… und lässt mich mal wieder auf ein altbekanntes Thema zurückkommen: Völlig unterbewertete Dufthäuser. Meiner Meinung gibt es da so einige Pappenheimer, die zu Unrecht etwas außerhalb des Rampenlichtes stehen. Spontan fällt mir da vor allem Parfums de Nicolaï ein, das Haus jener Dame, der die Parfumkunst mehr als in die Wiege gelegt wurde (Guerlain-Dynastie). Darüber hinaus Parfum d’Empire: So gut wie alle Düfte, die der Korse Marc-Antoine Corticchiato bisher auf den Markt brachte, sind nicht nur von einer lange zu suchenden Innovativität, sondern auch von einer ergreifenden Schönheit. In so gut wie jeder Themenliste zu bestimmten Ingredienzen, Duftrichtungen oder Szenerien würde bei mir eine seiner Schöpfungen auftauchen. Annähernd das Gleiche gilt für den (Duft)Philosophen James Heeley und seine Kreationen. Oder für Parfums Delrae.
Divine ist für mich ebenfalls in dieser Riege angesiedelt: Das kleine Haus stammt aus dem eleganten Edwardian Resort in Dinard, einem Badeort an der Nordküste der Bretagne. Im 19. Jahrhundert war dies wohl ein Lieblingsort wohlhabender und gut betuchter Engländer und gilt heute noch vielen als das Nizza des Nordens, zeigt es dochnoch Spuren der vergangenen Glanzzeiten – die Architektur ist überwiegend von hochherrschaftlichen Villen geprägt. Das hört sich definitiv so an, als könnte man dort mal Urlaub machen, oder nicht? Das Internet bestätigt diese Vermutung natürlich prompt … hach, wie schön!
In dieser edlen Umgebung gründete Yvon Mouchel Divine. Sein Credo:
„Ein Parfum zu kreieren heißt Kunst zu schaffen, vergleichbar mit der Komposition eines Musikstücks, dem Anfertigen eines Bildes, einer Skulptur oder dem Schreiben eines Buches. Ein brilliantes Parfum ist ein Kunstwerk, das Gefühle weckt, ein Meisterwerk, das sie inspiriert.“
Göttliche Düfte möchte Mouchel kreieren – und hat es in der Vergangenheit auch bereits mehrfach getan: Allen voran L’Homme de Cœur, mein Herzensmann, diese Ausnahme-Männer-Iris, lange bevor noch Iris in Herrendüfte der neue Bringer war. Dann L’Homme Sage, der Weise (nein, kein Salbei!), jener herrliche heulastig-balsamische Herbstling. Und natürlich L’Inspiratrice – jene göttliche Rose.
Den Rosen bleiben wir heute treu mit Spirituelle – und auch der Parfumeur ist derselbe: Richard Ibanez.
„Unabhängig, klug und faszinierend – ihre Augen funkeln vor Verlangen und dem Staunen über die Komplexität der Welt. Sie selbst gibt ihrem Leben Sinn und ihr Name ist „Spirituelle“. Das Parfum, das sie trägt, wurde nach ihrem Bilde geschaffen. In den Kopfnoten erwartet uns ein Ausbruch an Gewürzen, Szechuanpfeffer und rosa Pfefferkörner, und im strahlenden Herzen ein Rosenstrauß; Essenzen der Mai-Rose und anatolischen Rose. Schließlich erblüht die Basis in einer Harmonie aus anhaltenden Noten von leichter Ambra, weißem Moschus und Weihrauch. Yvon Mouchel vertraute diese Schöpfung dem Parfümeur Richard Ibañez an, der bereits drei Düfte für Divine kreierte und einer von Frankreichs größten Parfümeuren und Vertreter natürlicher Rohstoffe ist.“
Wer Rosen liebt, sich mit Düften (ein wenig) auskennt und dann vielleicht noch Divine kennt, der wird gleich wissen, oder doch zumindest hoffen, das man damit überhaupt gar nichts falsch machen kann. So ist es, meine Lieben!
Nach einer kurzen und eher indifferenten Frische im Auftakt offenbart Spirituelle schon gleich ihre wahre Schönheit: Rosen, üppig blühende, herrliche, volle, satte Rosen. Rot – in all seinen Facetten sehe ich hier vor meinem inneren Augen, prall gefüllte rote Rosen in opulenter Blüte, ausladend, samtig und schwer duftend. Ein gewisser Teil der Rosen bringt fruchtige Anklänge in den Duft ein, kühlend und jung. Der andere Teil allerdings sorgt für laszive Anklänge: Kennt Ihr sie, diese Duftrosen, die verhalten animalische Düfte versprühen aufgrund von Moschusanleihen und/oder harzig-balsamischem Charakter? Ich durfte letztes Jahr Kaufberatung spielen in einem riesigen Rosengarten (habe selbst leider weder Balkon noch Garten) und ward lange nicht mehr gesehen, als ich die Duftrosenfraktion entdeckte …
Spirituelle brilliert mit diesen beiden Duftrichtungen der Rosen, verlockt und verführt – auf eine sinnliche, feminine, geistvolle Art und Weise. Überhaupt ist der Duft einer „Frau mit Geist“ gewidmet – eine Seltenheit heutzutage zwischen den ganzen Fußballerfrauen und ähnlichen Anhängseln. Reich und reif zeigt sich mir Spirituelle, seinem Namen wird der Duft dadurch mehr als gerecht. Ein Hauch Weihrauch umhüllt diese Rosenschönheiten, ein zarter Schleier, irisierend und, mal mehr, mal weniger wahrnehmbar, wirklich nur dahingehaucht. Pfeffer ist das gewisse Etwas, wie so oft, die Präsenz des Geistvoll-Femininen untermalend, die Kanten offenbarend. Charakter gibt es nur mit Kanten, oder nicht? Und diese fügen sich hier so wundervoll ins Gesamtbild, dass man diese Rosenfrau nur lieben kann, die sich auf einem weichen, skinnigen und zurückhaltenden Moschusbettchen räkelt!
Ich bin hin und weg – und fühle mich ein wenig an drei andere Rosen-Diven erinnert, bei denen es mir ähnlich ging: Trama von Simone Cosac, Rosa Gallica von Brecourt und Coup de Foudre von Parfums Delrae. Wenn Ihr nur einen von diesen Düften kennt und mögt oder gar liebt – testen! Und wenn Ihr Rosenfans seid – dann ohnehin!
Rosen, ja oder nein? Erzählt!
Viele liebe Grüße,
Eure verzauberte Ulrike.
Schreibe den ersten Kommentar