Maison Martin Margiela – Teil 2: Flower Market, Promenade in the Gardens und Jazz Club

Weiter im Text geht es heute mit der Replica-Kollektion von Maison Margiela: Flower Market, Promenade in the Gardens und Jazz Club sind Thema.

Flower Market, kreiert von Altmeister Jacques Cavallier-Belletrud zusammen mit Marie Salamagne, ist unser zweiter Kandidat aus der Replica-Kollektion und wartet mit folgenden Duftnoten auf: Kopfnote: Freesie, Blattgrün; Herznote: Jasmin, Tuberose, Rose; Basisnote: Pfirsich, Zedernholz, Eichenmoos.

„Nostalgisch, authentisch, antik.

Paris, 2011 – frische Schnittblumen, taufeuchte Blütenblätter, Eimer und Tontöpfe voller Wasser, zerknitterte Blätter auf dem Boden, unzählige Blumenkompositionen …

Maison Martin Margiela fängt die raffinierten Gerüche eines Blumenmarktes ein. Das Pendant zur grünen Frische der abgeschnittenen Stängel bildet die Sinnlichkeit eines blumigen Akkords. Die transparenten Noten der Freesie und der taubedeckten Rosenblätter aus Grasse werden eingehüllt von den cremigeren Noten des Arabischen Jasmins und der Nachthyazinthe.

„Dieses Bouquet ist strukturiert“, erklärt Jacques Cavallier-Belletrud. „Eine Harmonie, in der keine Blüte eine andere überragt und hinter der sich ein Hauch Zedernholz und Moos verstecken.“ Wie ein Spaziergang über einen Blumenmarkt, geprägt von einer ebenso unvermittelten wie raffinierten Natur.

„Flower Market“ erinnert an frisch geschnittene Blumen. Feuchte Blumenblätter und abgerissene Stängel. Wasser unter deinen Füßen, Plastikfolie in deinen Händen und an einen duftenden Blumenstrauß.“

Ein Blumenmarkt in Paris – wer denkt da auch an Jeunets Fabelhafte Welt der Amélie, an Woody Allens Midnight in Paris und vielleicht auch an Scorseses Hugo Cabret?

Szene aus „Hugo Cabret“ (2012)

Flowermarket ist genauso „old school“ (nicht old fashioned!) wie der wunderbare Blumenmarkt in Scorseses wunderbare Meisterwerk Hugo: Die Komposition zeigt einen wunderschönen Vintagecharakter, der dennoch spielend den Spagat meistert, gleichermaßen retro wie zeitgemäß zu wirken. An meinem Handgelenk schnuppernd habe ich das Gefühl mitten hinein in dieses große, durch die antiken Fenster der Bahnhofshalle von der Sonne beschienene sepia-angehauchte Blumenmeer zu fallen, weich aufgefangen von Hunderten, Tausenden betörend duftender Blüten in pastelligen Farben. Nix Plastikfolie, sondern unzählige Blüten verschiedenster Arten, cremig, nektar-süß, pudrig und wässrig-floral anmutend, von zartem Grün umrankt, das fragil wirkt und zart und mich an Schleierkraut erinnert als auch an den leisen Geruch frisch angeschnittener Blumen.

Flowermarket ist herrlich – und alles andere als ein schweres, vielleicht gar madamiges Bouquet. Ein frischer und leichtfüßiger, dennoch über die Maßen floraler Duft, sinnlich und verträumt. Chapeau!

Wenn wir schon bei Blumen sind, lassen wir uns doch gleich entführen und lustwandeln im Park – Promenade in the Gardens: Kreiert von Carlos Benaïm erwarten uns dort folgende Pflänzchen: Kopfnote: Koriander, Freesie, Grüne Noten; Herznote: Pfingstrose, Türkische Rose, Jasmin; Basisnote: Patchouli, Sandelholz, Vetiver.

„The romanticism of English gardens, where wanderers can lose themselves in the fresh green glades, or come around the organised chaos of an outcrop to find themselves suddenly surrounded by a bouquet of floral notes.“

Ein floraler Chypre soll er sein, Promenade in the Gardens, der sich an der Weiblichkeit der türkischen Rose orientiert und seine Inspirationsquelle in englischen Gärten gefunden hat. Von Romantik ist da die Rede, ergo haben wir es nicht mit einem „englischen Rasen“ zu tun, der milimetergenau gestutzt ist und eine ganz und gar artifizielle Kiste ist … Deshalb musste ich spontan an einen Garten denken, den ich noch nie besucht habe, der mir allerdings schon mehrfach im Netz begegnet ist und der etwas Besonderes zu sein scheint innerhalb der englischen Gartenlandschaft – The Lost Gardens of Heligan in Cornwall.

Heligan ist ein vielfach preisgekrönter Garten mit verschiedenen Bereichen, einem Nutzgartenanteil, den romantischen „Pleasure Grounds“ sowie dem „Jungle“. Im Netz finden sich vor allem aber Aufnahmen der Pflanzen- oder besser Grasskulpturen, vor allem einer liegenden Frau. Und ein wenig auch an die Gemälde des Präraffaeliten Edward Burne-Jones, die verträumten.

Promenade in the Gardens ist ein minimalistischer Duft, der gleichwohl mit seiner Simplizität verführt: Eine schöne und anmutige Rose samtig-seidiger Natur, taubenetzt und in strahlendem Dunkelrot-Ro?e, der von Patchouli Tiefe verliehen wird und Bodenhaftung, ohne dass sich unser Gruftigeselle als einzelne Ingredienz in den Vordergrund drängt. Er zeichnet lediglich weich, der Patchouli, setzt die Rose in Szene, die würzige Wärme von Sandelholz erfährt. Der Duft gleitet feminin und sinnlich über die Haut, zeigt eine leise Süße und malt Anmutungen von Tau, kreiert zartes, aber präsentes Dunkelgrün, weich dahinfließend im Hintergrund wie Pinselstriche eines Aquarells. Ein paar Gräser, ein Quentchen Cremigkeit und sachte Anklänge von Pfingstrose vervollkommnen das florale Vergnügen, das gleichzeitig dank seines chyprierten Charakters Rückgrat zeigt als auch Sanftheit ausstrahlt. Auch das Flanieren in Gärten kann man dem Maison Martin Margiela getrost überlassen – ein weiterer Schönling, ich bin mehr als angetan!

Die schlafende Frau aus Heligan – Bild via Pixabay

The Lost Gardens of Heligan – copyright reserved.

Denn, das muss ich an dieser Stelle zugeben – ich hatte etwas den Überblick verloren. Den Signatur (untitled) habe ich noch getestet und für gut befunden, die ersten Replicas habe ich mal im Vorbeigehen getestet, danach bin ich leider ohne Grund ausgestiegen – es hat sich für mich jetzt schon gelohnt, diese Kollektion erneut einer ernsthaften Betrachtung zu unterziehen, für mich sind in der Tat jetzt schon mindestens zwei Kaufkandidaten dabei.

Jazz Club, unsere Nummer Drei heute, könnte mir ebenso gefährlich werden, wie mir scheint – dazu genügt mir bereits ein Blick auf die Ingredienzen: Kopfnote: Zitrone, Rosa Pfeffer, Neroli; Herznote: Salbei, Rum, Vetiver; Basisnote: Styraxharz, Tabakblätter, Vanille.

Aliénor Massenet war hier an den Phiolen und hat sich folgende Szenerie vorgestellt:

„Die intime Atmosphäre eines Privatclubs. Schicke Cocktails und honig-holzige Noten von Zigarrenboxen. Köstlicher Rum umhüllt von Tabak. Ein Salbei-Vetiver-Duo trifft auf lebendige Zitrone und Neroli.“

Liest sich schick, oder nicht? Ich habe ja eine Schwäche für Rauchwaren und edle Spirituosen als Genußmittel, in Düften auf jeden Fall, als Konsumartikel bisweilen ebenfalls. Mal sehen, ob Jazz Club zu einer neuen (Sehn)Sucht wird …

„The tradition has been immortalised through the generations, handing down the address of this Brooklyn jazz club. An anthology of classic notes and coppery tones, between deep armchairs and a handful of bar stools, with subdued lighting reflected on the piano where cocktails linger, wafting their liquory notes.“

Die Bernsteinfarbe des Duftes passt perfekt – sowohl zu den angesprochenen Alkoholika als auch zu dem Charakter des Duftes, der jener Baratmosphäre wunderbar Tribut zollt. Der Jazz Club hier ist keine Edward Hoppersche Nighthawks-Bar, die die Anonymität der Großstadt und die Einsamkeit ihrer Bewohner widerspiegelt, wir haben es hier mit pulsierendem (Nacht)Leben zu tun, das vielfältige Eindrücke beschert: Hochprozentiges in samtig-brauner Tönung, Rum vielleicht oder ein guter Whisky, weht mir in die Nase, honiglich-holzig und mit einem Hauch Kokos und Lakritze, die, wie ich später feststelle, dem Zusammenspiel von Salbei und Vanille anzurechnen sind. Je tiefer mein Näschen im Duft versinkt, desto mehr fühle ich mich in die Clubsofas – vielleicht Chesterfield? – zurücksinken. Loungemusik im Hintergrund, die Schwaden von aromatisiertem Tabak, der mitunter leise Noten von Trockenfrüchten anklingen lässt. Und trotzdem, Jazz Club überrennt einen nicht, den ihm wohnt eine gewisse dumpfe (positiv!) Frische inne, die ich allerdings auf meiner Haut beim besten Willen nicht als zitrisch identifizieren kann. Und, nicht angegeben, aber definitiv vorhanden bei mir: eine anschmiegsame Wildledernote in sattem Rehbraun. Die Loungesofas vielleicht?

Jazz Club macht richtig viel Spaß, ist ein charakteristischer, aber dennoch gefälliger Geselle, der zwar als Herrenduft deklariert ist, aber sicherlich auch einige Damen als Trägerinnen finden wird.

Morgen geht es weiter mit Maison Martin Margiela – ich freue mich schon richtig, nachdem mir die Replica-Kollektion bisher ausnehmen gut gefallen hat!

Herzlichst,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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