Huitième Arts „Liqueur Charnelle“ – die Essenz vom Destillat

liqueurcharnelle Heute gedenke ich, mir olfaktorisch einen hinter die Binde zu kippen, wenn es recht ist. Anlass ist der schon seit einer Weile veröffentlichte Duft „Liqueur Charnelle“ aus dem Hause Huitième Art, dem Projekt von Pierre Guillaume, den wir ja bestens von Parfumerie Générale kennen.

Beim Wort Likör denke ich an klebrig süße Alkoholika, die Blutzucker, Alkoholpegel, Sättigungsgefühl und manchmal auch Überdruss gleichermaßen in die Höhe schießen lassen. Ich sage nur: Erdbeerlimes, Kahlúa, Sambuca, Blue Curaçao, Batida de Coco, Cointreau, Baileys, Jägermeister und viele andere mehr. Bei der Nennung des einen oder anderen Namens stellen sich augenblicklich stechende Kopfschmerzen und ein flatterhafter Magen ein.

Das Adjektiv „charnelle“ jedoch hebt die ganze Sache auf eine etwas metaphorischere Ebene, denn, liebe Vegetarier, „fleischlich“ reimt sich hier nicht auf Hackbraten, sondern auf Fleischeslust. So schrieb auch schon Kollegin Evelyn in ihrem Artikel – bekannt für ihren nervösen Finger am Sexfantasien-Abzug – von „FSK 44“ und dergleichen. 🙂 Mal sehen, ob ich da als Jungspund rote Ohren bekomme.

Als Ingredienzen wurde folgende Duftnoten zusammengestellt: Cognac, Vanille, Pflaume, Karamell, Orange, Aprikose, Weihrauch, Lindenblüte, Weinblüte, Traube, Veilchen, Vanille, Hölzer, Schwarzer Pfeffer, Rosa Pfeffer, Elemiharz, Tonkabohne, Himbeere.

Erwartet habe ich einen veritablen Winterduft, schwer, passend in die Zeit von Christkind und Kamillentee, wenn die Eisblumen und Grippeviren blühen. Ich will nicht sagen, dass er nun gar nicht in die herbstlich-winterliche Kuschelkalorienzeit passt, aber er ist weitaus weniger gewichtig, als erwartet.

Strawberry liqueur at Aloni restaurant in Hortato, Lefkada, Greece (15134188151) By Anametheus from Palaia Fokaia, Greece [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Auf dem Duftstreifen zeigt sich „Liqueur Charnelle“ mit deutlich wahrnehmbarer Pflaume und Orange, durchaus mit einem gourmandigen, gewürzigen und fruchtigen Hauch. Auch auf der Haut sind die genannten Noten präsent und natürlich muss auch ich an einen Likör oder das berühmte wärmste Jäckchen, das Cognäcchen, denken. Tatsächlich aber sind die Früchte und süßen Noten zu dominant, um an Hochprozentigeres zu denken. Ein süßer Likör muss es schon sein, aber trotzdem fällt der Duft so gemäßigt aus, dass ich ihn mir auch gut an einem Mann vorstellen kann. Dafür sorgen die gewürzigen, holzigen und im Gesamtbild tabakartig wirkenden Komponenten, die sich vor allem im späteren Duftverlauf immer mehr zeigen.

untitled movie By Uqbar is back: untitled movie [CC BY-SA 2.0], via flickr

Natürlich möchte niemand mit einer Cognacfahne durch den Tag gehen oder einer solchen verdächtigt werden, aber diese Gefahr besteht definitiv nicht. „Liqueur Charnelle“ huldigt nach Aussage des Parfümeurs den fünf wichtigsten Cognacaromen: Vanille, Pflaume, Karamell, Orange und Aprikose. Gewürze, Hölzer und Tabaknuancen balancieren den Duft jedoch aus und befördern ihn dankenswerterweise aus der Likörecke in die Spirituosenabteilung, um ihn dann doch in eine ganz eigene Parfumkreation zu verwandeln.

Wem zum Beispiel „Or du Sérail“ von Naomi Goodsir zu opulent oder orientalisch war – er ist leider hier noch nicht vorgestellt worden, Uli? 🙂 – dürfte mit dem verhältnismäßig leichteren und fruchtigeren „Liqueur Charnelle“ genau an der richtigen Adresse sein.

Ein toller Duft nicht nur für den Winter, wie ich finde, und der schon gar nicht dem Schlafzimmer vorbehalten sein sollte. Habt Ihr ihn schon getestet? Wie steht Ihr zur Einteilung von Sommer- und Winterdüften?

Liebe Grüße
von Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

3 Kommentare

  1. Margot
    17. Juni 2015
    Antworten

    Hallo Harmen,
    tja, ich weiß nicht ob Dich Dein Urteilsvermögen nicht doch etwas im Stich läßt. Vielleicht liegt es ja wirklich an den noch gemäßigten Temperaturen.
    Als im im letzten September auf dem Weg (Straße) zur Pitti Fraganze in Florenz war, tappte ich auf einmal in eine Duftwolke und mir schoß nur ein Gedanke in den Kopf: Pierre Guillaume! Und tatsächlich: Er stand 5 Meter vor mir am Straßenrand und wartete auf das Grün der Fußgängerampel! Liqueur charnelle ist ihm persönlich wie auf den Leib geschneidert! Doch bei 30° und Sonnenschein wohl doch nicht für jeden gemacht. Später auf der Messe bin ich ihm wieder begegnet: der Duft hatte sich etwas gelegt, war jedoch immer noch von einer gewaltigen Präsenz. Daher meine 100%ige Zustimmung zu Evelyn und „FSK 44“ 😀
    Dies nur mein wieder gegebener Eindruck von damals. Werde aber mal meine Probe zur Hand nehmen und testen, ob sich mein Eindruck hält und ich Dir mehr zustimmen kann oder ob in Florenz nur Kopfkino die Oberhand übernommen hatte und ich mit meiner Meinung eher bei Evelyn bleibe 🙂
    Viele Grüße,
    Margot

  2. 17. Juni 2015
    Antworten

    „…bekannt für ihren nervösen Finger am Sexfantasien-Abzug…“
    You made my day! :-))))))

    Aber Harmen, vielleicht muss FRAU auch erst Ü40 werden, um das dann nachvollziehen zu können… 😉

  3. Harmen Biró
    17. Juni 2015
    Antworten

    Meine Damen,
    da ich niemals eine Frau Ü40 sein werde, glaube ich Euch Eure Assoziationen ganz einfach 😀 Ihr zwei habt einfach nur den zugegebenermaßen äußerst attraktiven Pierre Guillaume vor Augen, gebt es einfach zu! 😀 Eine kalte Dusche vertreibt unzüchtige Gedanken! 😛
    Empfiehlt
    Harmen

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