… brillierte, und das wusste man ja schon vorher, mit einer Auswahl an potentiellen Kandidaten von außergewöhnlich hoher Qualität. Im Gegensatz zum letzten Jahr, in dem eher Feel-Good-Filme wie The Artist oder Hugo angesagt waren, die nebenbei bemerkt, auch oftmals als Hommage an das Medium Film, die Institution des Kinos selbst zu sehen waren, zeigte die Ausrichtung der Filme dieses Jahr eher politischen Charakter, der auch im Vorfeld für gehörig Feuilletonzündstoff sorgte. Mit Argo wurde eine aberwitzige Befreiung von sechs us-amerikanischen Botschaftsangehörigen aus dem Iran thematisiert, die dort 1979 als Geiseln genommen wurden. Rausgehauen wurden sie mittels einer durch Kanada und die CIA gemeinsam durchgeführten Rettungsaktion namens Canadian Caper unter dem Deckmäntelchen eines, ja wirklich, Science-Fiction-Films beziehungsweise dessen Drehs. Der Oscar als bester Film war in diesem Falle, obgleich Argo mit Sicherheit der Konsenskandidat (zwischen dem Gutmenschenfilm Lincoln und den beiden Polit-Bomben Django Unchained – Ihr erinnert Euch, die N-Word-Debatte – und Zero Dark Thirty) war, überaus verdient – und beweist einmal mehr, dass wir Ben Affleck, ehemals Teil von Bennifer, in Zukunft nicht mehr unterschätzen sollten.
Der zwölffach nominierte Spielberg-Film Lincoln gleicht einer Geschichtsstunde, indem er sich der zweiten Amtsperiode des amerikanischen Präsidenten Lincoln widmet, dem es nach erbittertem Kampf gelang, die Sklaverei in den USA abzuschaffen. Meiner Meinung nach nicht der beste Film des diesjährigen Festivals, aber trotzdem sehr sehenswert durch die wie immer grandiose Performance des als Method-Acter bekannten Daniel Day-Lewis. Day-Lewis überragte Joaquin Phoenix (ebenfalls eine tolle Leistung in The Master), Hugh Jackman (Les Misérables – nicht mein Fall), Denzel Washington (Flight – guter Film, lebt aber auch vom Hauptdarsteller) und Bradley Cooper (Silver Linings Playbook – schön! Und Cooper endlich als Charakterdarsteller, nicht mehr nur als schöner Schnösel) und wurde damit zum einzigen Mann, der dreifach mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.
Django Unchained, der neue Tarantino-Film, der sich wie Lincoln auch mit der Sklaventhematik auseinandersetzt, hätte meines Erachtens nach den Oscar als besten Film ebenfalls verdient gehabt, Herr Tarantino durfte aber den Oscar für das beste Originaldrehbuch mitnehmen – auch nicht schlecht. Darüber hinaus gelang es Christoph Waltz, erneut einen Oscar für den besten Nebenschauspieler zu gewinnen – wieder in einem Tarantino-Film. Davor war es Inglourious Basterds, jetzt ist es Django Unchained – Waltz ist in Hollywood angekommen, definitiv. No more Tatort. Für mich wäre das vor Jahren undenkbar gewesen, einmal wieder einen deutschsprachigen Charakterschauspieler in Hollywood zu finden – geschweige denn jemand Vernünftiges aus dem deutschen Fernsehen hervorgehen zu sehen… Wer weiß, was oder wer dort schlummert – denn Schuld an der Misere des Öffentlich-Rechtlichen sind ja wohl die Macher und deren fehlender Mut. In Amerika hat man es bereits vorgemacht, sowohl in Hollywood als auch mit Fernsehserien: Anspruch und Unterhaltung müssen sich nicht beißen und schließen sich auch nicht aus…
Wenn wir schon bei Österreichern sind: Sehr gefreut hat mich der Oscar für Michael Haneke, den er für sein sein sensibles und erschütterndes Sterbedrama Amour bekam, das als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde. Haneke ist ja bekannt für schwere Brocken, wurde aber bisher eher auf den eher Arthaus-lastigen Filmfestivals wie vor allem Cannes wahrgenommen und ausgezeichnet. Dass man sich nun in Hollywood traut, diesem Film nicht nur den Auslandsoscar zu verleihen (der zugegebenermaßen häufiger an (thematisch) sperrige Filme geht), sondern diesen zudem noch in der Kategorie des besten Films, der besten Regie, des besten Drehbuchs und der besten Hauptdarstellerin zu nominieren – das ist definitiv eine Ausnahme und ein Sonderfall. Auch wenn der Film Arbeit ist und in meiner persönlichen Liste der Stimmungskiller-Filme ganz weit oben steht – eine dringende Empfehlung!
Die größte Empfehlung, die ich aber aussprechen kann, bekommt von mir Beasts of the Southern Wild. Ich habe den Film schon vor über einem halben Jahr gesehen, damals, ganz neu, auf einem Filmfestival. Und plane seitdem, Euch dieses Werk vorzustellen, hatte aber bisher keinen geeigneten Anlass gefunden, keinen Duft, der dazu passen mag.
Wie sehr habe ich mich gefreut, diesen Film nominiert zu sehen – und noch dazu in so vielen und zudem wichtigen Kategorien (Bester Film, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Hauptdarstellerin – die jetzt Neunjährige Quvenzhané Wallis, die jüngste jemals Nominierte in dieser Kategorie). Ein einzigartiger Film – und was ihn noch einzigartiger macht ist sein Hintergrund: Es ist ein Erstlingswerk. Benh Zeitlin, der Regisseur, ist gerade mal 30 Jahre alt. Er schuf diesen Film mit für das heutige Kino läppischen 1,3 Millionen. Er schrieb sogar die Filmmusik selbst. Alle Schauspieler sind Laiendarsteller und standen noch nie zuvor vor einer Kamera – auch nicht die kleine Quvenzhané.
Der vielfach preisgekrönte Beasts of the Southern Wild ist – eine Fabel, eine Heldensage, ein modernes Märchen, eine magisch-realistische Erzählung, deren Hauptfigur die kleine Hushpuppy ist. Das sechsjährige Mädchen wohnt mit seinem Vater in den abgeschnittenen Sumpfgebieten Louisianas an der Küste des Golfs von Mexiko. Man ist unter sich, die Menschen haben sich vom Rest der Welt abgewandt, leben nach eigenen Regeln. Einige kennen den Rest der Welt nicht, wissen nicht viel von draußen – Hushpuppy, die noch nie woanders war als in ihrem Bathtub (= Badewanne) genannten Dörfchen, natürlich erst recht nicht. Und so malt sie sich ihre eigenen Vorstellungen, die den ganzen Film dominieren. Die unglaublich kraftvolle und authentische Darstellung ist ein wahrer Genuss – und lässt uns Hushpuppy liebend gern folgen: Sie erklärt und die Welt, philosophiert über das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Bewegt sich in der für sie magischen, mächtigen, göttlichen Natur – und bemitleidet die Menschen gegenüber von den Dämmen und den Raffinerien, die so gut wie keinen Urlaub haben sowie Fisch nur aus der Dose kennen und essen.
Dennoch ist das Leben der Menschen in Bathtub nicht ganz einfach – und Hushpuppys Ausgangssituation auch nicht schön: Bei ihrem Vater wird nach einiger Zeit eine schwere Herzerkrankung festgestellt, die er Hushpuppy verheimlicht, weshalb wir im Film davon lange Zeit nur Ahnungen und Nebulöses mitbekommen. Er verändert sein Verhalten Hushpuppy gegenüber, für die das unerklärlich scheint. Dann ist da noch die Geschichte mit ihrer Mutter, die laut ihrem Vater „weggeschwommen“ ist, irgendwann. Etwas, was ihn bis heute wohl noch trauern lässt, da er seine Frau scheinbar sehr liebte, die Schöne, die ihm früher immer Krokodil kochte auf ihre ganz eigene Art. Hushpuppy sehnt sich danach, ihre Mutter zu sehen, die ihrer Phantasie nach irgendwo bei oder hinter den Leuchtfeuern wohnt. Darüber hinaus zieht ein heftiger Sturm auf, der Bathtub bedroht. Und Hushpuppy sieht das Schmelzen der Polkappen voraus, das laut einer Legende uralte Kreaturen, Auerochsen, wieder zum Leben erweckt…
Man muss sich einlassen auf diesen Film – und Zeitlin schenkt uns damit etwas ganz Wunderbares: Die Augen eines Kindes. Wir können mit Hushpuppy durch ihre Welt laufen, lassen uns von ihr entführen und verführen. Diese Kraft der Erzählung hat mich so sehr berührt. Dieses Kind, das inmitten, sagen wir mal: widriger Umstände so unbändig ist, so lebensbejahend und so zugewandt. Diese wunderschöne Fabel, untermalt von herrlicher Musik.
Und tatsächlich habe ich nach langer Suche einen Duft gefunden, der furchtbar gut zu Beasts of the Southern Wild passt – es ist Atelier Colognes Mistral Patchouli.
Zwar ist dieser Duft dem Mistral gewidmet, jenem kühlen Nordwestwind, der über Frankreich hinunter in den Mittelmeerraum weht (Profumi di Pantelleria widmeten diesem Wind bereits ihren Duft Maestrale). Ein kleines Geschichtchen gibt es auch noch aus aus dem Hause Atelier Cologne zum Duft:
„Just as they could not stop the winds from blowing, nor could they stay apart any longer. They left everything behind, but they were together, fearless and free. They laughed in the sea salt air and shared a final moment on land before setting sail under the luminous blue sky.“
Mistral Patchouli soll ein „furchtloser Abenteurer“ sein – das trifft auch auf die kleine Hushpuppy zu, die im übrigen in Beasts of the Southern Wild auch einmal ins Meer sticht. Die Zutaten: Kopfnote: Pampelmuse, Schwarzer Pfeffer, Sternanis; Herznote: Iris, Weihrauch, Geranium; Basisnote: Patchouli, Benzoeharz und Vetiver.
Schon gleich im Auftakt zeigt sich die Ambivalenz des Duftes: Salzig-säuerliche Pampelmuse, an Meeresgischt erinnernd (und, nebenbei bemerkt, an Sel de Vétiver von The Different Company), im Kontrast zu jener weich-würzig-aromatischen Frische von Sternanis, erdigem Irispuder, minzig-grünem Geranium und zarten Weihrauchschwaden. Die Erdigkeit wird von feuchtem, aber trotzdem schwebendem Patchouli untermalt und getragen, jenem Protagonisten, der sich hier trotz des Namens nicht als Solospieler zeigt. Das Vetiver verstärkt sowohl salzige, als auch grüne und rauchige Anklänge, während Benzoeharz dem Duft wärmend-kokelnde Holzigkeit einhaucht.
Für mich ist Mistral Patchouli ein kontemplativer, schöner und nachdenklich-leiser, träumend-malerischer Immergeher (am besten für das wärmere Halbjahr), der hervorragend zu dem herrlichen Film passt.
Wie sieht es aus: Habt Ihr Mistral Patchouli schon getestet? Habt Ihr Beasts of the Southern Wild schon gesehen – oder auch sonstige Oscar-Filme? Habt Ihr auch wegen der Verleihung die Nacht zum Tage gemacht? Wie fandet Ihr sie, falls Ihr geschaut habt? Fragen über Fragen…
Ganz viele liebe Grüße,
Eure Uli (die, nebenbei bemerkt, nach einem furchtbar anstrengenden Wochenende und den Oscars den kompletten Montag durchgeschlafen hat)
Beasts of the Southern Wild – jenseits aller öffentlichen Auszeichnungen ist dies für mich einer der (DER) Filme dieses Jahres und wohl auch weit darüber hinaus. Er verbindet eine ganz eigene, sehr junge, beinahe wilde erzählerische Fantasie mit uralten und mythologischen Motiven, oft nur angedeutet, ja: nebulös. Vor allem aber poetisch. Und du hast recht, liebe Uli: Darauf muss man sich einlassen, dann wird man reich belohnt. Vielleicht passt es am Ende sogar ganz gut, dass Quvenzhané Wallis für ihre Darstellung den Oskar nicht bekommen hat. Denn es scheint mir, als würde sie ihre Rolle nicht spielen, sondern verkörpern, als würde sie die Geschichte in ihrer ganzen Tiefe intuitiv verstehen und vermitteln. Ganz großes Kino! Und einem gelungenen Parfum gar nicht unähnlich.
Ausserdem ist es schön, auf diesem Weg den „Mistral Patchouli“ ans neugierige Herz gelegt zu bekommen. Der hatte mir schon einmal ganz aus der Ferne zugewunken, nun werde ich ihn auf jeden Fall testen.
Liebe Uli,
die Oscar-Nacht wollte ich mir schon immer mal am Fernseher mit erleben. Aber, der Schichtplan ist jedes Jahr gegen mich.. eine Woche früher, da war ich krank, da hätte es gut gepaßt. Aber so …. ich mußte schuften 🙁
Und bei der Zusammenfassung am Abend, war ich schon so kaputt das ich gleich eingeschlafen bin. Naja … was soll es … paßt schon mal irgendwann … hoffentlich …
Danke für den Filmtip !!!! Und natürlich für den Duft-Tip!!!
Überall steht zur Zeitung steht ja derzeit, 40 Jahre ist es her, das der letzte Winter so trist war. Ehrlich gesagt, mir kam er gar nicht trist vor. Also, ich bin gut durch den Winter gekommen – ohne berühmt berüchtigte Winterdepressionen. Das habe ich nur Granada, Impossible Iris,und Isles Lointaines zu verdanken. Eine gute Duft-Therapie für den Winter. Deswegen ist es herrlich immer wieder was neues zu entdecken und sich sozusagen selbst zu „therapieren“. Dir ein schönes Wochenende !!!
Üt
@ Stefanie: Die kleine Wallis wird sicher noch ihre Oscar-Chancen haben 😉 Zumal wohl auch der Regisseur von BotSW einen neuen Film mit den alten Darstellern (die jetzt keine Laien mehr sind…) machen wird. Wir dürfen gespannt sein 🙂 Was die Rolle angeht – ich denke auch, dass Wallis sich selbst gespielt hat 😉 Kennst Du Mistral Patchouli jetzt schon?
@ Üt: Der Film wird Dir sicher gefallen – schau ihn Dir auf jeden Fall an! Was die Dufttherapie angeht im Winter – das funktioniert recht gut, hat mich dieses Jahr aber nicht gerettet… die Rettung war der Urlaub, hach 🙂
Viele liebe Grüße,
Eure Uli.
Mistral Patchouli passt tatsächlich wunderbar zu diesem Film – oder auch umgekehrt 🙂 Und ihm gelingt, was eigentlich gar nicht geht: etwas Wildes, sehr Freies nicht mit einem Pauken-, sondern einem Wimpernschlag zu vermitteln. Bei diesem Duft sehe ich einen Menschen vor mir, der immer etwas Sonne im Gesicht und ein bisschen Wind in den Haaren hat, auch wenn er am Schreibtisch sitzt. Der einem Sturm entgegenlacht, weil er weiß, dass es unmöglich (also unnötig) wäre, gegen die Natur anzukämpfen. Und der zumindest ahnt, vielleicht sogar weiß, wie ähnlich sie sich letztlich sind, der Sturm und er. Und ja, für mich ist dieser Mensch eher ein „Er“ und der Duft, obwohl fließend und weich, einen Tick zu unsüß, um ihn selbst zu tragen. Aber verschenken würde ich ihn liebend gern, an einen Mann, einen sanften Abenteurer, dem Jeans und T-Shirt ebenso gut passen wie ein Maßanzug.
Solltest Du, liebe Stefanie, eine Ecke kennen, ein Nest, was auch immer, wo es GENAU SOLCHE Männer geben könnte – gib mir bitte Bescheid, samt Koordinatenangaben, genauen 😉
Danke für den schönen Beitrag!
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Leider ist gerade das der Nachteil an diesen sanften wilden Kerlen – sie lassen sich äußerst ungern verorten. Hilft nur Segel setzen und hinterher. Gut, wenn wir dann wissen, welchem Duft wir dabei folgen müssen 🙂
Damit hast Du mir wirklich nachhaltig ein Lächeln ins Gesicht gezaubert 🙂