… sind unser heutiges Thema. Endlich einmal neuer duftender Wind aus Deutschland! Aus Berlin kommt die Marke, hinter der sich der Designer Mario Lombardo verbirgt – ich hatte Euch gestern bereits einiges zu den Hintergründen geschrieben. Heute nun stürzen wir uns endlich ins duftende Getümmel!
Der Welt abhandenkommen – Meeresromantik mit Marble Sea
„Wenn man ans Meer kommt soll man zu schweigen beginnen“ heißt es in Erich Frieds schlicht Meer betiteltem Gedicht. „Den Faden verlieren“, zusehen, zuhören und zu-riechen, „aufhören zu sollen und nichts mehr wollen, wollen nur Meer, nur Meer“. Für uns ewig Gestresste liest sich das verlockend. Entschleunigung. Erinnert mich an die Studie, von der ich vor einigen Tagen las: Ein paar Tage in einer Art Glashaus inmitten der schwedischen Natur (und sonst nichts, logisch) senkte das Stresslevel von einigen High-Performern um sagenhafte siebzig Prozent – das ist ein Wort, oder? Aber bevor ich vollkommen vom Thema abkomme: Meer passt selbstredend perfekt in unser Bild vom Abschalten und Zu-Sich-Kommen, Sehnsuchtsmomente am Sehnsuchtsort, von Hygge und Lagom geprägt.
Lombardo greift allerdings mit seiner Inspiration zu unserem ersten Duft Marble Sea zurück – und zwar auf einen Künstler, den ich auch immer wieder gerne zitiere oder vielmehr bildhaft zu Wort kommen lasse im Blog:
„Ein elegant-zärtlicher, geradezu ästhetischer Duft, inspiriert von den Bildern Caspar David Friedrichs. Leicht wie eine Brise am Meer. Die Anmut, die diesem eleganten Duft innewohnt, präsentiert sich unmittelbar. Sanft tanzende Noten aus Bergamotte, Jasmin, Iris und grünem Tee werden umhüllt von einer kühlen, salzigen Brise aus Minze und einer ozonischen Aldehydkomposition. Ein Akkord, wie der Wellenschlag des Meeres.
Im Herz unterstreicht Marble Sea mit Jasmin, Rose und Iris all seine mondäne Sanftheit, doch auch seine Kraft, Beständigkeit und Tiefe. Das pulsierende Arrangement aus Moschus und einem Hauch südamerikanischer Vanille geben der Gesamtkomposition ihre Rhythmik, Intensität und Ruhe. Stilvoll, charakterfest und voller Grazie. Ein Blick aufs offene Meer. Ein Duft in die Unendlichkeit.“
Die gute alte Romantik, die in ihrer Naturverbundenheit und ihrem sehnsüchtigen Streben nach dem Unendlichen, nach Einswerdung etc. zeitgemäßer denn je wirkt, ja, fast schon – hip. Der kurze Fingerzeig gen Caspar David Friedrich grenzt allerdings bereits ein, legt fest, ähnlich wie der frühere Name des Duftes (The Eternal, der/die/das Ewige): Wir haben es hier nicht mit einem Langnese-Duft zu tun, einem beschwingt-beschwipsten, der den Urlaub eines Sonnenanbeters in südlichen und gänzlich überfüllten Gefilden porträtiert, vielleicht gar inklusive Sonnenbrand und Sangria, nein. Ein Mann, ein Mensch, ein Meer, das Meer. Angekündigt wird hier das Porträt einer Naturerfahrung, die zur Selbsterfahrung wird. Ein Augenblick der ehrfürchtigen Ergriffenheit im Antlitz der Naturgewalt der See. Ein Moment der Stille, des Alleinseins, der Zurückgeworfenheit auf sich selbst, vielleicht auch des Gefühls der Harmonie, resultierend aus der Erkenntnis, ein Teil des Ganzen zu sein, ob nun naturwissenschaftlich oder metaphysisch betrachtet. Das beruhigt mich, hatte ich doch anlässlich des ohne Zweifel hübschen Hinterns eine andere Vermutung, in welche Richtung die Duftreise gehen könnte …
Überflüssig zu erwähnen – mein Interesse ist geweckt. Das war es bereits gestern, mit einem Meerduft, der authentisch zu sein verspricht und Einsamkeit zelebriert, gelingt das erst recht. Ab auf die Haut also mit dem von Michele Saramito kreierten Duftmeer …
Erfrischend ist das erste Wörtchen, das mir in Kopf und Sinn kommt. Marble Sea dürfte einer der wenigen Düfte sein, die den Spagat schaffen zwischen „maritim“ und „aquatisch“. Regelmäßige Leser/innen dürften es wissen, ich differenziere hier gerne, obschon es sich nicht um eine offizielle Unterscheidung handelt. Was unter aquatisch zu verstehen ist, wisst Ihr, meine Lieben – es ist jene Duftfamilie, die Ende der Achtziger mit Pierre Bourdons Cool Water für Davidoff ihren Anfang nahm und im Nachgang die Welt eroberte. Omnipräsent waren derlei Düfte lange Zeit – und sind es auch heute noch. Aquatisch-wässrig, allerdings eher artifiziell anmutend, weniger das reale Nass des Meeres realistisch abbildend als vielmehr eine kühle Dusche samt dem normalerweise dazu verwendeten Arsenal an Körperpflegeprodukten, Duschgel und so weiter und so fort. Die Kategorie des Maritimen setze ich dem entgegen – und meine hiermit jene Düfte, die olfaktorische Impressionen der See in den Flakon bannen, gerne auch mitsamt Sand, Uferbegrünung und Treibgut jeglicher Art.
Marble Sea positioniert sich gekonnt in der goldenen Mitte: Subtil ist der Duft und auf eine gewisse Art und Weise sauber-aquatisch, ohne jedoch künstlich zu wirken. Dezent ozonig, ein leises Lüftchen heraufbeschwörend, das Frische versprüht, hesperidengeschwängerte sowie kühn-minzige, und darüber hinaus eine sachte Salznote atmet. Sandige Anklänge schwingen mit, leise sonnengewärmt und mit einer Ahnung cremiger Noten versehen, die an Haut erinnern, an im Sand sitzen, an das verbliebene Salz nach dem Bad im Meer, das sich mit den Aromen der Sonnenmilch vermischt, während man sich von der Sonne trocknen lässt. Jene fruchtigen Aldehyde kreieren im Zusammenspiel mit den Blüten Eindrücke der Umgebung, erinnern an die Flora im Hintergrund, die aquarellartig dahingehaucht wirkt, und hauchen der See Körper ein, zeichnen ein petrolfarben schimmerndes Nass, von weißer Gischt gekrönt.
Gleichermaßen ausgleichend wie dynamisch, beruhigend als auch erfrischend zeigt sich Marble Sea, vor allen Dingen aber auch modern. Ein kontemporärer Immergeher, der beide Geschlechter für sich einzunehmen vermag, da bin ich mir sicher.
Es werde Licht – Strahlen mit White Light
Welchem Licht ist wohl White Light gewidmet? Die markeneigene Beschreibung legt sich nicht fest, ganz im Gegenteil:
„Spot on! White Light ist eine energiegeladene Hommage an das Licht. Wie Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brechen, umhüllt es uns als gleißendes Licht. Ein starkes und facettenreiches Eau de Parfum und doch hell, frisch und kühl wie ein Cologne. Voll im Bouquet und reich in seiner Nuancierung erfüllt es uns mit Energie, begleitet uns voller Glanz auf unseren täglichen Abenteuern. Die Duftfigur von White Light wurde von der Beständigkeit des Wandels, inneren Lichtpunkten und einer strahlenden Aura inspiriert.
Eine anspruchsvolle Komposition mit einer Basis aus Orangenblüte und Moschus, einem Herzen aus Neroli, arabischem Jasmin, Ylang-Ylang, einem frischen, weißen Blumenbouquet und einem Auftakt aus fesselnden Kopfnoten wie Bergamotte, Mandarine, Petitgrain, Lavandel und fruchtiger Feige.“
Mathieu Nardin schuf dieses olfaktorische Strahlen, das für … ja, was eigentlich steht? Einen Neuanfang? Das innere und ganz unesoterisch gemeinte Strahlen einer Person, die mit sich im Reinen ist, im Gleichgewicht? Einmal mehr ein überaus aktuelles Thema, bei dem ein kleiner, versteckter Hinweis aus dem Bereich der klassischen Bildung nicht schadet – „Panta rhei“, „Alles fließt“, ein dem Vorsokratiker Heraklit zugeschriebenes Zitat. Ist White Light auch auf der Haut ein Chamäleon? Ein sich stetig und ständig Wandelnder? Wir werden sehen …
White Light ist … 100% Blume. Ok, fast. Ein unzweifelhaft Floraler, was die Duftfamilile angeht, und gestrickt aus altbekannten Verdächtigen. Genauso unbestritten passiert hier allerdings Ungewohntes: Ein Blick auf die Ingredienzen hätte uns einen typischen Weißblüher erwarten lassen, vielleicht gar einen, der sich in dekadent-ausschweifender Opulenz präsentiert. Das hätte nicht unbedingt zur Marke gepasst, ist demnach auch nicht der Fall – aber dennoch überrascht White Light. Vorrangig steht die Orangenblüte im Fokus, die allerdings wie beschrieben allerhand weißblühende Verstärkung in ihrem Gefolge hat. Und dennoch ist White Light zart, fast schon fragil. Er ist dicht gewebt und gleichzeitig licht und luzide. Taubenetzt und pudrig-nektarsüß, von abstrakt-fruchtigen Anklängen begleitet zeigt sich White Light darüber hinaus ausbalanciert von sacht-herbem Grün mit einem Tupfer Bitterkeit, die dem Duft vorzüglich steht und für Frische sorgt.
White Light ist, genauso wie sein Vorgänger Marble Sea, überaus modern und wird seinem Namen mehr als gerecht: Er strahlt. Und präsentiert uns die ihrem Gemüt nach sonnige, heitere, unbeschwerte Orangenblüte auf innovative Weise, hell und voller Tagendrang, frisch-pudrig-sauber, aber immer authentisch wirkend. Ein Blumenbouquet der Moderne, gemacht für die junge Generation – und nicht nur für die 😉
Morgen geht es weiter mit den beiden anderen Düften des Quartetts von Atelier Oblique – bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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