von Miller Harris ist ein alter Bekannter, der dieser Tage nach einer Zeit der Absenz wieder bei uns im Shop landete. Grund genug, mir diesen Hesperidengesellen, wie ich sie immer nenne, einmal zur Brust zu nehmen, ist es doch seine Gattung, die derzeit perfekte Begleiter zu jenen vorherrschenden „wärmeren Temperaturen“ stellt. Allerdings hat mich Lyn Harris doch sehr verwirrt: Auf ihrer Seite wird Le Petit Grain als „neu“ angekündigt, ganz so neu ist er aber eben nicht. So wie ich meine, ist er nur neu in der allgemeinen Kollektion und gehörte früher wohl zu ihrer exklusiven Kollektion.
Lyn Harris hatte mit Le Petit Grain wohl im Sinn, einen Duft zu kreieren, in den sich jeder sofort verliebt – und zwar ein Cologne für die ganze Familie. So in etwas steht es im Pressematerial zu lesen, dem des weiteren Folgendes zu entnehmen ist:
„Themed around Lyn’s love of the orange tree, this elegant cologne is enhanced with angelica racine, eau de brouts absolute, bergamot from Italy and Sicilian lemon. The top notes are grounded with rosemary, red thyme, French tarragon and lavender. The heart is petit grain essence and Tunisian neroli whilst the base is oak moss, vetivert and patchouli leaves. Le Petit Grain represents the tradition of the cologne family but also ensures that the true beauty of each material is captured and expressed in the signature Miller Harris style.“
Bei der Übersetzung dieser Zeilen muss man vorsichtig sein: Lyn Harris spricht hier NICHT von einer normalen Orange, also einem normalen Orangenbaum, sondern von der Pomeranze, siehe Wiki:
„Die Bitterorange oder Pomeranze (Citrus × aurantium L.), auch Sevilla-Orange und Saure Orange genannt, ist eine Zitruspflanze. Ihre Frucht ist orangenähnlich, aber bitter und kleiner. Entstanden ist die Bitterorange als Hybride zwischen Pampelmuse (Citrus maxima) und Mandarine (Citrus reticulata), wahrscheinlich im Süden Chinas.“
Die Bitterorange ist ein ein echter Allrounder, eine eierlegende Wollmilchsau quasi: Man kann damit alles Mögliche anstellen, unter anderem verwendet man sie zur Herstellung von Curaçao und Limonade, aus der Schale macht man Orangeat und für die Parfumindustrie ist sie mehrfach dienlich, was ihr den Namen „pig of perfumery“ einbrachte:
„Die Pomeranze liefert auch der Parfümerie gleich drei sehr wichtige Duftbausteine, die sich geruchlich deutlich voneinander unterscheiden:
- Neroliöl aus den Blüten. Als Nebenprodukt der Wasserdampfdestillation fällt als Kondenswasser das sogenannte Orangenblütenwasser an.
- Bitterorangenöl aus den Fruchtschalen. Wichtiger Duftbaustein in Eau de Cologne und vielen frischen „zitronigen“ Duftwässern.
- Petitgrainöl Bigarade aus Blättern, Zweigen und den unreifen grünen Früchten. Als Nebenprodukt fällt das Eau des Brouts an.
In mittelalterlichen Duftrezepturen verwendete man auch ein wässriges Destillat aus den Blüten, das Aqua Naphae genannt wurde.“
Im Englischen spricht man korrekterweise im Zusammenhang mit der Pomeranze von der Bitter Orange oder Seville Orange – und zwar im Unterschied zur Sweet Orange, die bei uns einfach Orange genannt wird:
„Die Orange (Aussprache: [o?ra???] oder [o?r?????]), nördlich der Speyerer Linie auch Apfelsine (von niederländisch appelsien, wörtlich „Apfel aus China/Sina“) genannt, ist ein immergrüner Baum, im Speziellen wird auch dessen Frucht so genannt. Der gültige botanische Name der Orange ist Citrus × sinensis L., damit gehört sie zur Gattung der Zitruspflanzen (Citrus) in der Familie der Rautengewächse (Rutaceae). Sie stammt aus China oder Südostasien, wo sie aus einer Kreuzung von Mandarine (Citrus reticulata) und Pampelmuse (Citrus maxima) entstanden ist.
Die aus den gleichen Elternarten entstandene Bitterorange wird wegen ihrer gänzlich unterschiedlichen Verwendung von den süßen Orangen unterschieden. Während die Bitterorange spätestens im 11.Jahrhundert nach Italien gekommen ist, wurde die süße Variante erst im 15. Jahrhundert nach Europa eingeführt, wo sie zunächst fast ausschließlich in Portugal angebaut wurde. Heute ist die süße Orange die am häufigsten angebaute Zitrusfrucht der Welt.“
Die Differenz zwischen Orange und Bitterorange ist frappierend – auch und gerade in der Welt des Parfums:
„Daneben dient die Orange auch als Quelle von Duftstoffen: Aus den Orangenschalen gewinnt man das Terpen d-Limonen, das als biogenes Lösemittel und Rohstoff für die Parfümindustrie vielseitig verwendet wird. Das edel riechende Neroliöl erhält man durch Wasserdampfdestillation der Orangenblüten, wobei zumeist jedoch nicht die Blüten von Citrus sinensis, sondern die der Pomeranze (Citrus × aurantium) zum Einsatz kommen.“
In dem Zusammenhang konnte ich es mir nicht verkneifen, diesen Unterschied noch einmal ausführlich darzulegen, weil man schon wieder überall etwas von Orangen im Zusammenhang mit Le Petit Grain lesen konnte, was schlichtweg nicht korrekt ist.
Aber kommen wir zum Duft, zu Le Petit Grain…
Lyn Harris zeigt einmal mehr, dass sie eine exzellente Parfumeurin ist. Wir haben es hier wirklich mit einem Duft zu tun, der nach einem klassischen Cologne riecht, dessen Sillage, auch aufgrund der Konzentration aber natürlich besser ist. Allerdings ist Le Petit Grain keinesfalls verschnarcht oder altbacken, ganz im Gegenteil – der Duft ist eines jener raren. Beispiele, wie man der alten Duftidee eines Hesperidencolognes neuen Atem einhauchen kann. Sehr gut umgesetzt, überaus authentisch duftend und für beiderlei Geschlechter tragbar, das ist Le Petit Grain: Zitrisch prickelnd, erfrischend, belebend. Von Kräutern geküsst, vor allem von Thymian und Rosmarin, die auf aromatisch-krautig-herbem Lavendel tanzen und auf einer Basis von Moos, Patchouli und grasigem Vetiver ruhen, die ein klein wenig balsamische Wärme spendieren.
Mit Le Petit Grain macht man nie und nichts falsch – im absolut positiven Sinne. Ich kann mir wirklich kaum vorstellen, dass man diesen Duft NICHT mögen kann.
Wie seht Ihr das? Und überhaupt, (Parfum)Hosen runter, die Gretchenfrage: Nun sagt, wie habt Ihr’s mit den Colognes?
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Meine zwei Cologne-Käufe (Eau Moderne von Thirdman und Eau de Narcisse Bleu von Hermes) habe ich schon im heutigen Damage Poll gebeichtet, es kam eher überraschend, da ich diese Art von Düften bisher für zu altmodisch hielt. Das trifft auf die modernen Colognes natürlich überhaupt nicht zu, ich finde sie bei dem heissen Wetter geradezu genial. Insbesondere Eau de Gentiane Blanche, den ich mir auch schon vorgemerkt habe, begleitet mich dieser Tage sehr oft.
Die puristischen Flakons der Hermes-Colognes mit ihren wunderschönen gefrosteten Farben zählen übrigens zu meinen Lieblingsflakons, wie auch die lilablaue Hiris-Flasche.
Liebe Grüße
Dorothea
Oh ja, liebe Dorothea, die Hermès-Flakons sind toll, allen voran auch und gerade die der Hermèssence-Linie. Eau de Gentiane Blanche mag ich auch sehr, da zögere ich immer wieder, ob ich den nicht noch „brauche“…
Und Colognes – ich persönlich finde einfach, dass an heißen Sommertagen so gut wie nichts anderes geht, mal mit Ausnahme von schwülen Ausgehabenden, da kann man auch etwas höher stapeln…
Liebe Grüße zurück,
Uli.