Frisch aus dem Ei geschlüpft sind die zwei neuen Düfte von Diptyque: Fleur de Peau und Tempo. Zwei Düfte, die vielleicht nicht allein zu Ehren, aber dennoch zeitgleich mit dem 50-jährigen Bestehen von Diptyque lanciert werden. Wow, 50 Jahre … und kein bisschen leise! In den frühen 1960er Jahren eröffneten die Künstler Desmond Knox-Leet, Christiane Gautrot und Yves Coueslant am Pariser Boulevard Saint Germain einen Laden, der heute unter dem Begriff „Concept Store“ rangieren würde.
Das Ladengeschäft nannten sie aufgrund der zwei großen Diptychon-artigen Schaufenster „diptyque“. Neben allerlei hochwertigen Nicht-Allerweltsprodukten und kunstvoll bedruckten Stoffen wurden hier auch erste eigene Duftkerzen verkauft. Im Jahre 1968 kreierte der Brite des Trios, der gleichzeitig deren Nase war, den allerersten Diptyque-Duft „L’Eau“. Ihm sollten noch viele weitere folgen. 35, um genau zu sein. Die niegelnagelneuen Düfte Fleur de Peau und Tempo sind die 36. und 37. Kreation des innovativen und künstlerisch ambitionierten Pariser Dufthauses.
Diptyque – Fleur de Peau
Fleur de Peau huldigt dem Moschus, jener Duftnote, die in den 1960er Jahren so angesagt war wie keine andere. Der Parfümeur Olivier Pescheux komponierte die Ode an das Drüsensekret des männlichen Moschushirsches – aber Entwarnung, dieses wird natürlich synthetisch hergestellt – mithilfe der Ingredienzien Moschus, Iris, Ambrettesamen und rosa Pfeffer.
Eine Hommage an den MOSCHUS, das Duftsymbol der Peace-and-Love-Jahre. Eine animalische Substanz von verwirrender Sinnlichkeit, der man mystische Kräfte nachsagt.
Wie konzipiert man heute einen Moschusduft, der modern und unaufdringlich ist? Indem man ihn mit einer Prise Iris vermischt, matt und leicht kühl, lang anhaltend, mit starker Ausstrahlung. So machten es früher die Handschuh-Parfümierer, die damit ihre Lederkreationen tränkten. Dazu ein Spritzer Bergamotte und italienische Mandarine, eine Handvoll rosa Pfefferkörner. Und Aldehyde. Alles verwebt sich, erweckt sich gegenseitig zum Leben. Ein ungewöhnlicher Kontrast (Überraschung!) zu dem, was folgt, aber abgerundet und geschmeidig.
Der Name Fleur de Peau nimmt übrigens Bezug auf die Kombination von Moschus und den zwei Blüten Iris und Hibiskus. Mancher mag es wissen, mancher nicht: Ambrettesamen stammen vom Bisamstrauch (Abelmoschus moschatus oder auch Hibiscus abelmoschus), einem Eibischgewächs, dessen Samen moschusartig und floral-süß duften. Hier also finden wir die zweite Blüte Hibiskus wieder.
Der Duft startet mit überraschend frischen, fast kühlenden Noten, die ich aufgrund der latenten Schärfe dem Rosa Pfeffer zuschreibe. Moschus folgt auf dem Fuße und untermalt die dezent-zitrische Pfefferschärfe mit seinen charakteristischen pudrig-sanften und fein-holzigen Noten. Eine helle und samtige Iris gesellt sich hinzu. Mit ihr verschmilzt der Duft noch mehr mit der Haut. Ihre florale und mich oft an Körperbutter erinnernde Cremigkeit macht Fleur de Peau noch geschmeidiger und noch skinniger.
Dabei behält die Kreation aus dem Hause Diptyque ihre zitrisch-scharfen Pfeffernuancen – nicht aufdringlich oder übertünchend, sondern fein akzentuierend und erfrischende Spannung verleihend. Ganz behutsam, behaglich und überraschend unpudrig klingt Fleur de Peau mit zarten Holz- und sanft-animalischen Moschusnoten nach und nach aus.
Fleur de Peau ist ein Leisetreter, ein charmanter Verführer. Unprätentiös und transparent zeigt sich dieser Moschuskreation als dezent-floraler und pudrig-cremiger Hautduft, der durch die erfrischend-helle Schärfe des Rosa Pfefffers facettenreich schillert und harmonisch untermalt wird. Kontemplativ und in sich gekehrt unterstreicht und akzentuiert Fleur de Peau den eigenen Geruch der Haut, umschmeichelt ihn auf ungemein sanfte Art und Weise und schafft so eine unglaublich innige Vertrautheit und das wohlige Gefühl von Ruhe und Entspannung.
Gib mir den Beat!
Tempo ist nicht, wie vielleicht manche denken mögen, dem bekannten Papiertaschentuch gewidmet (5 Euro ins Kalauerkässchen!). Nein, der Name ist eine Reminiszenz an die Beat-Generation, die in den 1970er Jahren von Amerika nach Europa herüberschwappte.
Bei Beat denkt man an Rhythmus, an das Schlagen des Herzens, an einen Takt, den es einzuhalten gilt. Diese Bewegung auf der Suche nach Spiritualität (Schamanismus, Buddhismus) ist eine Ode an große Weiten und die Entdeckung neuer Welten. Ein Name, der die Vibration und Musikalität des Parfums reflektiert.
Neben Beat gibt es noch ein weiteres Merkmal der damaligen Zeit, diesmal ein olfaktorisches: Patchouli. Diesem huldigt Tempo, allerdings in modern-abgeklärter Version und nicht in der schwülstig-süßlichen Variante, die die 1970er Jahre beherrschte.
Eine Hommage an Patschuli, die Duftikone der 60er Jahre. Ein Symbol für Freiheit, die Verkörperung einer neuen Spiritualität mit orientalischem Ursprung.
diptyque nimmt das Patschulithema auf, (natürlich) in verfeinerter Form, ausdrucksstark und doch sehr subtil, vom Parfümeur und langjährigen Begleiter Olivier Pescheux entworfen. Drei verschiedene Extrakte wurden verarbeitet, alle aus dem nachhaltigen Anbau, den Givaudan auf der indonesischen Insel Sulawesi betreibt. Eine lang anhaltende Schwingung, wie das nachhallende Echo einer musikalischen Explosion
Patchouli kann waldig, wurzelig, erdig, moosig, matschig, kühl und feucht, oftmals düster und modrig sein. Manchmal zeigt er sich aber von einer ganz anderen Seite, ist hell, fast schon freundlich, von holzigen Noten durchzogen, mit einer feinen und subtilen balsamischen Süße akzentuiert. Alles Eigenschaften, die ihn zu einem richtig guten Duftkumpel machen können.
Es bleibt nun offen, welcher Wesensausprägung unser Tempo-Patchouli nun unterliegt. Ein bisschen vermute ich ja, dass der Duft ganz klischeehaft klassisch das Woodstocksche Schlammbad wiederaufgreift, aber lasse mich natürlich gerne überraschen. Von Diptyque erwarte ich eigentlich ein bisschen mehr Innovativität und nicht das Zurückgreifen auf abgedroschene Hippie-Stereotypen.
Der ebenfalls in Zusammenarbeit mit Olivier Peschex entstandene Duft enthält die Ingredienzien Patchouli, Mate, Muskatellersalbei und Veilchenblätter. Also auf ans Schnupperwerk!
Frisch aufgesprüht offenbart Tempo eine fast schon minzige, ja kampferartige Frische, gepaart mit einer mittel- bis dunkelgrünen Note. Alsbald schieben sich dezente und herb-aromatische Tabaknoten ins Bild, gänzlich ohne die ihnen sonst so gerne innewohnende Honigsüße. Dieser Tabak ist rau, leicht rauchig und sehr holzig.
Dunkelholzig, waldig, moosig, erdig zeigt sich dieser Patchouli. Feucht und gleichzeitig doch irgendwie trocken. Und trotz seiner anfänglichen Kühle erstaunlich warm. Hier haben wir keinen Kellermuff oder Gruftikus. Dieser Patchouliduft ist umhüllend wie ein behaglicher, schützender Mantel, aber ohne einzulullen und zu beschweren. Ein Duft, der im Dämmerlicht agiert, grün, transparent und erfreulicherweise komplett unsüß. Erst im Ausklang wird Tempo versöhnlicher, sanfter und weicher mit balsamischen, ja fast schon zart-floralen Noten. Hier lassen sich auch erste süßliche Tendenzen ausmachen, die aber insgesamt sehr handzahm bleiben.
Tempo ist für mich ein bemerkenswerter Patchouliduft. Trotz seiner Komplexität sehr klar, fast schon geradlinig, womit ich nicht eindimensional meine. Transparent und leicht, dabei gleichzeitig sehr nah und greifbar. Tempo lebt sicherlich nicht auf der „sunny side of life“, hier haben wir keinen ausgelassenen sonnig-fröhlichen Gute-Laune-Duft. Dafür ist er viel zu dunkel, zu ruhig, zu sehr in sich gekehrt. Kein feierwütiger Hippie.
Die Kreation aus dem Hause Diptyque zeichnet sich vielmehr als Ode an die Kontemplation aus, ist besinnlich, entspannend und lässt uns herunterfahren … mich zumindest. Obschon ich anfangs ein wenig in Sorge war, ob Tempo und ich überhaupt miteinander zurechtkommen – meine Patchouliliebe hält sich ja im Privaten eher in Grenzen – , belehrt mich der Duft eines Besseren. Diese moderne und erwachsene Duftkreation hat mit den erdrückend-süßen und narkotisch-benebelnden Patchoulidüften der Hippiezeit wirklich nichts zu tun.
Ein Hoch auf 50 Jahre Diptyque und diese beiden innovativen Düfte! Zu beidem kann man das Pariser Parfumhaus nur beglückwünschen. 🙂
Damit verabschiede ich mich für heute von Euch und freue mich auf nächste Woche!
Liebe Grüße,
Steffi
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