… beschäftigen uns noch weitere Tage: Seine Essence Collection umfasst zehn Düfte, wie ich gestern bereits erwähnte – zwei aus der Wood-Ecke harren noch einer Rezension, Lignum Vitae Forte und Civette Intense.
Googelt man Sven Pritzkoleit, findet man noch keine Massen an Artikeln über ihn geschweige denn Rezensionen seiner Düfte … Ich habe den Test gemacht: Die Volksstimme (zum Bauer-Verlag gehörende Tageszeitung seiner Heimat) berichtete über ihn genauso wie die Deutsche Apothekerzeitung, ein für mich neues Duftblog namens Take One Thing Off nannte sein Veilchen in der Best-Of-Liste neuer Düfte diesen April in einem Artikel, bei Fragrantica gibt es einiges, auch und vor allem dank Miguel Matos. Herr Turin hat sich, wie ich schon angeführt hatte, auch mit den Düften beschäftigt und Fragrance Daily hat auch einen aktuellen Artikel zu einem Teil der Kollektion in petto, seht hier. Sven Pritzkoleit listet selbst noch einige Rezensionen und Rezensenten auf seiner Webseite – hier könnt Ihr stöbern. Ein Buch hat er ebenfalls geschrieben über seine Geschichte, seinen Weg zum Duft, seinen Weg in die Welt der Parfums – Duftspuren, Ihr könnt es unter anderem direkt über seine Webseite bestellen. Dort findet sich auch folgende kurze Beschreibung seines duftenden Werdegangs:
„Die Vergangenheit holt uns ein, die Erinnerungen an den Geschmack und Geruch unserer Kindheit – geprägt von der Küche meiner Großmutter, die ohne ihren Garten nicht leben konnte, und erinnert an den Duft von MAGIE NOIRE von Lancome, den meine Mutter an besonderen Tagen trug. Zu jeder Zeit meiner Kindheit und Jugend war ich mehr den Künsten verbunden, trotzdem studierte ich schließlich Pharmazie und wurde Apotheker in der elterlichen Apotheke, wo ich 18 Jahre arbeitete. Mehr als 20 Jahre beschäftige ich mich bereits mit der faszinierenden Welt der Riechstoffe, tudierte einschlägige Fachbücher, bis ich damit begann, eigene Düfte zu komponieren. Zwischen Tradition und Moderne pendelt PINK PATCHOULI, mein erstes Parfüm, von 2006. In den Folgejahren entstanden mehr als 200 Formeln, von denen ich Ihnen in der ESSENTIAL COLLECTION meine Lieblinge vorstellen darf. Jedes der 10 ESSENTIAL SP PARFUMS wird von mir in kleiner Auflage in Manufaktur mit höchsten Ansprüchen an die Qualität der verwendeten Rohstoffe hergestellt. Jedes der 10 ESSENTIALs ist in einem eleganten 30 ml Sprayflakon, versehen mit einem von mir handbeschrifteten Apothekenetikett – und auch die Kartonage, die früher der Aufbewahrung von Tees und Kräutern diente, erinnert an meine Herkunft und auch ein bisschen an die „guten alten Zeiten“.“
Seine Motivation, seinen Zugang zu Düften, seine Sicht auf Parfums finde ich sehr sehr schön:
„Home is, where the perfume is. That déjà-vue‘s our childhood‘s scents and memories and the deepest parts of our dreams, instincts and soul –
I hope, we will find that perfume …“
Beginnen werde ich heute mit Lignum Vitae Forte, der von Turin als „very interesting take on sweet earthiness“ bezeichnet und besonders hervorgehoben wird. Sven Pritzkoleit beschreibt seinen Duft mit folgenden Worten:
„Old fashioned barbershop-accord, strong and pure masculine – very fougere! Earthy, woody and ambery – Patchouli-nagarmotha-ciste-guaiacwood, hints of narde, sandalwood, rosewood and some shades of leather and musk.“
Fragrance Daily liefert in oben bereits verlinktem Artikel eine Kurzrezension zum Duft:
„This is yet another strong and potent extract de perfume by SP. It is described as a strong masculine vintage barbershop Fougere. When you smell it there are many impressions like rain, wet granite, rich earth soil, leather and the combined smell of all following a mid spring rain shower. With all these impressions something about Lignum Vitae Forte is very comforting. I think it is the patchouli, rosewood, nardus and musk. Together it produces a pleasant grainy sweet smell that won’t go away. This is a good thing. Rounding out the rest are Guaiacwood, Sandalwood and cite. It has a vintage feel at first but settles down into something comforting later. Just add a sweet smelling musk powder note. Another good one by SP.“
Miguel Matos skizziert bei Fragrantica selbstredend auch seine Impressionen beim Schnuppern und Testen:
„Sven says that this is a classic fougère. I don’t smell that. It’s a very masculine perfume, yes. But it has a touch of something like tuberose with its eucalyptus effect that works with the balsamic ingredients and turns into something like naphthalene and vetiver. It seems to be a smell that comes from the hot forest and enters into an abandoned clothing factory. In the end there is an old church so it should have myrrh in the composition. And my imagination is giving me oud …“
Einen zu 200% klassischen Fougère sehe ich auch nicht in Lignum Vitae. Maskulin ist er, und in einem Barbershop würde er sich ebenfalls perfekt machen, keine Frage. Trotzdem sehe ich in diesem Vollblutmann auch einen Duft, der von uns Frauen durchaus okkupiert werden kann – er hat eine definitiv männliche Ausstrahlung, kann aber auch, im Gegensatz zu manchen Kandidaten wie beispielsweise Knizes Ten, durchaus von der geeigneten und geneigten „Dame“ getragen werden (die, zugegeben, vielleicht etwas weniger Dame sein sollte ;)).
Ich nehme am Anfang eine Art Lakritznote wahr, bei der eukalyptusartige Anklänge mitschwingen und auf angenehme Art und Weise wabernd überleiten hin zu … Hölzern. Wald. Regen. Regennasser Erde. Einen Hauch Myrrhe meine ich auch zu entdecken, darüber hinaus geht es größtenteils feucht zu – feuchtes Holz, feuchte Nadeln, feuchte Borke und feuchte Erde, mächtig, kontemplativ, majestätisch. Vetiver salzt und grast subtil im Hintergrund, immer wieder durchscheinend, darüber hinaus zeigt sich auch die Sonne schon wieder, die balsamisch-harzig wärmt. Die Assoziation Miguels hinsichtlich einer alten Kleiderfabrik kann ich insofern teilen, dass auch ich hier ein altes verlassenes Gemäuer – einer jener Lost Places vielleicht, denen sich Fotografen mit Freuden annehmen – wahrnehme, Stein, zum Teil ebenfalls feucht, zum Teil sonnengewärmt, staubig, schon lange vergessen und von harzigen Nebelschwaden eingehüllt sowie eine Prise Leder atmend.
Lignum Vitae ist ein Duft“monster“, genauso wie seine bisher vorgestellten Duftgeschwister: Ein extrem komplexer Duft mit einem deutlichen Vintagecharakter, aber dennoch zeitgemäß umgesetzt. Auch er verfügt über eine unglaubliche Sillage und … ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen den Mut hätten, solche Düfte herzustellen, dass mehr Menschen den Mut hätten, solche Düfte zu tragen. Parfum darf meiner Meinung nach nämlich „knallen“: Sich bis zur Unkenntlichkeit und Austauschbarkeit zurücknehmende gefällige Düfte gibt es wahrlich schon genug und für mich sollte das Motto eines Parfums auch ein anderes sein. Gleichklang im Sinne von Mediokrität findet man bei Sven Pritzkoleit nicht, gar nicht – und das ist perfekt so.
Einen schönen Abend meine Lieben und viele Grüße,
Eure Ulrike
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