Eifrige Dufttagebuch-Leser werden sich sicher erinnern, dass ich mir Ende letzten Jahres die vier Düfte der neuen Portraits-Kollektion von Penhaligon’s unter das Näschen gehalten habe. Die Kollektion ist einer imaginären Familie aus der Londoner High Society gewidmet. Jeder Duft steht für ein Familienmitglied, hinter dem sich eine amüsante bis britisch-makabre Story verbirgt. Diese Persönlichkeiten und ihre Geschichten haben mich bereits beim letzten Probeschnuppern mehr als entzückt. Da war zuallererst die intrigante Lady Blanche, die ihren lüsternen Ehemann mit einem raffitückischen Plan mittels Mord loswerden wollte. Dann eben jener Ehegatte Lord George mit dem Hobby des außerehelichen Beischlafs und der Neigung zu Hochprozentigem und Nikotinhaltigem. Als dritter Duft kam die Tochter Duchess Rose an die Reihe, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Diese brachte ihr zwar den Adelstitel der Herzogin ein, erfüllt sie aber keineswegs und so flüchtet sie sich (ganz der Papa) in das ein oder andere Abenteuer. Last but not least, der angeheiratete Duke Nelson, dessen Exzentrik und Kauzigkeit kaum zu überbieten ist.
Zu diesen Vieren gesellen sich nur die zwei neuen Kreationen Clandestine Clara und Roaring Radcliff. Die Familiengeschichte erhält zwei weitere Fäden, die in sie eingesponnen werden. Diese beiden verleihen dem ohnehin schon spannenden Stoff eine neue Brisanz, sodass er beinahe schon seifenoperähnliche Züge annimmt. Super, jetzt hab ich auch schon den passenden Ohrwurm dazu … Forbidden love, goes straight to my heart … 😆
Penhaligon’s Portraits: Clandestine Clara
Die geheime Clara, so die deutsche Übersetzung, ist niemand Geringeres als die heimliche Geliebte von Lord George. Die Familiengeschichte wird also in eine interessante Richtung erweitert. So plaudert Penhaligon’s recht indiskret aus dem Nähkästchen:
Zärtlich ist die Nacht für Lord George und seine Geliebte — und manchmal auch der Nachmittag. Sein süßes Ding, sein tanzendes Vergnügen, seine Honigbiene: Clara, geheim (engl. „clandestine“) aus gutem Grund. Wenn Clara nicht gerade schnurrt wie ein Kätzchen, findet man sie hinter dem Steuer eines Wagens, oder rauchend, oder diskutierend oder bei der Arbeit. Das gehört sich nun wirklich nicht für eine Lady! Zum Glück ist sie keine!
Auch über den Duft selbst verliert das britische Traditionsklatschblatt, äh, -dufthaus ein paar Worte:
Schüchtern ist nun wirklich etwas anderes! Ein selbstbewusster Duft — nichts für Anfängerinnen. Ein Duft wie die sanfteste, himmlischste und ewig anhaltende Umarmung. Ein Feuersturm an Zärtlichkeiten, eine Symphonie auf der Haut, die Behaglichkeit eines warmen Beins, das sich in der Nacht an einen schmiegt. Sinnlich, ohne erdrückend zu sein, feminin ohne mädchenhaft zu sein, emanzipiert, ohne streng zu sein. Extrovertiert, liebenswert und einnehmend, köstlich — alles auf einmal. Was gibt es daran nicht zu mögen?
Clandestine Clara stammt aus der kreativen Feder von Sophie Labbé und enthält die Duftnoten Vanille, Rum, Zimt, Moschus, Ambra und Patchouli. Mal sehen, wie heimlich die Geliebte beim Hauttest ausfällt. Frisch aufgesprüht zeigen sich auf meiner Haut sofort warm-sinnliche Vanille und Ambra, die wohl ein wenig zu tief ins Glas geschaut haben müssen. Die deutlichen Rumnoten lassen sich kaum verbergen, verschwinden aber recht schnell wieder. Dafür taucht nun der Patchouli auf, der dem wohlig-warmen Vanille-Ambra-Rum-Gemisch seinen typisch erdig-herben Holzstempel aufdrückt. Dies ist aber keineswegs negativ gemeint, denn dadurch erhält Clandestine Clara Ecken und Kanten, wird interessanter, weniger ladylike. Die kutane Geliebte ist warm und weich wie ein gerade verlassenes Bett, dunkel und leicht rauchig wie die Zigarette danach im Schummerlicht. Eine wirklich spannende Mischung und m. E. sehr treffend formuliert. 😉
Auch der Testreifen beginnt feucht-fröhlich mit einem großen Glas Rum. Hier steht der hochprozentige Zuckerrohrschnaps erst einmal eine ganze Zeit lang alleine da, bevor sich ganz langsam und subtil Patchouli und Ambra zu ihm gesellen. Auch eine sanfte Vanillenote zeigt sich nach und nach. Der Duft bleibt auf dem Papier aber viel heller, transparenter und gefälliger als auf meiner Haut.
Penhaligon’s Portraits: Roaring Radcliff
Der zweite Neuling ist Roaring Radcliff, dessen Zügellosigkeit und Genusssucht nicht von ungefähr kommt: Der gröhlende Radcliff ist nämlich kein Geringerer als der bei einem Seitensprungabenteuer entstandene, leibliche Sohn von Lord George. Wenn das Lady Blanche wüsste, wäre der nächste Tee des Gatten sicherlich vergiftet. In meinem Kopf schallt unaufhörlich: Forbidden love, goes straight to my heart! Ob sich Penhaligon’s wohl von dieser deutschen Vorabendserie hat inspirieren lassen, die sich ja auch in den hochwohlgeborenen Kreisen der von Lahnsteins und von Anstettens aufzuhalten pflegte und die mit dem ein oder anderen Skandälchen aufwarten konnte? 😛
Penhaligon’s selbst verrät nur so viel über Radcliff Schnee:
Roaring Radcliff ist ruhmreich und zügellos. Einige würden sagen berechtigterweise, aber wenn sie sich da mal nicht irren. Der geheime Sohn von Lord George — einige würden sagen „unehelich“ (aber das hört sich so harsch an) — versteht etwas vom Genuss. Vergnügen ohne Verantwortung, Freiheit ohne Erwartungen, Privilegien ohne die Last eines Titels, Geld ohne Verpflichtungen. Schnelle Autos und noch schnellere Frauen. Radcliff hat all das. Bis zu jenem Tag, an dem er nichts mehr haben wird. Und bis dahin? Hat jemand Lust auf eine Runde Poker?
Ob wohl auch sein Duft so protzig ist wie er selbst?
Unwiderstehlich dekadent. Extrovertierte Persönlichkeiten können ebenso faszinierend sein. Tiefe Nächte haben ihren ganz eigenen Duft. Wenn Freiheit etwas Provokantes besitzt und die Party auf den Höhepunkt zusteuert, dann entfaltet sich der warme, sanfte und aromatische Duft von honigsüßem Tabak — sexy, verlockend, unwiderstehlich. Ein Duft, der das Vergnügen anlockt und der seinen ganz eigenen Kopf hat. Den Moment zu leben, erfordert einen gewissen Mut — und Hingabe ist sowieso immer von Vorteil. Sind wir nicht alle mehr oder weniger willige Studenten auf der Schule namens Leben?
Wer bei diesen Worten denkt, dass Roaring Radcliff aus Myriaden von Duftnoten besteht, hat weit gefehlt. Die Kreation von Daphné Bugey enthält Rum, Tabak und Lebkuchen. That’s it! So startet der gröhlende Radcliff auf meiner Haut überraschend sanft mit transparenten Tabaknoten, die mit einer leichten Würzigkeit unterlegt sind. Dezente Honignoten verleihen dem Duft eine gewisse Süße, ohne ihn wirklich süß zu machen. Roaring Radcliff strahlt auf meiner Haut eine kontemplative Ruhe aus, die ich nicht erwartet hätte. Ein sehr leichter und luftiger Duft mit einer leckeren Tabak-Honig-Note.
Auf dem Papier beginnt Roaring Radcliff herber und maskuliner als auf meiner Haut. Der Tabak ist hier deutlich aromatischer, dunkler, besitzt aber dennoch diese überraschende Transparenz und Luftigkeit. Die Gewürznoten sind auf dem Teststreifen, ebenso wie der Rum, kaum einzeln wahrnehmbar, so sehr verschmelzen sie mit dem Tabak.
Resümee
Die zwei neuen Düfte Clandestine Clara und Roaring Radcliff setzen in dem Drehbuch um die Familiensaga aus dem Hause Penhaligon’s nicht nur olfaktorisch neue Akzente. Wie schon die vier Vorgängerdüfte sind auch die Flakons dieser beiden mit Tierköpfen versehen und damit echte Hingucker. Den Flakon von Clandestine Clara schmückt ein stolzer Pfauenkopf, während Roaring Radcliff mit einem Löwenhaupt versehen ist.
Die heimliche Geliebte Clandestine Clara gefällt mir beim Hauttest außerordentlich gut. Er ist fein ausbalanciert und absolut harmonisch, besitzt aber dennoch Charakter. Der uneheliche Sohnemann Roaring Radcliff dagegen überrascht mich komplett. Der Duft ist sehr leicht und von einer transparenten Luftigkeit geprägt. Mit seiner dezenten Mischung aus Tabak und Honig ist er meiner Meinung nach für beiderlei Geschlecht geeignet. Probiert ihn auf jeden Fall aus. Mich würde interessieren, wie er bei Euch ausfällt. 🙂
Liebe Grüße
Steffi
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