… sind wir nun beim (Gott sei Dank nur) vorerst letzten Duft der Arquiste-Kollektion angelangt, die mich dieser Tage sehr erfreute – Euch eigentlich auch? Habe ich Euch neugierig gemacht? Ich hoffe es doch, denn diese Schmankerl sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.
Aleksandr von Arquiste macht mit uns einen Zeitsprung ins St. Petersburg des Jahres 1837. Harmen hat den Text bei uns im Shop ganz wundervoll überarbeitet: „Es ist Januar und Väterchen Frost tut gewissenhaft sein Werk. An diesem Winternachmittag beendet ein schneidiger Herr seine Toilette, indem er sich mit einem Duft aus Neroli und Veilchen betupft. Er schließt seine Manschetten, schlüpft in einen schweren Pelzmantel und schreitet in polierten Lederstiefeln hinaus. Als er mit seinem Schlitten abfährt, breitet sich ein holziger Tannenduft aus. Weit hinter den schneebeladenen Bäumen, auf einer in das Rot der Dämmerung getauchten Lichtung erwartet ihn das schicksalhafte Duell.“
Die Rede ist von Alexander Puschkin, dem großen russischen Literaten, auf seinem letzten Gang. Wie Ihr Euch denken könnt, steckt dahinter natürlich eine Liebesgeschichte, die einige Zeit brauchte, bis sie richtig in Schwung kam: Puschkin lernte seine Angebetete, die 13 Jahre jüngere Natalja als Sechszehnjährige auf einem Ball kennen. Sie verliebten sich, es dauerte aber lange, bis Nataljas Eltern, ein reiches Fabrikantenehepaar, in die Hochzeit einwilligten: Puschkin entstammte zwar einem alten Adelsgeschlecht und war bereits als Dichter berühmt, war aber alles andere als wohlhabend und darüber hinaus als Lebemann bekannt, dem der Zar aufgrund seiner Bekenntnisse zum Atheismus als auch staatskritischer Äußerungen sehr genau auf die Finger schaute bei seinen Veröffentlichungen. Sie bekamen sich natürlich doch, lebten eine Zeit auf dem Land, dann wieder am Hof, wo Puschkin große Schulden machte. Madame hegte und pflegte ein aufwändiges Leben, ihn zog es eher in die Einsamkeit und Freiheit des dörflichen Lebens, hinaus aufs Land wollte her, wo er seine größten Schaffensperioden hatte. Das blieb ihm aber wohl bis ans Lebensende fortan verwehrt, das in leider sehr früh ereilte – er wurde keine 37 Jahre alt.
Nataljas Schwester hatte den sehr gut aussehenden Franzosen Georges-Charles de Heeckeren d’Anthès geheiratet, einen Leibgardeoffizier der Zarin. Dieser machte Natalja wohl fortwährend in einer Weise den Hof, das alsbald ganz St. Petersburg darüber raunte und die Gerüchteküche brodelte. Für Puschkin, einen von Kindesbeinen an sehr leicht reizbaren Gesellen, heißblütig und leidenschaftlich, war das unerträglich: Er forderte seinen Schwager zum Duell heraus und wurde dabei angeschossen, woraufhin er zwei Tage später auf dem Krankenbett an diesem Bauchschuss verstarb. Er hatte wohl geahnt, dass Natalja für seinen Tod mitverantwortlich gemacht werden würde: „[…] die Welt wird über sie herfallen“ (Friedrich Bodenstedt: „AlexanderPuschkins poetische Werke“ 1855, S. 241 – zitiert nach Wikipedia) ließ er noch vom Sterbebett aus verlauten. Der Zar setzte sich später für die Witwe und ihre drei Kinder ein: Er beglich Puschkins Schulden, bezahlte Natalja eine Pension und sorgte für eine Veröffentlichung der Gesamtausgabe seiner Schriften, deren Erlös zugunsten von Natalja ging.
Eine traurige Geschichte. Mich hat natürlich auch interessiert, wie es mit den beiden Überlebenden ausgegangen ist: Natalja hat noch einmal geheiratet, bekam zwei weitere Kinder und ist mit Anfang Fünfzig gestorben. D’Anthès wurde inhaftiert, vom Zar daraufhin begnadigt, aber degradiert, vom königlichen Hof verbannt und des Landes verwiesen. Er kehrte zurück nach Frankreich, wo er unter Napoleon Karriere machte.
Der Tod Puschkins erschütterte ganz Russland – er gilt dort bis heute noch als der Literat, ist wesentlich beliebter als die im Ausland bekannteren Autoren wie Dostojewski, Tolstoi oder Gogol. Der junge Dichter Michail Lermontow schrieb zu seinen Ehren das leidenschaftliche Gedicht „Der Tod des Dichters“, das sich in dem in Aufruhr verfallenen Russland in Windeseile verbreitete. Darin kritisierte er wortgewaltig die Intriganz der reichen Peterburger Gesellschaft und gab ihr die (Mit)Schuld am Tod des für diese oft unbequemen Querulanten Puschkin. Dieses Gedicht blieb nicht unerhört – es brachte dem gerade mal 22jährigen die Verbannung in ein Militärregiment im Kaukasus ein. Dieses überlebte er, starb aber später in ebenfalls zartem Alter mit 26 Jahren an, na was wohl, einem Duell.
In Puschkins Hauptwerk, dem Eugen Onegin, beschrieb er den Kleiderschrank oder besser: den Inhalt desselben eines Gentlemans aus dem 19. Jahrhunderts: Parfumflakons aus kostbarem Kristall, bernsteinfarbene türkische Pfeifen, silberglänzendes Rasierzubehör und andere Accessoires aus Frankreich und England. Damit hat sich wohl auch Puschkin vor seinem Duell zurechtgemacht. Und jenes Bild hatte auch Vasnier im Kopf, als er seine Hommage Aleksandr für Arquiste schuf.
Ich weiß nach einem Test von Aleksandr schon wieder, warum ich von Vasnier noch Großes erwarten werde und weshalb ich ihm den ersten (und wahrscheinlich auch einzigen ;)) Liebesbrief hier in diesem Blog gewidmet hatte – siehe hier.
Aleksandr ist von berückender, unaufdringlicher Schönheit, sehnsuchtsvoll und wehmütig. Wir haben es hier mit einem Veilchen zu tun und geneigte Leser werden wissen, dass es mit mir und den Veilchen ein steiniger Weg war. Neroli haucht dieser zarten, sonderbaren, kleinen, unendlich schönen Blüte ein wenig Honigsüße ein, bestäubt umhüllend jenes blaue Blümelein, das mich wieder einmal fatal an das Symbol der Romantiker, jene Sehnsuchtsblume erinnert. Eine balsamisch-aromatische Schwere haftet ihm an, eine melancholische, sauber-holzige, während es von butterweichem Leder umfangen wird, behütend, beschützend und stark. Es wirkt so abgeklärt, einerseits, so lebensschwer. Und andererseits so traumhaft leicht. Die Leichtigkeit des Seins, die nicht immer eine ist?
Ich bin ganz verliebt in dieses herrliche Veilchen und möchte mehr, mehr, mehr von Herrn Vasnier. Und natürlich von Arquiste. Allzu lange müssen wir nicht auf einen nächsten Duft warten – Boutonnière ist deren No. 7 und alsbald erhältlich: Ein grün-floraler Duft, inspiriert durch Gardenien als Knopflochblumen an den Reverskragen der männlichen Opernbesucher getragen, umfangen von deren Lavendel- und Bergamotte-Colognes. Schon wieder eine Gardenie, wie schön! Hört sich für mich traumhaft an. Bis er bei uns landet erholt sich vielleicht auch mein Portemonnaie wieder 😉
Welches ist Euer Arquiste-Favorit? Habt Ihr schon getestet? Ich bin gespannt!
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Ja, liebe Kati, DU solltest auf jeden Fall einmal testen!
Liebe Uli,
war im Urlaub in Trier und Weimar ein paar Tage und kam gerade dazu die fehlenden Tage nachzulesen. Wow……. ich hatte wirklich eine Gänsehaut ! Hoffentlich bezahlt dich Herr Wuchsa pro geschriebenem Wort ! Die Kollektion von Arquiste ist toll. Aleksandr hat es mir glaube ich am meisten angetan,weil ich ja gerade so im Neroli-Wahn bin !!!
herzliche Grüße
Üt
Huhuu liebe Üt,
nein, ich bin nur als Ganzes zu haben und zu erwerben 😉 Jaa, die Arquiste-Gesellen sind schon richtig toll – ich bin noch schwer dabei zu überlegen, was nun unbedingt her muss und was warten kann oder was „man“ jetzt nicht sooo unbedingt braucht… Uaaah. Urlaub – schön, das freut mich sehr für Dich! War es schön und erholsam und überhaupt? Aber – auch schön, Dich zurückzuhaben 😉
Liebe Grüße,
Uli.
Liebe Ulrike,
Du hast es (mit Harmens grossartiger Unterstützung) wieder geschafft: auch ich bekomme Gänsehaut… Dieser verhängnisvolle Januartag: kalt, grau, verschneit… Er steht für die Kälte der damaligen high society ihrem letztlich bekanntesten Abkömmling gegenüber und für das indifferente Schicksal, das nicht einmal Genie verschont, gleichzeitig. So bildhaft sind eure Texte, dass ich erst gar nicht aufhören kann, schnell weiter zu lesen. Der wirkliche Lesegenuss kommt beim zweiten, dritten Mal. Zuerst überfliege ich jedoch nur schnell die Zeilen und nehme das Geschriebene eher unterbewusst, emotionell wahr, fast nur assoziativ, wie es mir oft bei der guten Lektüre passiert.
Für den respektvollen, sensiblen Umgang mit dem Thema großen Dank und riesiges Kompliment!
Von Arquiste habe ich erst leider nur Abfüllungen von Flor y Canto und Anima Dulcis (ebenso wichtige weitere Tests waren zuerst dran:-)). Beide sind sehr interessant, wobei ich dem zweiten Duft deutlich den Vorzug gebe. Ich werde jedoch unbedingt alle testen, als nächstes möglichst bald den armen, getriebenen und gnadenlos begabten Aleksandr…
Liebe Grüße und einen schönen 2. Advent,
Lena.
Huhuu liebe Lena,
ich bin ein Gänsehaut-Zauberer, fein 🙂 ES freut mich sehr sehr, dass Du unsere und meine Texte so gerne magst! Das berührt mich wirklich sehr!
Ich bin gespannt, was Du von den restlichen Arquiste-Düften hälst!
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Hallo Lena,
Aleksandr ist genial! Wenn Du ihn testest und ausatmest, wirst Du deinen Atem in der Kälte sehen 😀
LG,
Margot
Hallo liebe Margot,
Danke für den Hinweis. Bald werde ich alle Arquiste-Düfte testen können (die Abfüllungen sind gerade in der Bestellung), bin sehr gespannt. Aleksandr fasziniert mich aber besonders: Einerseits weger der (wie immer) brillianten Rezension und andererseits natürlich, weil es um einen Dichter geht, der jedem Russen etwas bedeutet. Zumal es nicht häufig vorkommt, dass in einer erlesenen Düftekollektion einer ausgerechnet dieser Persönlichkeit gewidmet ist. Deine Meinung fällt auch erheblich ins Gewicht. Nun sind die Zeichen unmissverstänlich: Aleksandr muss ich (leider:-() auch haben!:-)
Dir und deiner Tochter wünsche ich wunderschöne Weihnachten und einen glücklichen Rutsch ins neue Jahr!
Liebe Grüße,
Lena
Liebe Uli,
ich habe diese außergewöhnlich schöne Rezension nicht vergessen… aber ich wollte erst darauf antworten, wenn ich den Duft tatsächlich getestet habe… was ich zwei Monate später endlich getan habe.
Um es gleich zu sagen – ich weiß noch nicht, was ich abschließend von dem Duft halte. Zu unerwartet war das, was ich da gerochen habe. Ich habe wohl noch einen Rest Vorurteile gegenüber Veilchendüfte, welche ich aber zunehmend abbaue, nicht zuletzt dieses Duftes wegen.
Mit Aleksandr erging es mir wie mit vielen Düften, die später ein Liebling wurden: Mit der Zeit gefiel er mir auf dem Tuch immer besser.
Vorläufiges Urteil also: Ich muß den Duft nochmal testen. 😉
Vor allem auch zu einer anderen Jahreszeit, denn momentan ist mir (noch) überhaupt nicht nach Blühendem zumute.
Liebe Grüße
Kati
PS: Beim Namen Aleksandr denke ich sofort an den Komponisten Aleksandr Skrjabin, einen meiner Lieblingskomponisten. Als Wegbereiter der Zwölftonkomposition dürften seine Werke wohl eher die unaufgeräumten Gemüter resonieren lassen. 😉
http://www.youtube.com/watch?v=um2dMsn_jiY