… heißt der zweite Duft der Collection Galerie, den wir uns heute ansehen werden, nachdem ich gestern bereits mit Tubéreuse Manifeste vorgelegt hatte. Wie sieht es aus, hat Euch die Tuberose denn neugierig gemacht? Tuberosenfreundinnen da draußen, wo? Und vor allem welche stehen denn dann bei Euch im Schrank?
Ich bin ja süchtig nach Tuberose und Gardenie, die ich nicht wirklich trenne, weil Gardenien sehr sehr oft in Düften mit Tuberose „gezeichnet“ werden, obschon sie selbstverständlich jene pilzig anmutenden Aspekte besitzen, die einer Tuberose abgehen. Ok, Tuberosen und Gardenien in meinem Sortiment: Piguets Fracas, ganz klar, der Klassiker. Frédéric Malles Carnal Flower und Serge Lutens Tubéreuse Criminelle, zwei moderne Ikonen. L’Artisan Parfumeurs Nuit de Tubéreuse, Nishanes Tubéroza, Van Cleef & Arpels Gardénia Pétale und Guerlains Cruel Gardénia, Noix de Tubéreuse von Miller Harris, Tubéreuse von Mona di Orio, Café Tuberosa von Atelier Cologne und Tuberose von Keiko Mecheri – das wären mal die Kandidaten, die mir aus dem Stehgreif eingefallen sind. Ok, ich muss nicht jammern, ich hätte nichts „anzuziehen“ hinsichtlich meiner Duftgarderobe … Aber es ist ja nicht so, dass nicht noch Platz im Regal wäre – vielleicht für einen neuen Evody?
Olfaktorische Abstraktionskunst – Sens Abstrait
Sens Abstrait bezieht sich wie alle Düfte der Collection Galerie auf die Kunst, und zwar auf die Abstrakte Kunst:
„Abstrakte Kunst spricht durch Formen und Farben unsere Gefühle an, ohne dass sie einen Gegenstand oder eine Realität abbildet. Das Parfum Sens Abstrait wurde von demselben Prinzip inspiriert. Gefühle hervorzurufen durch Rohstoffe, die sich kreuzen und eine Antwort geben. Die Zitrusfrüchte verknüpfen sich mit den grünen Noten, die blumigen Noten vermischen sich mit den trockenen Holz- und Ambranoten. Eine olfaktorische Palette, nicht gegenstandsbezogen, mit diversen Farben, deren Zweck es ist, die Seele zu berühren.“
Die Ingredienzen: Kopfnote: Zitrische Noten, Grüne Noten; Herznote: Florale Noten; Basisnote: Hölzer, Ambra.
Ich glaube, dass ich mit keinem Begriff für eine Kunstrichtung mehr Probleme habe als mit dem der Abstrakten Kunst – ich kann ihn nicht wirklich fassen, sieht man mal von seinen kubistischen Ausprägungen ab. Ein zu großer Topf, als dass ein Deckel darüber passen könnte, so zumindest in meinen Augen – ich muss doch nochmals meine Kunsthistorikerfreundin zurate ziehen, glaube ich …
Wiki erklärt den Begriff in Kürze, hilft mir aber leider auch nicht wesentlich weiter, weil es ähnlich nebulös bleibt:
„Abstrakte Kunst ist eine Sammelbezeichnung für nach 1900 in Erscheinung tretende Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts. Sie verwendet die bildnerischen Gestaltungsmittel teils – wie der Kubismus – vom Gegenstand abstrahierend, teils völlig losgelöst von Natur und realen Gegenständen (gegenstandslose Kunst). Werke der ersteren Kategorie zeigen abstrahierte („verwesentlichte“, auf eine Essenz verdichtete) Gegenstände, Figuren, Räume. Werke der letzteren Kategorie bedienen sich autonom der visuellen, künstlerischen Mittel, ohne jeglichen mimetischen Gegenstandsbezug. In der Verbreitung der Fotografie mit ihrer neuen Qualität der Naturwiedergabe wird eine der Ursachen für das Entstehen der abstrakten Kunst gesehen.“
Ein bisschen Namedropping muss an dieser Stelle natürlich sein – Wiki listet an Künstlern unter anderem: Hans Arp (Abstrakte Kunst? Surrealist?), Wassily Kandinsky, Yves Klein, Joan Miró (ja, den hatten wir gestern schon, weil er früher mal eine Zeit Surrealist war bzw. dem Surrealismus zuzurechnen), Piet Mondrian, Jackson Pollock, Mark Rothko, Victor Vasarely.
Da ich ähnlich ratlos bin, wie sich das bezogen auf einen Duft auswirkt, schnappe ich mir einfach das Pröbchen und stürze mich samt Nase ungebremst ins Duftgetümmel.
Sens Abstrait ist, wie ich schon vermutet hatte, mehr als die Summe seiner Teile … und keinesfalls belanglos, wie vielleicht die etwas zu oberflächliche bzw. unkonkrete Listung seiner Zutaten vermuten lassen könnte. Wir haben es hier mit einem Duftchamäleon zu tun: Frisch aufgesprüht duftet Sens Abstrait zuallererst einmal recht clean – frisch, sauber, gepflegt, wie weiße Wäsche und wie einer jener Vertreter der Marke, die diese Düfte bekannt gemacht hat, Clean Perfume. Alsbald verschieben sich hier die Prioritäten, das Saubere tritt zurück und macht der Frische von Zitrusfrüchten Platz. Diese nehme ich anfänglich auf meiner Haut deutlich als Mandarine wahr, und zwar nebst schmückendem Beiwerk in Form von Zitrone oder Bergamotte, eine säuerlichere Verwandte. Die saftigen Zitrusfrüchte bleiben im Fokus, dennoch wird es im späteren Verlauf wieder wäschelastiger, allerdings wiederum jene blütenreinweiße Wäsche, die auf der Leine im Wind flattert.
Ein Quentchen Pudrigkeit mischt sich darunter und zarte Anklänge von Blüten, Frühlingsblumen, die irgendwo in der Nähe ihre zarten Hälse in die Höhe recken … Bisweilen schillert auch ein samtweiches Wildleder hindurch, das dem Duft eine sinnliche Komponente verleiht.
Sens Abstrait ist – abstrakt. Er ist nicht wirklich greifbar, verbleibt im Diffusen, oszilliert zwischen verschiedenen Ingredienzen und Duftrichtungen. Er ist reduziert und modern, doch gleichermaßen auch ein Romantiker, ein verspieltes Großstadtkind, ein Träumer, der dynamisch seine Wünsche und Ziele verfolgt.
Wer gerne Byredos Palermo, La Tulipe und Flowerhead in einem Duft hätte mit ohne zuviel Grünzeugs, weniger süß und in floraler Hinsicht minimalistischer, wer Cleans Düfte gerne komplexer hätte und weniger amerikanisch-artifiziell, wer Kurkdjians Acqua Universalis mag und wer noch einen Immergeher sucht, der immer passt und sogar mit dem Partner/der Partnerin „teilbar“ ist, der … sollte testen 😉
Morgen geht es weiter mit dem letzten Kandidaten unseres Trios, mit Couleur Fauve – bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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