… auf die Fahnen geschrieben: NO±SUEDE und XX±LATEX heißen die Kandidaten der Kollektion, denen wir uns heute annehmen werden!
Gestern hatte ich bereits eine erste Vorstellung von UÈRMÌ begonnen, der italienischen Duftkollektion, die sich thematisch ebenfalls etwas widmet, das wir wie Parfum auf der bloßen Haut tragen – Stoffen.
NO±SUEDE macht den Anfang, von Antoine Lie kreiert:
„The charm of a woman’s long gloves, the driving gloves of a man on a sporty car… in suede, of course. Unmistakable to the touch, made unique by its peculiar scent also. This ‘nose’ has a daring soul, able to create olfactory compositions out of the ordinary.“
UÈRMÌ zitieren Marika Vecchiattini von Bergamotto e Benzoino zum Duft:
„NO Suede stars a beautiful leather note, modern and voluptuous. Alongside, saffron, guaiac wood, incense, animal notes and synthetic woods (which in recent years have become very trendy), strengthen the backbone and give it a dark tone, warm and smoky. In the background, an alcoholic direction suggests an evening out with classy Harley riders. It’s a sound and exuberant fragrance, notably for the wealth of nuances that round up and complement each other nicefully; the suede feels soft and elegant, very comfortable, with a “rogue” tip reminding me of Johnny Depp playing the pirate. If it were a Lady, It’d be Selma Hayek all dressed in black leather. It lasts several hours, in the drydown it lowers its tone, becoming more discreet and even more seductive.“
Wenn ich an Wildleder denke, denke ich so gut wie immer an ein solches, wie es oben abgebildet ist: Handschuhweich und, vor allem – sandfarben.
NO±SUEDE hat für mich, entgegen dem, was Vecchiattini schreibt, rein gar nichts mit Selma Hayek zu tun, weder in schwarzem Leder noch mit Tigerpython um den nackten Hals, wie Tarantino sie in From Dusk Till Dawn inszenierte:
Aber … der Sexappeal, der dürfte ähnlich sein! Denn jenen „Rogue-Tip“ erkenne ich auch: Er versteckt sich hinter dem butterweichen, in der Tat sandfarbenen Wildleder, und zwar in Form einer latent-animalischen Note, die unter anderem dem Safran zu verdanken ist. Ein Safranleder haben wir hier nämlich, ein trockenes, würzig-weiches, mit einem Hauch weihrauchigem Rebellentum, das Johnny Depp für mich schon lange nicht mehr verkörpert, leider.
Aufgrund der prägnanten Ledernote könnte der eine oder andere tatsächlich an Glattleder denken – wenn, dann haben wir es allerdings mit einem zu tun, dass modisch adäquat in Szene gesetzt und mit etwas „Gefälligerem“ kontrastiert wäre, vielleicht so:
Allerdings macht sich NO±SUEDE, da bin ich sicher, auf männlicher Haut mindestens ebenso gut!
XX±LATEX ist eine Hommage an ein Material, mit dem viele vermutlich (bisher?) wenig Bekanntschaft gemacht haben und dem immer etwas Verruchtes anhaftet – Antoine Lie hat auch dieses „Stöffchen“ olfaktorisch umgesetzt:
„Not a fabric but a material that’s almost like a ‘liquid skin’, latex is a exquisitely surreal association to a playful, ironic erotism. This fragrance is a lighthearted celebration of rare, futuristic molecules that become real on a skin.“
Vecchiattini wird ausführlich zum Duft zitiert:
„The most interesting ozonic/marine scent I’ve ever tried. Antoine Lie is the author of some of the most discussed and controversial fragrances launched in recent years, some of which share an ozonic base recognizably from him. Knowing his previous works I was expecting something challenging and unusual and in fact the starting is actually marine, that is fresh, airy, salty, with a feeling of cleanliness and simplicity – typical of all the fragrances in this family – due to the brilliance of the aldehydes, the freshness of marine notes (they’re white musks) and the pungent feeling of the rose oxide. The contemporary idea of “clean” scents! But while other marine/ozonic fragrances feature aromatic or spicy notes, thus choosing more pungent, fresh or flowery directions, here a strange sweetness emerges, recalling something sensual and weird. It’s a spectacular note of indole, which here is finally celebrated as the olfactory masterpiece it really is. This indolic note, with its decadent charm (it’s the smell of decomposing flowers) stimulates some areas of the brain with a magnetic, irresistible force, commanding you to come closer. Paired to the ozonic feeling, all clean and “harmless”, it gives the composition an unusual and intriguing appeal, like those carnivorous plants attracting insects with their vertigo of sweetness, and then closing on them in a deadly embrace. Or, to put it in a more romantic way, like Richard Gere and Valérie Kaprinski kissing in the pool, in the film “Breathless”.This is without doubts the most sensual and “animal” among all the ozonic scents I’ve ever tried; it starts delicate but acquires intensity and boldness as minutes pass. Unexpected, unlike any other, truly remarkable.“
Latex – Otto Normalverbraucher denkt hier an Dita von Teese, im besten Fall 😉 An Fetischbekleidung, die idealerweise eine gut proportionierte Frau in der für sie vorgesehenen Größe trägt. Nachdem ich in meinen frühen Zwanzigern eine Zeit lang die Garderobenfrau gespielt habe in einem House-Club von Freunden in Stuttgart, der außer der Reihe einmal monatlich eine geradezu berüchtigte Fetish-Party veranstaltete, kann ich Euch aus eigener Anschauung heraus versichern, dass das leider nicht immer der Fall ist … Ein zweischneidiges Schwert ist es also, die Sache mit dem Latex, zumal man oder zumindest ich mich auch unangenehm erinnert fühle an seltsame Spiegel-TV-Dokumentationen an komische Etablissements. Allerdings gibt es Latex tatsächlich nicht nur in diesem Zusammenhang, auch die Grufti-/Gothic-Szene bedient sich gerne jenem Material, oftmals auch ganz ohne irgendwelche sexuellen Anwandlungen damit zu verbinden. So hatte ich damals auch mal einen Latexrock in meinem Besitz – und erinnere mich mit Schrecken an den Aufwand, meinen aufwendigst vorher zu exakt diesem Zweck eingepuderten Körper in diese fiese Pelle zu zwängen. Meine Damen, die Shapewear von heute ist im Vergleich dazu echte Freizeitklamotte!
Soviel also aus dem Nähkästchen, wenden wir uns wieder der olfaktorischen Umsetzung des Kautschuks zu … erster Eindruck: Klebstoff, bäh! Motivation: Dranbleiben, da kommt noch was, ganz bestimmt. Und so ist es auch: Der Klebstoff schwindet genauso schnell wie der Puder, den man sich auf die Haut stäubt, um sich in die Gummigarderobe zu winden. Ja, Gummi ist da, und zwar nicht so dunkel, wie in Menardos legendärem Black für Bulgari, sondern „smooth“, weich und … hell. Die Farbe des Latex ist hier mitnichten Schwarz, sondern vielleicht eher … nudefarben, was mir schon wieder Dita ins Gedächtnis ruft. Die nervig-omnipräsente Westsche Kardashianfrau hat sich ja unlängst auch einmal in einnudefarbenes Latexkleid gezwängt – ein Outfit, das meines Erachtens nach zu Unrecht total verrissen wurde, ich fand es gar nicht mal sooo übel, seht hier.
XX±LATEX ist wahnsinnig faszinierend und ganz bestimmt nicht so kantig und konzeptionell, sprich: kompliziert tragbar, wie man vielleicht vermuten mag. Das trifft auch auf Latex als Material für Kleidungsstücke zu: Die Latex-Designerin der Stars, unter anderem auch die Herstellerin des Kardashian-Kleids von oben, ist Atsuko Kudo. In der Daily Mail hat eine Journalistin den Selbstversuch gewagt – Latex-Couture an einer „ganz normalen“ Frau, funktioniert, für manche sicher überraschend, ziemlich gut, lest hier.
Ich empfinde XX±LATEX nicht als salzig oder klassisch ozonig (… ozonig und klassisch, ich weiß, passt nicht wirklich ;)), dafür aber als luftig, leicht – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber als cremig, skinnig, allerdings auf eine völlig ungewohnte Art und Weise: Jene Latex-Assoziation ist durchgängig wahrnehmbar, eine Gumminote, die, ich bleibe dabei, hell erscheint, nudefarben, weiblich, sinnlich, obgleich Latex an und für sich aufgrund seiner Beschaffenheit eher ein distanzschaffendes Material ist, einerseits. Die andere Seite ist die Hautnähe, die Eigenschaft, als zweite Haut zu fungieren – was nicht nur für den Träger eine gewisse Sinnlichkeit kreiert. Diese inszeniert Lie mit indolischen Akzenten, die wir vor allem von Jasmin kennen. Und genau hier liegt auch der Fokus: Einerseits zeigt sich der Duft luftig und leicht, bisweilen fast harmlos, hat aber eine fast magnetische Ausstrahlung, die das Näschen dicht an die Quelle befördert, die alles andere als unschuldig ist. Indolische Cremigkeit, Sinnlichkeit und Erotik ausstrahlend, und zwar ziemlich geballt.
XX±LATEX gleicht einem Spiel, einem erotischen – einem, dem man gewachsen sein muss, und zwar unabhängig davon, ob man den Duft selbst trägt oder ihn am Gegenüber, dem zweifelsfrei weiblichen wahrnimmt. Außergewöhnlich und ziemlich cool, meine Lieben, für mich definitiv eine Option zur Erweiterung meiner Duftgarderobe!
Einen schönen Samstag noch und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike
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