Sehr gespannt war ich auf diesen Duft. Und, wie ich gleich vorwegnehmen kann: Zu Recht. Histoires de Parfums Moulin Rouge 1889, der offizielle Signature-Duft zum 120jährigen Bestehen des legendären gleichnamigen Pariser Cabarets und Nachtclubs. Hier ist Nomen gleich Omen, aber trotzdem könnte der Duft den einen oder anderen überraschen, weil er zwar zum Namen paßt, man sich allerdings andererseits auch etwas anderes darunter erwarten könnte… Was erwartet man denn vom Duft und was assoziiert man mit Moulin Rouge? Mein Bild ist, wie schon einmal erwähnt, literarisch geprägt: Für mich ist Moulin Rouge Jahrhundertwende, Salonkultur, Tanztheater in jeglicher Form. Es liegt viel in der (Bühnen)Luft: Aufregung, Nervosität, Frivolität, Freude, Ausgelassenheit und – Erotik. Der Duft von Puderquasten und Stoffen unterschiedlichster Natur, Samt und Seide sowie schwerer Brokat, ein Hauch von Transpiration, ein bißchen Alkohol oder besser: Champagnerbäche… na, ihr wißt schon…
Und natürlich Toulouse-Lautrec, der Maler, den ich schon in meinem letzten Artikel mit dem Moulin Rouge in Verbindung brachte, weil er das verführerisch überbordende Leben dort in den leuchtendsten Farben für die Nachwelt eingefangen hat: Glanz, Gloria und Glamouröses, Passionen und Obsessionen in jeglicher Hinsicht sowie… Exzesshaftigkeit.
Moulin Rouge fängt all diese Vorstellungen vollkommen ein. Er präsentiert sich mitnichten als kuschelig-muckeliger Skinduft oder hyperpudrig, sondern er repräsentiert das ganze obige Programm: Im Auftakt erinnert er – und das zieht sich wie ein roter Faden durch den Duft – im Geruch an einen guten Lippenstift oder einen qualitativ hochwertigen Puder. Wißt Ihr, diese cremig-trockene Komponente? Trocken ist hier auch genau das Stichwort – der Duft ist trocken, und zwar durchgängig. Er entwickelt sich nah der Haut und verschmilzt richtiggehend mit ihr. Das Wort skinnig im herkömmlichen Sinne trifft es aber nicht, da er weder klassisch pudrig ist noch eine wirkliche Süße an den Tag legt, obgleich ihm süße Elemente innewohnen. Diese sind aber betont – ich wiederhole – trocken, ähnlich wie bei getrockneten Früchten. Urheber dessen ist – die Iris, eine wunderbar samtig-weiche und sanfte, verträumte Variante davon, welche im weiteren Duftverlauf herrlich mit den sich zu ihr gesellenden Ledernoten korrespondiert – ein sehr schöner Kontrast. Die Lipstick-Anklänge enthüllen alsbald ein florales, nicht näher zu charakterisierendes Herz, welches von (ganz klar: trocken)fruchtig-beschwipsten Pflaumennoten (mit einer Prise Salzigkeit) sowie cremigen Zimtakzenten (erinnert sich jemand an den Big-Red-Kaugummi?) abgerundet wird. Die Basis, die dahinter bereits hervorragt, offenbart Großes: Absinth, leicht bitter, typisch wermutig und wehmütig, begleitet von ätherisch-tiefem Patchouli stiften melancholische Momente, während Vanille und Moschus sich zu einer subtil-warmen Weiche vereinen und den Duft somit gekonnt abrunden.
Seine Ingredienzen: Mandarine, Pflaume, Zimt, Absinth, Rose, Iris, Leder, Patchouli, Vanille, Moschus.
Chapeau! Respekt – dieser Duft ist ganz großes Kino oder besser: ganz großes Theater! Ich bin sehr sparsam mit derlei Komplimenten, vielmehr: Ausdrücken, aber Moulin Rouge 1889 ist etwas komplett eigenständiges, ein Unikat, ein absolutes und einzigartiges. Ich kenne nichts, was auch nur ansatzweise so riecht wie dieser Duft, welcher eine fast lyrische Qualität besitzt mit seinen unterschiedlichen und in der Tat aussagekräftigen (Verlaufs)Stadien. Eine großartige und bemerkenswerte Kompostion, welche endlich wieder mal Femininität nach meinem Geschmack auszudrücken vermag – für mich persönlich ein Musthave, in jedem Falle aber ein Musttry würde ich sagen.
In diesem Sinne – einen schönen Tag wünsche ich Euch und liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Foto Toulouse-Lautrec bei der Arbeit / 1890 sowie das fertige Bild „Ball im Moulin Rouge“ – beides via WikiCommons, some rights reserved.
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Liebe Ulrike,
auch mit dieser Rezension hast Du mir den Mund wässrig, bzw. die Nase zum Zucken gebracht. Absinth …. das ist der (Duft)Stoff, dem ich im Moment meine Aufmerksamkeit schenke und damit liegt Moulin Rouge ja mit im Rennen. Zusammen mit den anderen Ingredenzien sicher ein sündiges Erlebnis!
Schönes Wochenende wünscht,
Margot
Liebe Ulrike,
nachdem ich nun in den Genuss des Testens gekommen bin, kan ich Dir nur zustmmen: Chapeau! für diesen excellenten Duft! Deinen Ausdruck „Femininität“ empfinde ich schon fast als zu schwach – Weiblichkeit pur – trifft es meiner Meinung eher. Ein clean-Duft der nicht sauber ist, ein Anti-Duft mit Signatur! Und zwar deshalb, weil er in seiner Basis einfach ein Eigenleben entwickelt, das durchaus als der „Duft der Frauen“ bezeichnet werden kann. Wahrscheinlich war es das, was Jean-Baptiste Genouille in „DAS PARFUM“ gesucht hat und nun in Moulin Rouge verwirklicht wurde!
LG,
Margot
Aaach Margot, das hast Du aber schön gesagt! Schön auch, daß Dein Kommentar nicht unserem Serverumzug zum Opfer gefallen ist – jetzt kann ich endlich auf die Kommentare antworten, die dieser Tage „verschütt“ waren 🙂
Ja, doch, ich empfinde den Moulin Rouge sehr ähnlich wie Du – deshalb darfst Du dich auch auf jeden Fall schon auf die Tuberosen freuen, HdP machen nämlich in atemlosen Tempo weiter mit schönen Düftchen!
Liebe Grüße,
Ulrike.
Liebe Ulrike,
Deine Beschreibung ist absolut zutreffend. Lippenstift! Und weckt Erinnerungen an Verkleiden-Spielen mit meinen Schwestern und Cousinen – eine Gr0ßfamilie hat was für sich – nicht nur ein großer Fundus mit Cocktail- und Hochzeitskleidern von Omas und Müttern, Perlenketten, Federn und natürlich wilde Malversuche… Sondern jede Menge Kichern und Träumen, „wenn wir erst groß sind“ – Ach ja… ein schöner Duft, der schöne Bilder assoziiert.
Christiane
Liebe Christiane,
Theaterfundus und Großmütter… bei mir war es die Tante aus den Staaten, die immer Prinzessinnenkleidchen für mich mitschickte – sehr zum Unbill meiner Eltern 😉
Du hast vollkommen recht mit den Bildern zum Kichern und Träumen 🙂
Liebe Grüße zurück, – Ulrike.