Meine Lieben – Ihr dürft Euch noch auf einige viele Tage Florenz einstellen, gedanklich. Denn es gibt noch etliches zu erzählen! Fangen wir an, wo wir gestern aufgehört haben – bei Kaon. Kaon ist ein italienischer Vertrieb, der wie viele andere auf der Messe seine Marken „gebündelt“ hat. Für viele „kleinere“ Marken, die nicht über Dutzende eigene Mitarbeiter verfügen, dürfte das ein Segen gewesen sein, da Mitarbeiter von Kaon vor Ort waren und die Eigentümer der Marken somit nicht die komplette Messezeit an ihren Stand „gekettet“ waren. Vergesst nicht – die Temperaturen in der Halle waren wirklich elend. Dafür lockte das hübsche Bistro hinsichtlich Pausengestaltung, seht her:
Ihr werdet gestern vielleicht auf dem Bildchen bereits geschaut haben, welche Marken sich denn da bei Kaon tummelten …
Zuallererst waren da Miller et Bertaux, zumindest deren Düfte, allerdings über die ganze Messezeit hinweg ein wenig verwaist, was ich wirklich schade fand, denn … aufgepasst, ein neuer Duft! Study 23 Newsletter heißt er:
„I remember. The day declines, slowly … A nocturnal fragrance of combined perfumes. Flower petals, incense fumes. On the bodies and faces, orange, pasted rice, saffron. Two young foreigners sitting in lotus, the sacred flower. Their skin looks so white, their hair so long. Mingling with incense, collars of yellow flowers, garland of patchouli leaves, Tibet cedar coals , coming from the waves and the lounge bar of the nearby beach, a techno music throbbing and modern.“
Oh, ich mag diese Idee, ich mag diese Marke, ich mag diesen Duft, der einmal mehr ein solch kontemplativer Schöngeist ist, ein minimalistisches Wunderwerk. Zum deutschen Vertrieb habe ich einen sehr guten Draht, seid Euch also sicher, dass Euch bald eine Rezension „droht“, sobald ich ein Pröbchen habe 😉
Daneben hatten Jul et Mad Quartier bezogen, die seit Jahr und Tag mit ihrer sympathischen Art und ihrer bodenständigen Freundlichkeit entzücken. Es ist mir immer wieder eine Freude, die beiden zu treffen – erst recht natürlich, wenn sie noch dazu einen neuen Duft im Gepäck haben, wie es diesmal der Fall war: Secrets du Paradis Rouge ist sein Name, der Parfumeur ist Luca Maffei. Die Geheimnisse des roten Paradieses – das kann man auch missinterpretieren, was haben wir gelacht! Madalina erzählte mir von … ihrem Vater oder ihrem Schwiegervater, der schon Befürchtungen hegte, die beiden seien zu den Marxisten/Leninisten übergelaufen. Dabei bezieht sich der Name auf ein ganz anderes rotes Paradies, das schon viele Künstler inspirierte – die Stadt Marrakesch:
„The Red City, Marrakesh, the magnificent former Imperial city at the foothills of the snow-capped Atlas Mountains.
Behind the majestic red walls of the ancient medina with tortuous, fascinating and mysterious streets, a splendid Ryhad opens its doors to unveil a hidden, most enchanting and welcoming interior garden… An inviting heaven, veritable sanctuary, captivating and entrancing the visitors with its hypnotizing orange blossom scent embalming the air and the spirit …“
Orangenblüten sind demnach Thema, und zwar in einer modernen Interpretation eines Orientalen (Obacht, davon gibt es noch ein paar in den folgenden Tagen!), der darüber hinaus noch mit Damaszenerrose, ein paar Zitrusfrüchtchen, Honig, Mandeln, Harzen, Ambra, Patchouli, Vanille und Hölzern betört.
Ich hatte sogar ein paar Fotos von unserem Pärchen Jul et Mad gemacht – allerdings hat meine Kamera an diesem Stand gestreikt, ein paar Fotos sind irgendwie in der Versenkung verschwunden, so beispielsweise auch das von Leo Crabtree, zu dem wir gleich kommen werden … Nun – ich habe Madalina versprochen, dass ich keine ungünstigen Fotos poste. Und das eine, das mir erhalten geblieben ist von den beiden, ist kein wirklich gutes und auch keines, das sie annäherungsweise realistisch abbildet, insofern gibt es an dieser Stelle eines aus dem Archiv 🙂
Von Leo Crabtree habe ich gerade erzählt, der nach eigenem Bekunden fotoscheu ist – und schwupps, meine Kamera hat sich dran gehalten und das Foto, das ich ihm abgerungen hatte, verschluckt. Schade, sehr schade – aber dennoch …
BeauFort London ist seine Marke, ich hatte vor kurzem über seine neuen beiden Düfte berichtet, Fathom V und Lignum Vitae, Harmen hat sich der ersten Düfte angenommen. Ich bin ein Fan, absolut – und Fathom V ist bei mir in der Dauerrotation, seitdem er vor kurzem hier eingezogen ist. Leo war auch auf der Messe und ganz genau so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: Ein unverstellt authentischer, liebenswerter und erfrischender Typ, unkonventionell, interessant und interessiert, sprühend, aber dennoch bodenständig. Ich habe die Gespräche mit ihm, die kleinen Zigarettenpausen und so weiter wirklich genossen. Letztendlich ist es auch das, was die Branche ausmacht, was mir so daran gefällt: Jene Charaktere, die man dort findet, die die Liebe zu Düften eint, die aber darüber hinaus so unterschiedlich sind und zum Teil solch spannende Menschen, die wahnsinnig viel zu erzählen haben. In jedem Fall: Leo ist ein cooler Typ, der es absolut verdient hat, mit seiner wunderschönen und runden Marke Erfolg zu haben. Lasst uns dabei helfen, meine Lieben!
Weiter im Kaon-Text – direkt neben Herrn Crabtree habe ich Herrn Tauer vorgefunden, der wie immer äußerst sympathisch, freundlich und gut gelaunt war. Er hatte einen neuen Duft mit im Gepäck, der auf den Namen Au Cœur du Désert hört, „Im Herzen der Wüste“. Wüste, Wüste? Ja, Wüste – im Zusammenhang mit Andy denkt man natürlich an seinen Bestseller und großen Wurf L’Air du Désert Marocain. Und in der Tat – das Wüstenherz ist eine Variation zur Wüstenluft, zu Andys Klassiker: Es handelt sich um ein Extrait de Parfum, dass auf der Wüstenluft basiert, den Duft aber „weiterentwickelt“. Ich setze diesen Begriff absichtlich in Anführungszeichen, denn es handelt sich hierbei nicht um eine Wertung. Andy hat es auch selbst schon angesprochen und vermutet – manche Leute werden das Extrait lieben, andere nicht. Es basiert im Kern auf L’Air du Désert, ist aber meines Erachtens nach weniger rau und ungestüm, sondern gezügelter, eleganter und ausdifferenzierter, zum Teil aber auch mit weniger einzelnen Facetten überraschend und „sprühend“. Das kann man lieben – oder eben auch nicht, je nach dem, wie man zu L’Air du Désert steht 🙂 In jedem Fall ist die Sillage top – und ich werde beide Düfte demnächst mal im Blog gegenüberstellen.
Schauen wir weiter: Pierre Guillaume ist mit sämtlichen seiner Marken bei Kaon, mittlerweile sind es immerhin schon drei – Parfumerie Générale inklusive der Collection Croisière, Huitième Art und Phaedon Paris. Neues gab es hier einiges, und zwar die allerneueste Entwicklung bei Parfumerie Générale, ReWorks genannt. Es handelt sich hierbei um Neuinterpretationen von „alten“ Düften, die mit den fortlaufenden Nummern X.1 bezeichnet werden. Der Hintergrund? Nun, jeder, der in irgendeiner Weise schaffend ist, vielleicht sogar kunstschaffend, weiß, dass ein Werk niemals fertig ist. Egal, um was es sich handelt – ein Bild, ein Buch, eine Abschlussarbeit oder wie in diesem Falle – ein Parfum. Man erschafft ein Parfum als Parfumeur, bringt es auf den Markt und … schnuppert immer wieder daran, überlegt sich Jahre später, dass man, hätte man es heute gemacht, die Idee vielleicht anders umgesetzt hätte. Nicht notwendigerweise besser, aber – different. So hat sich Pierre Guillaume zu einigen Düften aus seiner Kollektion etwas überlegt und sie erneut lanciert – mit einem anderen Fokus, einer anderen Gewichtung der Ingredienzen, zum Teil mit etwas anderen Ingredienzen. Die Idee ist spannend und hat ja gerade auch Herrn Tauer gepackt, wurde ähnlich bereits vor einigen Jahren auch einmal von Maître Parfumeur et Gantier praktiziert. Wie damals werde ich auch die PG-Düfte demnächst hier im Blog parallel vorstellen, so hat man den ziemlich spannenden Vergleich.
Es handelt sich hierbei um: 2.1 Cozé Verdé, 3.1 Arabian Horse (der sich auf Cuir Venenum bezieht), 4.1 Le Musc & la Peau (Vorbild: Musc Maori), 6.1 Vétiver Matale (Vorbild: L’Eau Rare Matale), 7.1 Grand Siècle Intense (Vorbild: Cologne Grand Siècle), 8.1 L’Ombre Fauve (Vorbild: Intrigant Patchouli), 10.1 Bouquet Massaï (Vorbild: Aomassaï), 11.1 Indian Wood (Vorbild: Harmatan Noir). Bois Naufragé, der früher wie ich meine einmal limitiert war, wurde als Partner zu Jardins de Kerylos „einsortiert“ – beides Feiglinge, wobei die Feige in Bois Naufragé nun nicht unbedingt die zentrale Rolle spielt, insofern sehe ich eigentlich keine solch große Ähnlichkeit oder Verwandtschaft, geistige, bei diesen beiden Düften. Aber ich bin auch nicht der Parfumeur 🙂 Ich bin gespannt auf den Rest, der bisher ehrlicherweise etwas an mir vorbeigegangen war.
[Wundert Euch im übrigen nicht, diese beiden Fotos wurden NACH Messeschluss, offiziellem, aufgenommen – so leer war es dort sonst NIE!]
Gegenüber befand sich Atelier des Ors, deren Gründer Jean-Philippe ich erstmalig getroffen habe. Ein vergnügliches Schwätzchen haben wir gehalten, wobei er mir auch seine neueste Kreation vorgestellt hat – Iris Fauve, eine zauberhafte … Iris, genau, die von Marie Salamagne geschaffen wurde. Jean-Philippe ist ein echter Sympathieträger – und darüber hinaus, man mag es kaum glauben, durchaus etwas schüchtern oder zumindest zurückhaltend. Er hat sich für mich mit seinen Düften fotografieren lassen, erzählte aber dazu, dass er das noch nicht allzu lange macht, weil er früher immer davon ausgegangen war, dass es alleine die Düfte sind, die von Bedeutung sind – und nicht er, der Markeninhaber, wieso denn auch, er sei Vater, Ehemann und so weiter, an ihm sei weiter nichts Besonderes. Eine uneitle und bodenständige Einstellung, die ohne jegliche Koketterie daherkam und ihn wahnsinnig sympathisch gemacht hat – obgleich es natürlich nicht wahr ist, dass sich Kunden nicht für die Charaktere hinter den Marken interessieren. Das weiß Jean-Philippe mittlerweile aber auch 😉
Aether waren ebenfalls mit von der Partie bei Kaon, darüber hinaus Laboratorio Olfattivo – allerdings waren alle ständig so beschäftigt, dass ich wiederum die Zeit an einem Abend nach dem offiziellen Messeschluss genutzt habe, um die Düfte zu fotografieren, denn es gibt ein paar Neuheiten aus letztgenanntem Haus: Nun und MyLO sowie Nerotic.
MyLO und Nun entstammen den Phiolen von Luca Maffei:
„MyLO – A charming and sunny fragrance inspired by the White Lily, one of the most beloved flower in perfumery. A White Lily heart, surrounded by fruity, floral an soft notes, draws a smile on the face of whoever wears this fragrance. A warm base, rich in persuasive notes, strengthens the floral notes and leaves its trace on the skin. An addictive fragrance, My Laboratorio Olfattivo, My LO, MyLO.
Nun – By this palindrome word, the Ancient Egyptian meant the primordial water, in other words the God Nun. According to the legend, this water gave birth to the Lotus, a flower which was used to hide into the water during the night, to open up again at the sunshine. While blossoming out the flower revealed the Sun God Atum. Hence the symbolism of the Sun God, of rebirth. This fragrance arises from the Nun and opens up at the sunshine, while its scented molecules spread out into the air. It’s a tribute to this iconic, symbolic flower.“
Zwei sehr moderne Blütendüfte, die mir beide gut gefallen haben – Nun noch einen Tick besser als MyLO, das liegt aber definitiv daran, dass das Wörtchen Lilie bei mir immer Wünsche nach einem sehr opulenten olfaktorischen Lilienstrauß weckt und MyLO zwar Lilien bietet, aber wunderschön eingebettet in einem Bouquet. Insofern – lediglich die enttäuschte Erwartungshaltung einer Lilienverrückten, der es nie genug des betörenden Duftes dieser Blumen sein kann (und die gerade ständig schwelgt in Leo Crabtrees Fathom V, jenem herrlichen Fougère mit dieser unvergleichlichen Lilie).
Nerotic scheint einer der Messelieblinge gewesen zu sein und stammt, wie gerade sehr viel, aus den Händen von Cécile Zarokian, die auf diesem Foto hier auch am Stand zu sehen ist in einem schönen gelben Kleid:
Nerotic ist natürlich ein Wortspiel – Nero für die Farbe Schwarz sowie die Erotik, die nicht zu kurz kommen darf. Ein Lederchen, ein aromatisches, ist es. War er limitiert? Ich weiß es nicht mehr, es dauert aber noch ein kleines Weilchen, bis er zu kaufen ist.
Soviel erst einmal für heute – morgen geht es weiter mit Florenz, genauso wie nächste Woche, denn es gibt noch richtig viel zu erzählen und zu zeigen, meine Lieben!
Viele herzliche Grüße,
Eure Ulrike
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