L’Insomnuit … ist endlich dieser Tage auch bei uns in Deutschland gelandet, nachdem der Duft bereits auf der Mailänder Esxence vorgestellt wurde. Ich hatte ihn auch erwähnt in meinen Messeberichten – lest hier.
L’Insomnuit – Eine Hymne an die Nacht
Vielleicht erkennt Ihr es am Schreibstil, die deutsche Duftbeschreibung von L’Insomnuit ist von mir:
„„What keeps you awake“ – was hält dich wach? L’Insomnuit, die Schlaflose, erinnert an die deutschen Romantiker und deren Verehrung der Nacht: In Tintendunkelblau gewandet und von einem einsamen Mond erleuchtet, erscheint sie ewig in ihrer selbstgewissen Ruhe, lädt zum Sinnieren und sehnsuchtsvollen Träumen ein.
Piguets Schlaflose ist eine Iris und was für eine: Sie vereint alle Facetten, für die sie von Duftliebhabern geschätzt und verehrt wird. Von samtiger Sinnlichkeit und pudriger Grazie betört diese Verführerin, die mit würzig-vanilliger Tonkasüße lockt und mit elegant-erotischem Wildleder umfängt. Die Basis aus kostbaren Hölzern vervollkommnet den Duft und verleiht ihm Tiefe.
Ein Duft, der wahrhaft schlaflose Nächte beschert – L’Insomnuit ist eine Irisschönheit zum Verlieben.“
Von der Marke an und für sich wurde folgende Beschreibung veröffentlicht:
„When the liturgy of the night flows from clarity to dream state, L’Insomnuit de Robert Piguet sings a siren song. The mood of the fragrance is of nocturnal mystery and a cool, haunting moon-lit beauty, hence the name; an amalgamation of the French words for night and insomnia.
Like a veil that embraces light and dark, calm and chaos, the fragrance conjures yearning with duality. The pairing of flowers, resins, and woods, plays like a haunting dreamscape. At once beautiful and unsettling, L’Insomnuit de Robert Piguet is the fragrant mystery that plays from dusk until dawn. Opening with a boozy, scintillating plum accord accentuated by bergamot and fir balsam, the heart of the scent is quick to open with explosive notes of iris absolut and iris concrete that designed to excite.“
Midnight Iris ist der Hashtag, mit dem sie verbreitet wurde, die Schlaflose – L’Insomnuit. Und dass mich die Frage danach, was einen zu schlaftrunkener Zeit wach hält und umtreibt, sofort an die Romantik erinnerte, liegt auch auf der Hand – regelmäßige Leser/innen werden es wissen, dass ich diese kulturhistorische Epoche sehr schätze.
Die üblichen Verdächtigen – Ulrike & die Romantiker, ein kleiner Exkurs
Für die Romantiker, das lässt sich eigentlich durchgehend behaupten, obschon es ein weites Feld ist, war die Nacht ein zentrales Motiv. Eines, das für die mindestens ebenso zentrale Sehnsucht steht, für Entgrenzung, siehe auch Wiki: „Die Nacht ist eines der wichtigsten Motive der Romantik, da nur diese es schafft, das Irrationale hervorzuheben und darüber die Geheimnisse des Seins zu erschließen. Sie verlieh dieser Epoche eine mystische und magische Weihe und erhob sie zum Medium der neu entdeckten Transzendenz.“
Diese Auffassung der Nacht unterscheidet sich ganz grundlegend beispielsweise von derjenigen in verschiedenen Mythologien, in denen die Nacht vornehmlich als zu fürchtende verschiedentlich personifiziert wurde, was sich wiederum auch im Volksglauben niedergeschlagen hat. Hier wird die Nacht in zahlreichen Kulturen als die Zeit der Geister gesehen, vor allem auch der bösen, was sie furchteinflösend macht.
Die bekannteste Ode an die Nacht stammt von einem deutschen Vorzeigeromantiker, von Joseph von Eichendorff – es ist sein Gedicht „Mondnacht“, das vermutlich jeder kennt:
Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt‘.Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Weniger bekannt ist sein Gedicht „Die Nachtblume“:
Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Ob’s Gedanken oder Träume? –Schließ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.
Nikolaus Lenau widmet sich der Nacht mit seiner „Bitte“:
Weil auf mir, du dunkles Auge,
Übe deine ganze Macht,
Ernste, milde, träumerische,
Unergründlich süße Nacht!Nimm mit deinem Zauberdunkel
Diese Welt von hinnen mir,
Daß du über meinem Leben
Einsam schwebest für und für.
Wie sieht es aus Ihr Lieben – seid Ihr empfänglich für Lyrik? Mich muss man nicht fragen, für mich darf es sehr gerne Lyrik sein, wenn ich die Muße dafür habe. In meinem Regal finden sich viele Lyriker und lyrische Werke aus allen möglichen Ländern und Zeiten, allerdings komme ich wirklich sehr gerne auf die Romantiker zurück. Es ist ihr melancholisches Sehnen und Träumen, das ich so gerne mag, die sich auf ähnliche Weise bisweilen auch in der japanischen Literatur findet.
Piguets Mitternachtsiris
Kommen wir schlussendlich zum Duft: L’Insomnuit ist eine sehnende, sehnsuchtsvolle Schönheit, die um die Iris kreist. Irisdüfte gibt es einige – genauso wie Irisliebhaber. Und die werden ihre helle Freude an dieser Holden haben! Allerdings muss man ihr ein wenig Zeit geben, um ihre Komplexität vollständig zu erfassen, sie hat es nämlich in sich. Die Protagonistin lässt sich keine Zeit, ist bereits im Auftakt „voll da“: Eine pudrige, samtige Iris, eine, die bisweilen an den wundervollen Boudoirduft 1889 Moulin Rouge von Histoires de Parfums denken lässt, der ebenfalls mit einer Pflaumennote auftrumpft. Die beiden sind Geschwister im Geiste, allerdings ist Piguets L’Insomnuit dunkler, die wildere, ungezähmte Schwester der beiden.
Tonkabohne unterstreicht die sinnliche Anmutung jener Irisfacetten, die so an Haut erinnern, an gepuderte, warme und logischerweise nackte Haut, würzt erotisch und erinnert wie so oft an Vanille, in diesem Fall allerdings ausschließlich pudriger, nicht cremiger Natur. Die Pflaume ist „boozy“, genau wie versprochen: Likörig oder zumindest geradewegs aus einem Rumtopf gefallen besitzt sie einen alkoholisch-beschwingten, satten Charakter, der die pudrig-gourmandige Süße perfekt ausbalanciert. Unsere Iris kann allerdings auch anders, wie hin und wieder hervorblitzt: Ich vermute einmal, dass es dem Zusammenspiel mit Oud und Nagarmotha geschuldet ist, die sich beide unüblich im Hintergrund halten, dass ich eine Ledernote, genauer gesagt eine Wildledernote auf meiner Haut zu entdecken vermag.
Sanft ist sie, fast schon seidig, und fügt sich perfekt in das duftende Geschehen ein. Auf meiner Haut drängeln sich weder Rauch noch Hölzer in den Vordergrund, auch das Oud wuchert nicht mit seinen uns wohlbekannten Pfründen, sie machen sich rar, zeigen sich eher subtil beschützend, einhüllend, dem Duft Tiefe verleihend, allerdings keineswegs vordergründig präsent. Insofern müssen diejenigen unter Euch, die hier schon eine Ahnung erfasste, dass ihnen der Duft zu düster sein könnte, keine Angst haben – wie schon bei den Romantikern ist diese Nacht keine, die man fürchten muss, ganz im Gegenteil 😉
Allerdings sollte ich erwähnen, dass dies einer der Gründe dafür ist, dass L’Insomnuit dezidiert weiblich ist – an einem Mann kann ich mir diesen Duft mitnichten vorstellen.
Ich bin gespannt, wie Ihr ihn findet, meine Lieben – hat schon jemand getestet? Irisiliebhaberinnen, wo seid Ihr? Nach vorne, meine Damen! 😉
Alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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