Wenn ein Beauty-Redakteur Urlaub macht, hat er eigentlich trotzdem nie Urlaub. Er sammelt, sucht, besucht und ist irgendwie immer neugierig, was es „abroad“ so zu erleben gibt in Sachen Schönheit. Dieses Mal war ich in Kuba, der kleinen Insel im Klammergriff der USA, die neben Rum und Salsa vor allem eines zu bieten hat: Tabak. Und ich spreche nicht von Zigarren, sondern vom Duftstoff – denn wonach so viele Männerparfums so würzig riechen, kommt meistens ebenfalls von dieser kommunistischen Enklave in der Karibik…
Als ich in Ägypten war, musste ich unbedingt einen Trip in die Wüste Sinai mitmachen, mir die Asche gebrannter Mandeln auf die Wimpern schmieren um mich vor der Sonne zu schützen – wie vor tausenden Jahren, als die Mascara erfunden wurde. Als ich in Japan war, musste ich unbedingt die weltgrößte Sammlung des edlen Oud-Holzes besichtigen, das in einigen kostbaren Oriental-Düften verwendet wird (und gerade mal wieder so „in“ ist). Wenn ich nach Paris fahre, steht nicht der Eiffelturm ganz oben auf meiner Sightseeing-Liste, sondern jedes Mal das Haus Guerlain. Und überhaupt, egal, wo ich bin, es gibt immer etwas zu entdecken, dass das Herz eines Beauty-Junkies schneller schlagen lässt als Rubinstein-Mascaras weltweit pro Sekunde verkauft werden.
So und nicht anders war es nun in Kuba. Mit drei Freunden im Gepäck drei Wochen per Mietauto über die schlechtesten Straßen, die ich je erlebt habe, barfuss durch schneeweißen Karibiksandstrand und hoch zu Pferde ab in den Regenwald. Safari-Lodge, Kalksteinhügel-Landschaften, Salsa-Bars in pulsierenden Städten, die niemals zu schlafen scheinen und mehr Mojito-Cocktails als ich je trinken wollte. Im Grunde hatten wir so etwas vor wie eine politische Bildungsreise mit Strandanschluß. Gelebter Kommunismus im Schatten von Fidel Castro und dem ewigen Helden Che Guevara. Und es war wirklich absolut spannend. Ganz Kuba ist beseelt von einem morbiden 50er Jahre-Charme, stimmungsvoll abgemischt mit einem Schuss herrlicher Kolonial-Nostalgie. Einst wunderschöne Villen, von denen der Putz abbröckelt, Hotels in ehemaligen Plantagen-Villen und überall die unvermeidlichen Cadillac-Straßenkreuzer, die nur noch von Klebeband und Bindfaden zusammengehalten werden. Nachts tanzen die Menschen auf der Straße, überall wird Musik gespielt (immer live, nie vom Band), und der Rum fließt in Strömen. Im Grunde ist Kuba ein einziges Klischee, es ist genau so, wie man es sich so vorstellt. Aber hinter der Postkarten-Fassade stimmt einen der Alltag der Kubaner ein wenig traurig. Denn seit Fidel Castro Ende der 1950er Jahre die Insel vom Diktator Battista „befreit“ hat, herrscht eisiger Sozialismus auf der Insel. Wo einst die Mafiabosse aus den USA ihren Urlaub verbracht hatten, übernahm nach der „glorreichen Revolución“ eine neue Regierung: Kubaner dürfen nicht verreisen, weder auf der Insel, schon gar nicht ins Ausland. Ihre Post wird geöffnet und gelesen, Telefonate abgehört und merkwürdige Erklärungsversuche ins Hirn gepaukt, wieso die großen Brüder Sowjetunion und DDR sich aufgelöst haben, wo doch der Kommunismus die einzig vernünftige Politikform darstellt..? In Santiago de Cuba beim Frühstück ein merkwürdiges Szenario auf der Straße, das man sonst nur aus Science-Fiction-Filmen kennt: Fröhliche Musik schallt aus Lautsprechern auf die Straßen, dazwischen (für mich unverständliche, weil spanische) Durchsagen. Plötzlich Marschmusik, alle Menschen bleiben stehen wo sie gerade sind, die Nationalhymne! Gespenstisch. Wer sich in einen kubanischen (staatlichen) Supermarkt traut, ist entsetzt. Die Regale leer, das was es gibt ist für die meisten unerschwinglich. Aber die wesentlichen Einkäufe erledigt ein Kubaner eh auf dem Schwarzmarkt. Und am Strand, im Restaurant und abends in der Disko sind diejenigen, die mit Geld um sich werfen und sich unter den allgegenwärtigen Plakaten von Che und Fidel betrinken, die Könige der Insel – die Schwarzmarkthändler.
Dabei darf man nicht alles auf die Amerikaner schieben, die erstens seit Fidel Castro die Karibik-Insel im Würgegriff eines mächtigen Handelsembargos halten, und zweitens bereit stehen, um nach dem Tod von Fidel und seinem Bruder Raul die Insel „friedlich“ zu übernehmen. Denn es ist durchaus die Schuld der eigenen Regierung, sich derart von der Außenwelt abgeschottet zu haben: Fidel verurteilt die westliche Welt als imperialistische Ellbogenkämpfer, die sich auf Kosten der unterdrückten Arbeiter bereichern. Ungefähr diese Einstellung hat dann auch der Zivil-Kubaner gegenüber dem Touristen. Man ist nicht nur ein (reicher) Klassenfeind, sondern muss ja auch noch vom Kubaner bedient werden. Kein Wunder, dass die eine Hälfte der Kubaner dem Reisenden mit erheblichen Ressentiments und einer gehörigen Portion Unfreundlichkeit begegnet. Die andere Hälfte ist zwar freundlich und aufgeschlossen, allerdings eher aus der Hoffnung auf ein sattes Trinkgeld heraus als aus echter Gastfreundschaft. Und so begegnen uns auf unserer Reise auch immer wieder „wohlhabende“ Touristen aller Altersklassen, die – männlich wie weiblich – auf professionelle Flirts mit muskulösen Einheimischen und jungen Salsa-Tänzerinnen aus sind. Auch nicht wirklich schön.
Aber wovon lebt der kubanische Statt eigentlich? Natürlich vom Tourismus, der Devisen ins Land spült. Aber eben auch von den zwei klassischen Export-Gütern: Rum und Tabak. Der durchaus genießbare „Havana Club“-Rum, den es auch hierzulande in jedem Supermarkt gibt, ist omnipräsent, wird in jeder noch so kleinen Spelunke zu Mojitos verwandelt (notfalls aus alten Marmelade-Gläsern getrunken) und ersetzt die untreu gewordene Bacardi-Marke, die ursprünglich ja auch aus Kuba stammt. Noch wichtiger und fast genauso überall erhältlich ist aber der Tabak. Vor allem im trockeneren Norden der Insel angebaut, ist die Tabakpflanze das prestigeträchtigste Gut Kubas. Wer Zigarren mag, kommt an Kuba nicht vorbei. Cohiba, Partagas, Romeo und Julia, Montecristo und wie sie alle heißen – Zigarren kommen aus Kuba. Punkt. Als Christoph Columbus auf der Suche nach Amerika in Kuba vorbeikam, begann der Tabak seinen weltweiten Siegeszug. Gerüchten zufolge soll sogar John F. Kennedy ein paar Tage vor seinem Handelsembargo gegen Kuba sich gerade noch ein paar Kisten seiner Lieblingszigarren gesichert haben. Dabei gibt es für die getrockneten Blätter der Tabakpflanze noch einen ganz anderen tollen Verwendungszweck…
Tabak als Duftstoff
Auf unserer Reise waren wir in Havanna (der Hauptstadt) auch in der altehrwürdigen Zigarrenfabrik „Partagas“. Der Legende zufolge sollen hier früher die Zigarren auf den Oberschenkeln von Jungfrauen gerollt worden sein. „Mittlerweile“ so unser Reiseführer, „sind uns aber die Jungfrauen ausgegangen.“ Ein kleiner Seitenhieb auf den Anstieg der Prostitution seit der Tourismus floriert? Jedenfalls sitzen hier hunderte Frauen wie Männer und stellen Zigarren her. Die getrockneten Tabakblätter – ungefähr DinA4-große, braune „Lappen“ mit erstaunlich ledriger Textur – werden nach optischer Qualität und Größe sortiert und dann um die Zigarrenfüllung aus geraspelten Tabakblättern gewickelt. Je ein halbes Blatt pro Zigarre. Ich kann Ihnen sagen, es war ein Erlebnis. Weniger aufgrund der unglaublichen Flut von Zigarren, die hier entstehen, sondern vor allem wegen des Geruchs. Die mehrstöckige Fabrik duftet derart, dass man vor Betreten des Hauses noch einmal tief Luft holen sollte. Denn das betörende Tabakaroma verschlägt dem Besucher wirklich den Atem. Für Nichtraucher wie für Raucher gleichermaßen ein köstlicher Odeur, denn auch wenn eine brennende Zigarre den meisten Menschen massiv auf die Nerven geht (Ich entschuldige mich für meine Meinung bei allen Zigarre-Fans), so duftet das getrocknete Tabakblatt einfach fantastisch – so würzig, ein bisschen bitter-süßlich, mit einer fruchtigen Mischung, vielleicht vergleichbar mit Wacholder-Holunder oder so.
Ein ganzes Blatt ist erstaunlich groß, so etwa 50 mal 30 cm an der breitesten und längsten Stelle, je nach Wuchs natürlich. Dann wird das Blatt von fleißigen Händen in der Mitte geteilt, indem die Hauptfaser aus dem Blatt gerissen wird. Dadurch entstehen zwei Hälften, die dann je nach Farbe, Aussehen und Qualität verschiedenen Zigarrenmarken und -typen als Deckblatt zugeordnet werden. Unschöne oder löchrige Blätter werden aussortiert – und (wer errät es?) zum Duftstoff Tabak destilliert. Dabei werden Fasern und Blätter in Lösungsmittel ausgelöst und dieses wiederum anschließend abgedampft. So entsteht das (nun lösungsmittelfreie) „Concrète“, das noch mit Alkohol versetzt und schließlich gefiltert wird. So entsteht das ätherische Tabaköl, das den warm-würzigen Tabakgeruch in sich trägt und auf jeden Fall ungleich kostbarer und köstlicher ist, als ein synthetisch hergestellter Tabakduft.
Wer Interesse hat an einem Tipp für tolle Tabak-Parfums, darf mir gerne schreiben, und wer den ein oder anderen Kuba-Reisetipp sucht, natürlich auch!
Ich freue mich über jede Frage –
Euer Constantin.
Lieber Constantin,
vielen Dank für die Reiseimpressionen aus dem Land des Tabaks!
Allerdings ist mir beim Lesen eine gradiose Idee gekommen (Aber vielleicht gibt’s das ja schon und ich kenne es nur nicht)! Wie wäre es, wenn Sie einen olfaktorischen Reiseführer schreiben würden? Nach Ländern, Städten sortiert mit interessanten Duft-Kult-Stätten, Adressen von Parfumhäusern usw. Dann ist es für einen Duft-Reisenden nicht so kompliziert, alle wichtigen Adressen einzeln über’s Internet oder so zu finden. Bin mir sicher, dass es hier auch noch einige Duftfanatiker gibt, die zu diesem Werk den einen oder anderen Tipp beitragen können. Ach ja, und von den Tantiemen aus dem Verkauf diese Werks nehme ich Ihnen gerne etwas ab … da ich ja in diesem Fall so etwas wie die geistige „Mutter“ wäre 🙂
Ansonsten, wenn es dieses Werk bereits gibt, wäre ich sehr dankbar, wenn man mir sagen könnte, wo ich es finde.
LG,
Margot