Mazeration …

Was Schnaps, Benzin und ätherische Öle gemeinsam haben, wissen wir mittlerweile… die Destillation, die uns viele Dinge unseres alltäglichen Lebens ermöglicht und selbstverständlich macht und über die ich neulich berichtet hatte. Doch wie bei uns Menschen ist auch Pflanze nicht gleich Pflanze. Es gibt zähe Knochen, dankbar Freundliche, die Kratzbürstigen und zartbesaitete Sensibelchen… Die florale Gesellschaft ist individualistisch und manchmal fast schon menschlich. Und jeder, der schon einmal im Besitz eines Ficus benjamini war (im Volksmund auch Birkenfeige genannt) weiss, was ich meine. Dreht man diesen laubigen Gesellen, nachdem er sich einige Zeit an einem Platz im Zimmer eingelebt hat, auch nur ein wenig zu Seite (oder stellt ihn gar um), verliert er aber auch mit fast unglaublicher Sicherheit in den nächsten Tagen tödlich beleidigt beinahe alle Blätter. Da ich von Freunden ähnliche Erfahrungsberichte gehört habe, gehe ich davon aus, dass mein Exemplar auf der Sensibilitätsskala von Birkenfeigen noch im absoluten Normbereich einzustufen ist.

Und auch wenn mir jeder Fachmann erzählt, dass Pflanzen und Tiere kein Gewissen kennen und auch kein Ich-Bewusstsein, bin ich mir da nach so mancher Protestaktionen und Unmutsbekundung seitens meiner zahlreichen Zimmerpflanzen wie auch nach so manch beleidigtem, empörtem oder auch schuldbewussten Blick meiner Katze oder meines Hundes nicht mehr so ganz sicher. Wobei zugegebenermaßen Gewissen oder Ich-Bewusstsein bei Pflanzen wohl etwas zu hoch gegriffen ist, aber zumindest können sie eindeutig auf meine Taten reagieren und mir auf stumme Art und Weise mitteilen, ob sie etwas mögen oder nicht – stummer Protest auf der Basis von Actio und Reactio. Schön, dass ich hier auch meinen (ungeliebten) Physikunterricht mit ins Spiel bringen kann! 😉

labDen unterschiedlichen Gemütern von Pflanzen sei es auch geschuldet, dass es verschiedene Methoden gibt, um Duftstoffe aus diesen zu gewinnen. Die Destillation ist etwas für die Normalos unter den Pflanzen. Eine Variante der sanfteren Entlockung der wertvollen Duftfracht ist die Mazeration. Darunter versteht man im Allgemeinen, dass eine Substanz oder ein Rohstoff in einer Flüssigkeit wie Wasser, Öl oder Alkohol eingeweicht wird. Diese Flüssigkeit dient bei der Mazeration als Lösungsmittel und wäscht bestimmte Inhaltsstoffe aus der eingelegten Substanz aus. Normalerweise geschieht dieser Prozess bei Raumtemperatur, es gibt aber auch Varianten unter Wärmezufuhr. Das Wort stammt aus dem Lateinischen („macerare“ = „einweichen“). Aus der Biologie kenne ich die Mazeration als Zerfallsprozess von Zellverbänden, sprich Geweben, in ihre einzelnen Bestandteile, die Zellen. Wenn das passiert wird zum Beispiel ein Apfel mehlig. Mazeriert wird auch bei der Herstellung von Skelettpräparaten, die wir alle aus Naturkundemuseen kennen.

Tja, und eben auch in der Duftstoffgewinnung finden wir die Mazeration, hier aber eine Variante mit Wärmezufuhr. Hier werden als Lösungsmittel fette Öle oder geschmolzene Fette verwendet. Die Blüten werden in kleinen Säckchen in die Öle gehängt oder direkt hinein gegeben. Bis die gewünschte Duftstoffkonzentration des Öls erreicht ist, müssen die Blüten immer wieder erneuert werden. Die Einwirktemperatur der Blüten beträgt zwischen 50 und 70 C°. Die schließlich gewonnenen, mit den jeweiligen Duftstoffen angereicherten Fette werden Pomaden genannt. Aus ihnen können die ätherischen Öle mittels Alkohol extrahiert werden.

jasminDie Methode der Mazeration wurde früher hauptsächlich in Südfrankreich angewandt. Heute wird sie kaum noch praktiziert. Ebenso wenig wie ihre große Schwester, die Enfleurage. Deren Prinzip ist dem der Mazeration ähnlich. Allerdings wird hier keine Wärme zugeführt und die verwendeten Fette sind zumeist tierischen Ursprungs. Das Fett wird auf Glasplatten gestrichen und die Blüten darauf verteilt. Fast täglich müssen sie erneuert werden, bis das Fett die gewünschte Duftstoffkonzentration enthält. Insgesamt benötigt man unglaubliche 2,5 kg Blüten für 1 kg Fett. Die mit dem Duftstoff angereicherten Pomaden wurden früher meist direkt verwendet, später extrahierte man die ätherischen Blütenöle wie bei der Mazeration mit Alkohol.

Wie schon erwähnt, gehören sowohl die Mazeration als auch die Enfleurage der alten Schule an. In den vergangenen Jahren hielten schnellere, effektivere und unaufwendigere Verfahren in der Duftstoffgewinnung den Einzug. Über diese modernen Methoden werde ich Euch in den nächsten Wochen berichten.

Gibt es bei Euch sonst irgendwelche Wunschthemen? Wolltet Ihr schon immer einmal etwas über bestimmte Duftnoten oder Pflanzen wissen? Nur heraus damit! Keine Scheu! Ich beiße nicht 😉

Einen guten Start in die Woche wünscht Euch

Eure Stefanie.

Bildquelle: More Jasmin Opening von David Stern, Lab von Thier Aquino via stockxchng – vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

3 Kommentare

  1. Frances
    3. Januar 2012
    Antworten

    Hey 🙂
    Ich mache eine Endarbeit über die Geschichte des Parfums von ihren Anfängen bis heute. Deine Erklärung zur Mazeration hat mir wirklich super geholfen!! 🙂 Vielen vielen Dank. Du weißt nicht zufällig wie der Verlauf der Geschichte des Parfums in der Antike war. Ich finde überall nur verschiedene Sachen, würde mich über eine Antwort freuen. Danke !! 🙂

  2. Harmen
    4. Januar 2012
    Antworten

    Hallo Frances, Deine Mitteilung habe ich an Steffi weitergeleitet. Schick uns doch mal Deine Arbeit, wenn sie fertig ist 🙂 Viel Erfolg!
    Harmen

  3. Avatar-Foto
    Ulrike
    4. Januar 2012
    Antworten

    Hallo lieber Frances,

    ich bin zwar nicht Steffi, antworte aber trotzdem mal 🙂
    Gute Nachschlagewerke zum Thema Parfum sind:
    Renate Lohse-Jasper: „Parfum: Eine sinnliche Kulturgeschichte“
    Mandy Aftel: „Essence & Alchemy: A Natural History of Perfume“ (gab es auch auf Deutsch, scheint vergriffen zu sein – evtl. Bibliothek?)
    Luca Turin: „The Secret of Scent“ (im weiteren Sinne geeignet)

    Und dann wäre da noch der H&R (Haarmann&Reimer) Duftatlas aus den 80ern zu empfehlen, vor allem Band No. 1. Antiquarisch sind sie noch erhältlich (siehe über Eurobuch, Booklooker, Abebooks oder ZVAB) oder eben über Amazon Z-Books. Autoren sind Lothar F. Kümper und Karl-Heinz Schmid.

    Dort dürftest Du Antworten auf all Deine Fragen finden. Darüber hinaus müsste sich diese Literatur auch als zitierfähig erweisen – kompetent genug sind die Quellen: Aftelier ist Parfumeurin, Luca Turin einer DER Duftkritiker weltweit und studierter Chemiker, Lohse-Jasper hat Kunst und Pädagogik studiert und sich im journalistischen Bereich an Düften „festgebissen“ und Haarmann & Reimer waren ein großer Aromastoffhersteller, bis sie mit Dragoco zu Symrise, einem der jetzigen Branchenriesen, fusionierten.

    Viel Erfolg!

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

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