheinen Ehen bekanntermaßen nicht immer eitel Sonnenschein zu sein. Die Geschichte von Vishnu und unserem mediterranen Lieblingskraut ist ohne Zweifel gossiptauglich: Tulsi, die Basilikumpflanze, war eigentlich eine Frau namens Vrinda. Nicht irgendeine Frau, sondern ein Royal – Vrinda war Prinzessin und die Tochter eines, Obacht, Dämonenkönigs namens Kalanemi (der später wie sein Bruder von Vishnu bzw. Indra um die Ecke gebracht wurde). Vrinda war verheiratet mit einem König namens Jalandhara, der natürlich auch nicht irgendein Herrscher war, sondern besonders mächtig, weil er, jetzt wird es Game of Thrones-tauglich, im bzw. aus dem Feuer geboren wurde – nicht irgendeinem Feuer, sondern dem Feuer aus Shivas Auge (Shiva ist einer der Hauptgötter und „Mitglied“ der hinduistischen Trinität, bestehend aus Brahma, dem Schöpfer, Vishnu, dem Bewahrer, und Shiva, dem Zerstörer), das im Zorn entflammte während eines Streits der Götter.
Gleich und gleich gesellt sich gern, wie es so schön heißt – das empfehlen normalerweise auch Paartherapeuten, zumindest wenn die Ehe länger halten soll. Bei Jalandhara und Vrinda war beides nicht der Fall … Vrinda war extrem gläubig, verehrte vor allem Vishnu, während Jalandhara wohl ein eitler Fatzke mit einer ordentlichen Portion Hybris sowie Abscheu vor den Göttern gewesen zu sein scheint. Vrindas Gläubigkeit verlieh ihm, warum auch immer, noch mehr Macht, die er dazu nutzte, sich unsichbar zu machen. Nicht lustig, zumindest aus der Perspektive der Götter, schickte er sich doch an, Unfrieden zu stiften – die Götter vom Thron stürzen stand ganz oben auf seiner Agenda.
Guter Rat war teuer: Shiva konnte seinen „Abkömmling“ auch nicht sehen oder aufdecken, also wandte man sich an Vishnu, der wiederum seinerseits dadurch in einen bösen Gewissenskonflikt kam, ein klassisches moralisches Dilemma, das man nur „gut“ lösen kann, indem man gar nicht erst hineingerät. Entweder Jalandhara walten lassen, wodurch Vishnu selbst auch bedroht gewesen wäre, in jedem Fall aber auch seine Götterbrüder (und -schwestern) oder seinen treuesten Fan vor den Kopf stoßen – Vrinda.
Dreimal dürft Ihr raten – … er entschied sich für letzteres und bediente sich eines gar nicht mal so netten Tricks: Während sich Shiva mit Jalandhara bekriegte, schaute er in Gestalt von Jalandhar mal eben bei Vrinda vorbei, die auf seine Verkleidung hereinfiel und ihn berührte. Wo sie ihn berührte, wird nicht überliefert, mit der Keuschheit war es aber ab diesem Moment vorbei – und damit war auch die Macht Jalandharas gebrochen (interessante Verknüpfung, nicht?). Shiva tötete Jalandhara, was nun ein Leichtes war (und wurde wieder eins mit ihm – im übrigen war er aufgrund der Entstehung Jalandharas auch der einzige, der diesen töten konnte). Nur die arme Vrinda war verletzt, um es mal vorsichtig auszudrücken – sie verfluchte Vishnu, auf das er schwarz werde und von seiner Frau Lakshmi getrennt werde. Hat funktioniert – Vishnu nahm ihren Fluch an und wurde zur schwarzen Muschel, die man vor allem am Gandak findet. Seine Frau wurde tatsächlich später gekidnappt aufgrund von wieder anderen Ränkespielen. Und als ob das noch nicht genügend Drama wäre, beging Vrinda mit ihrem gebrochenen Herzen dann Suizid – sie ging ins Wasser, ertränkte sich im Meer. Das hat wohl Vishnu nicht kalt gelassen – er segnete sie vor ihrem Tod und verwandelte ihre Seele in eine Pflanze, die fortan Tulsi hieß, unser Basilikum. Darüber hinaus befand er, dass keine ihm entgegengebrachte Puja (Ehrerweisung, Ritual der Götterverehrung, meist täglich praktiziert) vollkommen ist ohne Basilikum.
Hier ein Foto eines Altars für die tägliche Basilikumopfergabe im Innenhof eines Hauses:
Kommen wir zurück zum Kräuterfest: Tulsi Vivah wird im Oktober/November gefeiert – die Ausgestaltung dürfte regional verschieden sein, allerdings lässt sich festhalten, dass es wohl überall eine ziemlich ernste und aufwendige Angelegenheit ist. Da man davon ausgeht, dass Vrindas Seele tagsüber umherschwirrt und nachts in der Pflanze „wohnt“, wird die Zeremonie abends begangen. Ich habe lediglich ein etwas verschwommenes Foto gefunden, das allerdings einen solchen „Basilikumaltar“ zeigt:
Der Duft des heiligen Basilikums
Ob Tulsivivah genauso mysteriös, geheimnisvoll, mächtig ist wie diese Geschichte? Oder andächtig wie Vrinda, vielleicht auch melancholisch?
Ganz so leicht im Sinne von transparent, heiter, beschwingt, wie man eventuell glauben möchte, ist er nicht. Und ich fühle ich ein wenig ob dieses Umstands, der Verwendung von Orange als auch dem grundsätzlichen Charakter des Duftes an Frédéric Malles Bigarade Concentrée sowie an den Signature von Aedes de Venustas erinnert – ein Spiel von Licht und Schatten, lest hier.
Es ist diese helle Orange, die durch die Dunkelheit des Schattens hindurch strahlt, immer wieder, die Anklänge von Tee und Morgentau, Frische, die in der Luft liegt und an den Beginn eines Sommertages erinnert. Und doch, eine leise Pudrigkeit ist zu vernehmen, von einer balsamisch-wärmenden Süße, irgendwo da im Hintergrund. Diese wird im Verlauf des Duftes präsenter, prägnanter, der allerdings schon viel früher unsere Protagonistin offenbart. Basilikum, zuerst frisch gepflückt und später ernsthaft herb-bitter und gleichermaßen sonnengetrocknet, und zwar auf einem Altar aus Stein. Mineralische Noten sind zu vernehmen und Holz, dem jene Süße innewohnt – das Dach, die Balken des Hauses, zu dem der Altar gehört? Eine alte Figur aus Holz, die auf dem Schrein steht? Jasmin stimmt in jedem Fall milde, er cremt leise und zurückhaltend im Hintergrund, was ihm ganz vorzüglich steht und den Duft für beide Geschlechter tauglich macht.
Tulsivivah! ist wieder einmal ein ganz typischer Miller et Bertaux und reiht sich perfekt in die schöne Riege ein – mir gefällt er ausnehmend gut und deshalb darf er in den Dauertest. Er ist ein kontemplativer Duft, fast schon meditativ und dürfte aufgrund seines dennoch eher „leichteren“ Themas hervorragend geeignet sein für all diejenigen, die beispielsweise Weihrauchdüfte lieben und damit im Sommer parfumtechnisch auf dem Trockenen sitzen. Wie immer bei Miller et Bertaux gilt auch hier – wer Labels wie Comme des Garçons liebt und deren Handschrift, die Düfte von Rundholz, etc., der dürfte hier genau richtig sein.
Neugierig geworden, meine Lieben?
Einen schönen Tag Euch und viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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