… habe ich mir meine beiden Lieblinge aus der Kollektion von EgoFacto aufgespart, nämlich Jamais le Dimanche und Me Myself and I. Letzte Woche hatte ich Euch bereits die ersten fünf Düfte dieser Kollektion von Pierre Aulas vorgestellt, der vor der Gründung seines Labels bereits jahrelang in der Duftbranche arbeitete. Der schöngeistige Franzose sieht sich selbst in seinem Beruf als Scent Consultant als eine Art Makler zwischen den Parfumeuren und seinen Kunden, die eine bestimmte Vorstellung von einem Duft und/oder gewisse Anforderungen mitbringen, zumeist in Anlehnung an gesellschaftliche Moden oder Vorhersagen für ebensolche, getätigt von Trendforschern. Bis ein Duft dann letztendlich steht, als Konzept, und hinterher entsteht, als Duft, dauert es manchmal lange – und auf diesem Weg werden Möglichkeiten verschließen, Ideen abgelehnt. Ideen, die es oft wert wären, in die Tat beziehungsweise: den Duft umgesetzt zu werden. Die aber einfach nicht – zum Auftraggeber passen, dessen Wunsch entsprechen. Aulas, der sehr eng eingebunden ist in den Entstehungsprozess von den Düften seiner Auftraggeber, fand es oftmals unglaublich schade um einige verworfene Düfte, die sich nicht durchsetzen konnten und somit nie die Nasen der weiten Welt erobern konnten. Und so kam es, dass seine Kollektion einige solcher Kleinode enthält, die er uns ob ihrer Schönheit nicht vorenthalten wollte. Dieser Gedanke gefällt mir – und ich habe mich extra nochmals diesbezüglich für Euch erkundigt, konnte aber leider keine Details herausbekommen, welche Düfte das sind und in welchem Zusammenhang sie es nicht geschafft hatten… Neugierig wäre ich ja schon…
Aber kommen wir zurück zu unseren beiden heutigen Kandidaten, von denen Jamais le Dimanche der erste ist:
„It brings opposites together, ones that never should have met: „divine“ incense and „evanescent“ marijuana. But are they so different after all if, when they are not imprisoned in a perfume, they both disappear in a puff of smoke? That’s another question! Demonic. Whatever they are, they are brought together here by a very modern and very fresh ozonic accord. It has the same function as a breath of fresh air. It unites them by entwining them, their smoke and their differences.“
Ambivalenz ist hier angesagt – oder doch nicht? Weihrauch und Marihuana, was für eine nette Mischung. Die heilige und die verbotene Räucherware… An beidem kann man sich berauschen, erst recht, wenn es so unglaublich schön daherkommt wie Jamais le Dimanche (was soviel heißt wie „Sonntags nie“): „A subversive ozonic incense“, so beschreibt Aulas den Duft – und es gibt fast keine bessere Beschreibung. Überhaupt fällt es (mir?) schwer, Jamais le Dimanche in Worte zu fassen: Ein Hauch Nichts – und doch präsent. Eine herrliche Brise Etwas, die genau dann wieder verschwindet, wenn man ihrer gewahr wird. Eine skinnige Aura, umschmeichelnd, betörend, aber… diffus, flüchtig, aber nie verloren. Alberto Morillas ist der Mann hinter dem Duft – und an einem Mann sieht er in auch in allererster Linie:
„An elusive man. Not because he is here one day and gone the next. But elusive because he cannot be defined by an attitude. To tell if he’s an angel or a demon, the opposite or both at the same time, it depends on the hour and the day.“
Meiner Meinung nach ist Jamais le Dimanche unisex. Und, das verspreche ich Euch – ein Spalter. Genauso wie sein Schöpfer, der zwar, wie schon erwähnt, bereits diverse Klassiker kreierte, aber eben auch für Firmen wie S-Perfume (heute: A Lab on Fire) tätig war. Ozon, Marihuana und Weihrauch werden als Ingredienzen angegeben – und finden sich irgendwie auch wieder: Ozon, an Reinigungen erinnernde Synthetikfrische, Wässrigkeit (die nie ins Maritime abgleitet, sondern immer rein und eben „nur“ nass bleibt), klandestine Süße, wabernd, sowie Anmutungen kokeligen Rauches, hin und wieder. Welche, die mich zeitweise an Papier d’Armenie, armenisches Räucherpapier erinnern. Haarspray-Aldehyde – zwischendurch. Und dann, später – Weichheit und würzig-süßer Rauch. Vanillegeküsste Moschuswattebällchen, von leichten Dope-Schwaden davongetragen? Ja, so in der Art. Ich verstehe die Assoziation. Und der Duft passt, keine Frage – obgleich er auch ohne seine schöne Story lebt. Aber – er ist diffus. Unentschlossen – im völlig neutralen Sinne. Wechselhaft, launisch. Schwer greifbar. Das kann man mögen, sehr. Das muss man aber auch mögen – sonst wird man sich für Jamais le Dimanche nur schwer erwärmen können. [Nachtrag: Auf meiner Haut erinnert Jamais le Dimanche in der Basis an eine etwas harzigere, aber dennoch ätherisch-luftigere Variation von Humiecki & Graefs Geste – schön!]
Me Myself and I ist natürlich etwas für mich, ganz klar, man erkennt es bereits an den Zutaten: Tuberose, Vetiver und Schierling. Schierling, der giftige, lässt mich dank meines Studiums natürlich gleich an Sokrates denken, der zum Tode durch Trinken des/eines Schierlingsbechers verurteilt wurde (und sich dem Urteil fügte, obgleich er unschuldig war). Schierling in Düften ist sehr schwer zu finden – mir fällt nur wenig ein, namentlich Ormonde Jayne Woman sowie Illamasqua und deren Freak-Düfte, die viel braver sind, als der Name (und die Ingredienzen – man hat, doppelt gemoppelt hält besser, nämlich auch Tollkirsche und Stechapfel verwurstet…) vermuten lässt. Tuberose und Vetiver sind Reizwörter für mich, wie ihr ja wisst. Und die Kombination gefällt mir ausnehmen gut, die Vater und Sohn Guichard geschaffen haben. Aber zuerst einmal zum Textchen:
„The accord was constructed around the voluptuous and almost heady tuberose. It is its generosity that expresses the ultra femininity. But the addition to the top note of a completely new harmony of poisonous hemlock flower makes it intriguing, almost bitter. To top it all off, it is strengthened by the smoky and mysterious Javan vetiver. No question, this perfume is disturbing. More to the point, love for this perfume will be nothing less than absolute.“
Der letzte Satz trifft den Nagel auf den Kopf und das Parfum auf den (Flakon)Deckel: Me Myself and I macht keine Gefangenen. Entweder man liebt den Duft – bei allen anderen wird er völlig fehlgehen, da bin ich mir sicher. Wahrscheinlich trifft das auch auf den angepeilten Träger zu:
„A woman (or a man for that matter) who plays on her Ego. This doesn’t stop her from being generous, even if she can quickly turn into a sweet empoisonner. She is so „addicted“ to her perfume that she couldn’t care less what others think.“
Me Myself and I ist – eine echte Kante. Ein ganz klares Statement. Wir haben es hier mit einer fetten Tuberose zu tun, einer FSK-18-Variante ihrer Gattung. Madame ist eine Verführerin und weiß, was sie tut, bekommt aber schon von Anfang an Gesellschaft. Und zwar einerseits von Vetiver, salzig und verhalten zitrisch in seiner Anmutung. Und andererseits von Schierling, einem krautigen Dunkelstbittergrün. Dieses Trio Infernale, das durchaus gleichberechtigte, entwickelt sich prächtig im gemeinsamen Spiel: Tuberose betört und narkotisiert, legt darüber hinaus pilzige Anklänge und Lederakzente an den Tag, die von dem warm-würzigen Schierling verstärkt werden, der sich wiederum in ein erdenes Gewand hüllt, von rauchigem Vetivernebel umgeben.
Me Myself and I… ist eine Diva. Und zwar eine mit Charakter, Geist und Markanz. Vergöttert sie oder verlasst sie, es ist ihr gleich. Ich liege dem Duft im übrigen schon zu Füßen. Eine tolle Ergänzung zu meinem anderen, ebenfalls eigenen, aber vollkommen different gearteten Vetiver-Tuberosen-Duft Royal Pavillon aus dem Hause Etro.
Und, welcher Duft von EgoFacto hat es Euch am meisten angetan? Was werdet Ihr testen, was habt Ihr schon getestet?
Gespannte Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Im übrigen ist die Webseite von EgoFacto einen Besuch wert: Dass das Konzept rundherum stimmig ist, habt Ihr sicherlich dieser Tage schon bemerkt. Abgerundet wird es mit Videos von Pierre Aulas zu jedem einzelnen Duft sowie einem witzigen Egoquizz, das einem den richtigen Duft zum eigenen Charakter zu finden verspricht. Viel Spaß!
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