… begehen wir heute – zwei Düfte sind noch übrig, und zwar Unguentum und Zephiro.
Unguentum fällt mir zu schreiben schwer, weil ich ständig an Ungetüme denken muss 😉 Unguentum ist allerdings kein Ungetüm und deutet auch keineswegs auf ein solches hin. Vielmehr handelt es sich hierbei um das lateinische Wort für Salbe, Salböl oder Balsam, wie Wikipedia mir als Nicht-Lateiner verrät.
„Der Abend naht und ein römischer Feldherr steht vor einem offenen Torbogen, blickt zum Horizont und zieht das neu geschmiedete Schwert aus seiner Lederscheide … „die Düfte des Alltags“, denkt er und wundert sich über die Aufregung, die ihn überkommt. Seine Augen wandern nach oben und er erblickt mit Erstaunen die lauwarmen, zarten Sonnenstrahlen in den Baumwipfeln, welche die üppige Natur um ihn herum friedlich und unbeschwert erscheinen lassen und ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit verbreiten.
In der Ferne sieht er Wagen, die aus dem Fernen Osten zurückkehren. In der warmen Abendluft scheinen sie auf der Straße zu tanzen und wirbeln Staubwolken auf, die ihre Ankunft ankündigen. Jeder Wagen ist von geheimnisvollen Düften umgeben, die der Ladung aus kostbaren Essenzen, Harzen und Gewürzen entströmen. Die sanften und lieblichen Gerüche vermischen sich harmonisch mit dem Holz der Fässer, welche die wunderschönen goldenen und rubinfarbenen Essenzen schützen.
Ein wenig später in einem römischen Haus erwartet sie eine geschickte Hand und ein künstlerischer Geist, um sie zur magischen Alchemie der Parfums zu verwandeln. Und so ward „Unguentum“ geboren, der duftende Nektar von Rom, der Wiege der Zivilisation.“
Feldherren und Salben sind im übrigen keine ungewöhnliche Kombination: Wie auch heute noch gab es damals Salben, die zu kosmetischen Zwecken gedacht waren oder gar bei Festessen gereicht wurden genauso wie Wund- und Heilsalben, Salben also, die medizinischen Zwecken dienten. Der Behälter dazu heißt im übrigen Unguentarium oder auch Lacrimarium (Tränengefäß), Balsarium – hübsche Wörtchen, oder? Oliven-, Behenuss- oder auch Mandelöl fanden in der Antike häufig Verwendung in den Salben – für unser Unguentum bediente man sich folgender Zutaten: Kopfnote: Metallische Noten, Leder; Herznote: Grüne Noten, Harze, Gewürze; Basisnote: Hölzer, Honig, Wein.
[Bild „Unguent bottle, Roman, 251-450 CE„, Wellcome Images via Wiki Commons – CC BY 4.0]
Ein „Topf“ voll Wohlriechendem erwartet Euch, meine Lieben! An Unguentum kann sich jedes Geschlecht erfreuen, denn hier schillert und funkelt so einiges: Aromatisches Grün, kräuterig-krautig mit einem verhaltenen Hauch Gras, begleitet von kühlem Rauch. Anklänge von Leder, Glatt- und Wildleder und ein paar strahlend-metallische Noten wie das Schwert unseres Feldherren. Als Kontrast dazu – Wärme. Harzige Wärme. Würzige Harze. Und Gewürze. Samtig und von einer feinen Pudrigkeit. Getränkt in köstlichen dunklen Honig. Und likörig-alkoholisch angehaucht.
All das strahlt eine solche Ruhe aus, eine solche Reichhaltigkeit und Üppigkeit, ohne jemals überladen zu sein oder dekadent opulent zu erscheinen. Mit was kann man Unguentum vergleichen? Vom Gefühl her vielleicht mit der Zufriedenheit, die einen durchströmt nach einem guten Essen, von dem man gerade genug genossen hat, aber nicht zuviel. Und sich danach seelig auf einer Recamière räkelt, einen Dessertwein schlürfend und durch’s Panoramafenster die Natur betrachtend, deren Düfte dank des Abendhauchs herüberwehen. Ja, das trifft es ziemlich genau.
Ein Seelenschmeichler, absolut. Einer, der in keine Schublade passen möchte – ein gourmandig-angehauchter Dunkelorientale, ein aufgeräumter, der gleichzeitig eine Landschaftsimpression offeriert. Irgendwie so. Ist ja aber auch egal, der Duft braucht keine Schublade, um toll zu sein. Und das ist er, keine Frage! So lasse ich mich gerne salben!
Zephiro ist einem weiteren italienischen Meister gewidmet, Botticelli:
„Botticellis „Primavera“ ist eines der feinsten und elegantesten Werke der gesamten Renaissance und war die Inspiration zu Zephiro.
Der Wind eröffnet den Tanz, weht von Westen und verkündet die Ankunft des Frühlings. Sein Duft ist ein Atem aus Bergamotte und Rosa Pfeffer, der die Luft klar und hell erscheinen lässt. Im Garten der Hesperiden wird die Flora als Frau dargestellt – in einem wunderbaren floralen Kleid –, die Blumen streut, die auf ihrem Schoß liegen und dabei zarte Aromen von Neroli mit einem Hauch von grünem Galbanum verströmt.
Im Zentrum steht Venus, umgeben von einem Halbkreis aus Bäumen, bewacht von Cupido, der mit betörender und sinnlicher Tuberose und zusammen mit leichter und erotischer Gardenie die stärkste Liebe symbolisiert.
Hand in Hand verlieren sich die drei Grazien in einem harmonischen Tanz, während duftende Schwaden von Ambra und Vanille die Luft erfüllen. Ein abgelenkter Merkur überbringt die Liebesnachricht eines ewigen Frühlings, wo Moos und ein Hauch Patchouli die Erinnerung an Zypern wecken, dem mythologischen Geburtsort von Venus.“
Die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Rosa Pfeffer; Herznote: Neroli, Galbanum, Tuberose, Gardenie; Basisnote: Ambra, Vanille, Moos, Patchouli.
Wikipedia hilft uns Nicht-Kunsthistorikern bei der Deutung des Frühlings in Botticellis Bildgestalt:
„Das großformatige Bild zeigt vor einem Orangenhain eine nebeneinander aufgereihte Gruppe von acht Personen mit einem blinden Amor über der mittleren Figur, der dabei ist, einen Pfeil abzuschießen. Amor ist der ständige Begleiter der Liebesgöttin Venus. Diese, in dem Bild in zentraler Position, ist aus der Reihe ein wenig zurückgetreten. Sie trägt ein leichtes weißes Kleid und einen roten Mantel, den sie sich über die rechte Schulter und den erhobenen Arm geworfen hat. Zu ihrer Linken schreitet Flora über die Wiese und streut Rosen. Neben ihr stürzt sich ein bläulicher Mann mit wehenden Tüchern auf eine junge Frau, die sich ihm zwar zuwendet, aber gleichzeitig vor dem Heranstürmenden flieht. Aus ihrem Mund kommen Rosenblüten. Der Mann ist an seinen aufgeblasenen Wangen als ein Windgott Zephyr zu erkennen, der im Begriff ist, die Nymphe Chloris zu ergreifen. Bei Ovid heißt es:
- … während sie sprach, haucht sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde: Chloris war ich, die ich [jetzt] Flora genannt werde. .. und Es war Frühling, ich irrte umher; Zephyrus erblickte mich, ich ging weg. Er folgte, ich fliehe, jener war stärker […] Die Gewalt tat dennoch machte er wieder gut dadurch, dass er mir den Namen der Gattin gab, und in meiner Ehe gibt es keinen Grund zur Klage. Stets genieße ich den Frühling, stets ist üppig blühend die Jahreszeit, die Bäume haben Laub und Nahrung stets der Erdboden.
In Ovids Gedicht hat Zephyr die Nymphe mit Gewalt erobert, sie dann zu seiner Gattin gemacht. Erst durch die Vereinigung der beiden ist das üppige Blühen und Früchtetragen der Feldflur, Mitgift der Nymphe, gesichert. In einem mit Blüten übersäten Kleid und mit Blumen bekränzt schreitet die in die Frühlingsgöttin Flora verwandelte Nymphe und streut Rosen aus ihrem geschürzten Gewand in die Blumenwiese.
Auf der rechten Seite der Venus tanzen drei in leichte Schleier gehüllte Frauen einen Reigen – es sind die drei Grazien, Sinnbild für weibliche Anmut und Schönheit, die vor allem in Bildern der Renaissance häufig als Begleiterinnen der Venus auftreten. Am linken äußeren Rand des Bildes stochert Merkur, der Gott der Kaufleute, aber auch der Schutzherr von Haus und Hof, mit seinem Stab, dem Caduceus, in den aufziehenden dunklen Wolken. Offenbar verhindert er, dass in dem heiteren, paradiesischen Garten dunkle Schatten aufziehen.“
Zephiro bringt mir wirklich den Frühling nahe: Üppige Blüten, allen voran buttrig-cremige Tuberose, die sich allerding sogleich gezügelt sieht von zitrisch-herb-frischer Bergamotte sowie nektarsüßen Bitterorangenblüten. Kleine Pfefferkörnchen konstrastieren sanft, aber dennoch markant, während Galbanum einmal mehrfrisch-aromatische, grasig-waldmeisterhafte Anklänge beisteuert. Ein opulentes Blütenbouquet, welches durch sein „Drumherum“ in einer schönen Balance gehalten wird, die zu verhindern vermag, dass wir es hier mit einer Weißblüher-Femme-Fatale zu tun haben. Das entspräche ja auch nicht dem Frühling, oder? Aber sinnlich geht es schon zu, insofern sind prägnante Tuberosen- und Gardeniennoten (letztere werden ohnehin mit Tuberose kreiert) durchaus erlaubt. Die Basis rundet mit sachter, verhalten würziger Ambrawärme und watteweichem Moschus ab.
Onyrico haben mich nicht enttäuscht: Eine charaktervolle und starke italienische Kollektion, die man sich getrost einmal näher ansehen sollte! Meine Favoriten: Enygma, Tau und Unguentum.
Und Eure?
Viele herzliche Grüße,
Eure Ulrike.
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