Bingewatching…

… nennt man es, wenn man sich Fernsehserien nicht brav einzeln, sondern süchtelnd komplett am Stück staffelweise „reinzieht“ – so, wie ich es gerne bei meinen amerikanischen Lieblingen handhabe. Und so, wie wir es jetzt einfach mal mit Maître Parfumeur et Gantier machen: Alle am Stück auf einmal, gierig und gespannt! Mit der Männerwelt hatte ich gestern angefangen, dort mache ich auch weiter, zu viele potentielle neue Liebhaber und tolle Herren warten noch auf uns.

Matre_ParfumeurGantier_Matre_Parfumeur_et_Gantier_Eau_pour_le_Jeune_Homme Der nächste Mann in meiner Reihe ist Eau pour le jeune Homme – und gerade, als ich mich auf den Jungspund gefreut hatte, erinnere ich mich: Den kenne ich. Und der war schon mal dran, von ihm gibt es bereits eine Rezension hier im Dufttagebuch.

Also nichts wie weiter, der Herr wartet schon auf uns, und zwar Parfum d’Habit. Der Name war es, der mich vermutlich bisher davon abgehalten hat, diesen Duft zu testen – ihn kenne ich nämlich überhaupt gar nicht. Parfum d’Habit – liebe Französischsprachige, helft Ihr mal? Habit heißt soviel wie Kleidung, Kleid (nicht unbedingt im Sinne eines Damenkleides) – insofern haben wir es hier mit einem kleidenden Parfum zu tun, einem, das verspricht, einem gut zu Gesicht zu stehen. So oder so ähnlich würde ich den Namen übersetzen. Und wundere und ärgere mich gerade, wieso mir Parfum d’Habit jahrelang durch die Lappen gegangen ist. Aus den 80ern stammt er – und ich finde, das merkt man ihm an, was ich in diesem Falle durchaus positiv meine. Ob der Name wohl als Hommage in Anlehnung an einen anderen Klassiker gewählt ist, Guerlains Habit Rouge, ebenfalls ein Lederchen? In jedem Fall ist Parfum d’Habit ein Vollblutleder. Pudrig ja, aber definitiv kein Wild-, sondern ein Glattleder. Eines mit Tiefe, einer gewissen süßen Wärme, aber auch einem Hauch kühler Distanz, die von dem minzigen Geranium im Verbund mit Weihrauch herrührt und durch die Anklänge säuerlicher Johannisbeeren im Kopf noch unterstrichen wird.

Free Texture #309

Racine, unser nächster Kandidat, brilliert ebenfalls mit schwarzer Johannisbeere, aber nicht nur: „This vetiver is one of the best straight-up interpretations of this wonderful material“ attestiert ihm Luca Turin. Eine Zeitreise könne man mit Racine machen – und befände sich dann ziemlich exakt zwischen dem Vetiver von Guerlain und von Carven, irgendwo Anfang der 70er. Nicht weitersuchen, rät Luca Turin. Das kann ich nur unterschreiben: Wer einen zitrischen Vetiver sucht, der ist hier goldrichtig. Und mir persönlich gefällt Racine sogar fast noch besser als der Klassiker von Guerlain. Ein herrlicher Duft, der auch an einer Frau zu Bestform auflaufen kann.

Cloves

ambreprecieux Bei Secret Mélange denke ich sofort an – Nelke, Gewürznelke, um genau zu sein. Dabei findet sich jene überhaupt nicht in den Ingredienzen: Kopfnote: Limette, Orange; Herznote: Lavendel, Anis, Rose, Jasmin; Basisnote: Patchouli, Sandelholz, Moschus. Und dennoch, frisch auf der Haut angekommen, meine ich sie sogar wahrzunehmen. Woran liegt es? An jener prägnanten Vermählung von knarzig-krautig-würzigem Lavendel, dem hier eine solche Dunkelheit innewohnt, dass er fast pfeffrig wird. Ich hätte schwören können, das wenigstens noch Muskat in der Zutatenliste zu finden ist… Anis balanciert hier balsamisch-würzend aus. Und ich rieche… Gewürznelke. Aus, Schluss, sie muss drin sein. Oder das Anis-Lavendel-Duo ist wirklich ein perfekter Imitator. Für mich also – ein Gewürznelkenduft mit einer warmen, holzig-weichen Basis.

Ambre Précieux – ich meine, was soll man zu diesem Duft schon sagen: In so gut wie jeder TopTen-Liste von Ambra-Düften findet man ihn. Ich kenne viele, die ihm schon lange verfallen sind, unter anderem auch mein Chef. Und das alles absolut zu Recht: Ein bisschen Lavendel in der Kopfnote würzt und knarzt, damit hält sich dieser Amber aber nicht lange auf und offenbart alsbald sein wahres Naturell: Ein kakaopudrigliköriger Ambratraum, von Hölzern gesäumt und von Harzen gewärmt. Ambre Précieux hält sein Versprechen und ist genauso kostbar, wie der Name schon sagt.

Resin

Bois de Turquie ist ein neuerer Kandidat und, ich glaube, im Jahre 2008 erschienen. Türkisches Holz – mit Hölzchen darf man mir ja immer gerne kommen, und mit dem erst recht, obgleich… ein typischer Holzduft ist es nicht. Was ist Bois de Turquie denn überhaupt für ein Duft? Beim besten Willen, ich finde keine Kategorie, in den ich ihn packen würde, weder mit Kenntnis der Duftnoten noch ohne… Kopfnote: Bergamotte, Mandarine, Orangenblüte; Herznote: Geranium, Iris, Jasmin, Lorbeer; Basisnote: Sandelholz, Myrrhe, Weihrauch, Patchouli.

Was ist da alles drin, meine Herren… Ok, der Auftakt ist – fröhlich, unbeschwert, beschwingt und heiter. Hesperiden eben. Und hier auch eine satt-süße Mandarine, die mit von der Partie ist. Dieser Agrumenzauber verschmilzt allerdings bald mit… dem Rest. Der Rest? Tja, … Holzig geht es zu und, wenn wir bei der Holzanalogie bleiben, sonnengewärmt. Hier drängt Harziges hinein, Würzig-Warmes, Sanftes, Süßes. Lorbeer sorgt hier für Kante und setzt mit seiner gestrengen, dunkelgrün-aromatischen Würze Akzente. Ein bisschen floral geht es noch zu, wobei ich den Jasmin nicht gesondert zu erkennen vermag, und Iris pudert fröhlich und verhalten erdig vor sich hin. Bois de Turquie ist – ein Sammelsurium. Und das meine ich diesmal positiv. Hier ist alles drin, was Spaß macht: Fröhlich-dynamische Früchtchen, Sonnenanbeterharze, Puder, Würze, Hölzchen und Wärme. Der Duft sieht sich weder einem bestimmten Geschlecht noch einer bestimmten Situation verpflichtet, insofern – ein durchaus adretter Begleiter!

Green Dragon

Einen habe ich noch für heute, und zwar Eau des Îles, ein Laporte-Original aus dem Jahre 1988. Hossa, der lässt es krachen, keine Frage… Die Zutaten: Kopfnote: Estragon; Herznote: Weihrauch, Ylang-Ylang, Labdanum (Zistrose); Basisnote: Vetiver, Patchouli, Hölzer. Estragon, jenes Kräutlein, das uns allen aus der klassischen französischen Kräutermischung bekannt sein dürfte, ist ein Wermutverwandter und duftet insofern ein wenig ähnlich: Ätherisch anisartig, aromatisch grün und würzig. Jene Würze wird in diesem Falle von Weihrauch aufgegriffen, der sie in kalte, harzig-rauchige Nebelschwaden hüllt. Vetiver untermalt und verstärkt den Rauch, greift darüber hinaus das Grün des Duftes auf und intensiviert es. Klar, ein wenig Ylang sorgt für einen Hauch florale Süße, das ändert aber nichts daran, dass Eau des Îles, dem ich darüber hinaus leise Lederanmutungen unterstelle, ein Statement-Duft ist, für den man(n) ein gewisses Alter sowie eine bestimmte Präsenz haben sollte, um nicht vom Duft getragen zu werden. Eine Frau, die beispielsweise den Banditen von Piguet trägt, wird die Herausforderung von Eau des Îles allerdings sehr gerne annehmen.

Bis bald meine Lieben und viele Grüße,

Eure Ulrike.

P.S.: Wie Ihr vielleicht schon gemerkt habt – dieser Beitrag war eigentlich für letzte Woche geplant, genauer: Für Donnerstag. Aus irgendwelchen Gründen hat uns die Technik allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht, insofern reiche ich Euch heute die restlichen Herren von Maître Parfumeur et Gantier nach. Ich hoffe, Ihr habt Spaß daran!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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