Nicole Mathers neues Label House of Sillage hat uns schon gestern beschäftigt, heute geht es munter weiter mit den Düften. Auf dem Programm stehen Nouez Moi und Benevolence.
Nouez Moi ist Duft Nummer Eins und ich möchte zuerst mal dessen Namen ergründen: Soweit meine verstaubten Französischkenntnisse mich nicht trügen, heißt das Verb „nouer“ soviel wie verknüpfen, (ver)binden und lässt sich auch im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen verwenden. Ist das jetzt die berüchtigte Frage oder vielmehr Aufforderung nach dem „Lass uns miteinander gehen!“? Ein halber Heiratsantrag, eine Absichtserklärung auf eine unbefristete Zukunft und eine Bindung ohne vorher feststehendes Verfallsdatum? Wer weiß, zumal das Parfum als Limited Edition auch in einer adretten Geschenkverpackung daherkommt… Ein einnehmendes Wesen ist auf jeden Fall gemeint:
„Beguiling by glance, all in her path are enthralled. She captivates with irresistible notes of Bulgarian Rose, Noble Sicilian Bergamot, and aromatic Indian Cardamom. A sultry potion of exotic spices amplifies the sensuality of seduction.“
Neben den genannten Ingredienzen tragen auch Pfeffer und Patchouli zur Verführungskunst des Duftes und somit auch dessen Trägerin bei. Gerade aufgesprüht zeigt sich Nouez Moi überraschend frisch und spritzig, wobei diese Quirligkeit alsbald verfliegt: Die herbe Bergamotte leuchtet, scheint und strahlt, irisiert aber nicht. Sie verharrt in dichter Opulenz und verschmilzt, fein-säuerliche Frische bewahrend, mit einer herrlichen Rose fruchtig-ausladender Natur. Kardamom unterstreicht grün-aromatisch das Geschehen, während die Röschen von rosa Pfefferkörnern gespickt interessante Akzente erfahren. Patchouli hüllt das bezaubernde Wesen ein und verschafft dem Duft eine pudrig-warme und samtig-kakao-angehauchte Aura.
Benevolence – die Nächstenliebe, Güte, das Wohlwollen – ist der nächste Duft, der an der Reihe ist:
„A gift wrapped in the promise of a journey where the sacred essence of love becomes the source of immortality.“
Die Liebe als Beginn einer Reise in die Ewigkeit… Das hört sich irgendwie nach großer Philosophie an und erinnert mich ein wenig an – Platon. Die Liebe hat bei ihm eine ganz besondere Bedeutung: Sie ist Türöffner für jegliche Erkenntnis und führt den Menschen zur Wahrheit und somit zu dem Schönen an sich. Vom schönen Einzelwesen, dem geliebten, führt der Weg der geliebten Liebe somit zur Liebe des Allgemeinen, zu höherer Erkenntnis und irgendwann zur Erfüllung allen Strebens – der Suche nach Wahrheit. Die Wahrheit irgendwo in den Auswüchsen einer bewusst und gewollt gelebten Liebe zu finden – das ist zwar nicht unbedingt ganz das, was Platon meinte, ich finde es aber einen sehr schönen Gedanken. Das mag sicherlich sehr erfüllend sein und somit einem (ok, mal mehr und mal weniger) himmlischen Zustand gleichkommen – das erklärt dann vielleicht die Engelein auf dem Flakon der Limited Edition von Benevolence.
Bittermandel, Orangenblüte und Bourbon-Vanille sind in den Duft eingeflossen, was ich sehr passend finde: Die marzipanige Bittermandel mit ihrer Bittersüße (und deren potentieller Tödlichkeit, was der Liebe ja nicht ganz unähnlich ist an diesem Punkt…), getragen von sanfter, warm-würziger Samt-Vanille. Leuchtende lockende Orangenblüten blühen – unschuldig und gleichermaßen lodernd, ganz wie die emotionalen und hormonellen Aufwallungen zu Beginn einer Beziehung sein sollten 😉
Eine schöne Kombination, wie ich finde, obgleich keine genuin neue. Trotz allem ist ein Test lohnenswert, wenn einem diese Noten zusagen.
Und, wenn wir gerade schon dabei sind, bei der Liebe: Ihr wisst schon, dass der Begriff der platonischen Liebe heutzutage eigentlich vollkommen missverständlich, vielmehr: falsch verwendet wird? Bei Platon war nämlich echte Liebe nur unter Männern möglich, und diese wurde gelebt von dem Liebenden und dem Geliebten. Der erste meistens ein älterer Herr eines bestimmten Ranges und letzterer ein Knabe (Teenageralter vermutlich), einer, der sich hofieren ließ und von dem Älteren profitierte. Das hört sich ein wenig nach Prostitution an, war aber in der Antike gang und gäbe – und so, wie man es in Athen lebte, sehr wahrscheinlich auch einigermaßen, wie will ich sagen – zivilisiert. Der ältere Part war eine Art Mentor für den Jüngeren und die Paare verband in der Regel tatsächlich Freundschaft und Zuneigung, aber eben auch körperlicher Art. Insofern entspricht das, was wir heute unter „platonischer Liebe“ verstehen, nämlich eine rein geistiger Natur ohne körperlichen Anteil, mitnichten dem, was Platon damit meinte.
Morgen folgt der dritte und letzte Teil – die restliche House of Sillage-Kollektion. Bis dahin alles Gute und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Guten Morgen, liebe Ulrike,
meine morgendliche Lektüre mit deiner Rezension war einfach nur gut an diesem nebligen Tag – vielen Dank, und sie hat mir auch neue Erkenntnisse gebracht – die ursprüngliche Bedeutung der platonischen Liebe, darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.
Desgleichen die Bittermandel als Symbol der Süße und Tödlichkeit der Liebe, ein sehr schöner Vergleich!
Allerdings haben mir auch diese philosophisch angehauchten Gedanken keine Lust darauf gemacht, die Düfte zu testen – wie gestern schon festgestellt.
Schnuppere heute an „Wood & Absinth“ von Mark Buxton … hmmm. seeeeehr schön, der Duft und auch der Flakon, edel, und sie bilden eine Harmonie.
Viele Grüsse, Susanne
Liebe Ulrike,
ich gebe zu, deine zwei Rezensionen über House of Sillage habe ich gar nicht wegen House of Sillage gelesen, sondern weil du mir über Philosophie so viel beibringst (nochmals ganz herzlich vielen Dank!!!).
„Furchtbar“ habe ich gedacht, als ich die Sillage Flakons gesehen habe. Und noch mehr „Furchtbar“ habe ich gedacht, als ich die 2 Videos gestern kurz angeschaut habe. Was soll das sein???
Und seit gestern habe ich immer wieder im Kopf ein wunderschönes Foto: Andy Tauers Hände, mit dem Rose Chyprée Flakon mitten in roten Rosen versteckt. Seine Arme, sein Gesicht im Hintergrund und sein Blick auf uns, auf mich : für mich, die schönste „Parfum Werbung“ der Welt.
(Hier ein Link zum Foto: http://3.bp.blogspot.com/-VCFu7YDYSOk/UEnUGBC352I/AAAAAAAACi4/Byg_SezrWpc/s400/andy.jpeg)
Die Sillage Düfte werde ich nicht testen – sie entsprechen offensichtlich „meine“ Welt gar nicht. Aber die Bittermandel Note, die du erwähnst, erinnert mich an einem wundervollen Buch, das eine für mich (aus persönlichen Gründen) sehr wichtige Geschichte erzählt.
Gabriel García Márquez, „El Amor en los tiempos del cólera“ (Die Liebe in den Zeiten der Cholera)… Hier der erste Satz, der zu „Bittermandel als Symbol der Süße und Tödlichkeit der Liebe“ ganz gut passt:
„Era inevitable: el olor de las almendras amargas le recordaba siempre el destino de los amores contrariados.“ („Es war unvermeidbar: Der Geruch von bitteren Mandeln ließ ihn stets an das Schicksal verhinderter Liebe denken.“)
Wenn Berlin fängt an, zu dunkel und zu kalt zu sein (d.h.: gerade jetzt), muss ich immer wieder dieses Buch lesen. Spanisch kann ich gar nicht sprechen, aber lesen und verstehen schon und diese Sprache gibt mir die Wärme und das Licht, die mir ab November immer fehlen. So viel mehr Licht als Millinonen von Swarowski-Luxus-Steine…
„Spektakuläre Haute Parfümerie“ brauche ich nicht, sondern wahre – nicht „glattgebügelte“ 🙂 – Menschen und Gefühle.
Und „meine“ Mandel Note finde ich heute in Candour von Humiecki & Graef. Hier finde ich wieder ein Konzept – Duft, Inspiration und Design – das mich einfach berührt und überrascht – Candour ist für mich das „modernste“ Parfum, das ich in den letzten Zeiten gerochen habe.
Ganz lieben Gruß und Dir auch alles Gute,
Isabelle
Hallo liebe Susanne,
danke für die virtuellen Blumen 😉 Freut mich sehr zu lesen, dass Dir der Artikel gefallen hat 🙂 Das mit der platonischen Liebe lässt mich eben im Alltag immer schmunzeln, wenn jemand das erwähnt – vor allem auch, weil oftmals eine „rein platonische“ Liebe, so wie wir es heute verwenden, auch nicht rein platonisch ist/bleibt, wenn Du weißt, was ich meine 😉 Insofern ist es im Endeffekt irgendwann meist das Gleiche 😀
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Huhuu liebe Isabelle,
das Foto von Andy Tauer kommt – von Herzen. Wie seine Parfums. Das merkt man ihnen auch an, finde ich. Genauso wie bei Maria Candida Gentile oder Vero Profumo, da fällt es mir ebenfalls besonders auf, wieviel Herzblut in den Düften steckt.
García Márquez? Was für ein tolles Buch 🙂 An den Anfang habe ich gar nicht mehr gedacht… Ich muss es auch einmal wieder lesen, danke für den Fingerzeig 🙂
Was Candour angeht – ja, ich finde ihn auch extrem modern. Und dass ich ein großer H&G-Fan bin, ganz generell, ist ja auch bekannt 😉 Magst/kennst Du denn auch die anderen Düfte?
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Also meine Düfte stehen auch allesamt im Schrank und entsprechend wenig Wert lege ich auf ausgefallene Flakons, der „Saft“ ist das Einzige, was zählt.
Es schadet natürlich nicht, wenn sie trotzdem schön sind, aber bitte nicht zu verschnörkelt, sondern eher puristisch.
Bei ganz aufwendingen Flakons habe ich sogar oft das Gefühl, dass mit deren Hilfe versucht wird, einen minderwertigen oder bestenfalls durchschnittlichen Inhalt aufzuwerten (siehe diverse Celebrity-Düfte).
Die House of Sillage-Düfte sind für mich definitiv keine Must- Haves, ich glaube, ich werde sie nicht mal testen… die Rezensionen fand ich aber, wie immer, Spitze!
Euch allen ein schönes Wochenende,
Dorothea
Huhuu,
habe gerade das Review von Tiara auf nstperfume.com gelesen, kann ich nur empfehlen 😉
Beruhigend zu wissen, dass die amerikanischen Bloggerinnen die Düfte/Aufmachung/dazugehörige Werbespots ähnlich geschmacklos finden…
„Düfte für Footballer-Frauen, Möchte-Gerne-Celebrities und Yuppies mit Minderwertigkeitskomplexen“ – da musste ich doch lachen…
Und die Flakonbeschreibung als „glorified cupcake“ fand ich sehr treffend 🙂
Noch ein schönes Restwochenende 🙂
Dorothea