J.F. Schwarzlose Berlin – Coming soon…

„Coming soon“ sind für mich immer zwei ganz besonders schlimme Wörtchen, besonders wenn mich die Neugierde richtig gepackt hat. Vorfreude ist die schönste Freude? Finde ich nicht, nicht wirklich oder zumindest nicht langfristig. Allzu lange muss ich aber nicht mehr warten, müssen wir nicht mehr warten – und zwar bis J.F. Schwarzlose Berlin bei uns im Shop landen.

Die Firmenhistorie der Berliner ist lang: Gegründet wurde das Haus 1856 unter dem Namen J.F. Schwarzlose Söhne – siehe deren altes Gründungslogo oben -, und zwar als Drogeriehandel und von einem gelernten Klavierbauer. Alle vier Kinder, drei Buben und eine Tochter, sind alsbald in der Parfum- und Kosmetikproduktion tätig, gründen eigene Firmen, führen das Werk des Vaters weiter und expandieren, unter anderem durch Zukäufe anderer Unternehmen. Natürlich wird man auch Hoflieferant, und zwar der Hohenzollern. Der Bekanntheitsgrad der Firma wächst, man beliefert Kundschaft bis ins ferne Asien – sogar der letzte chinesische Kaiser Pu Yi soll Flakons von J.F. Schwarzlose in seiner Sammlung gehabt haben. Die weitere Familiengeschichte ist einigermaßen typisch: Man rettet sich über den 2. Weltkrieg hinweg bis in die 50er, 60er Jahre, das Geschäft läuft schleppend, unter anderem auch, weil die Ladengeschäfte durch die Berliner Mauer getrennt sind. Mitte der 70er gibt dann die Erbin Anni Müller-Godet ihr Familienunternehmen auf.

2012 nun hat man das Unternehmen wiederbelebt – dahinter steckt die Vision und Tatkraft dreier Menschen und Berlin-Liebhabern: Lutz Herrmann, Véronique Nyberg und Tamas Tagscherer. Lutz Herrmann ist international renommierter Industrie- und Produktdesigner und entwickelt bereits seit über 25 Jahren Flakondesigns und Imagekonzepte für bekannte Kosmetikfirmen und Parfumhersteller wie zum Beispiel Joop!, Lancaster oder Beiersdorf. Er entdeckte die Marke „J.F. Schwarzlose Söhne“ im Zuge einer Recherche vor einigen Jahren:

„Die Tradition, die wechselvolle Geschichte, die frühe Modernität dieses deutschen Parfumherstellers erregten seine Aufmerksamkeit. Zwar hatten die zwei Kriege, die Deutschland und Europa in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ins Chaos stürzten, die meisten Aufzeichnungen dieser 1976 eingestellten Firma vernichtet. Über Sammler und Internet-Auktionen sowie Einträge in alten Berliner Amtsarchiven konnte er dennoch einige historische Flakons und über die Weltkriegswirren hinaus erhaltene Informationen in seinen Besitz bringen.“

Ein ganz klarer Fall von Blut geleckt, würde ich sagen. In Herrmann reifte sehr schnell die Idee, dem Haus wieder neuen Atem einzuhauchen und ihm wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Dazu konnte er Véronique Nyberg gewinnen, eine bei dem Aromastoffriesen IFF angestellte Parfumeurin, die bereits für Ungaro, Tous, Lancôme, Choo, Guess, Esprit und andere tätig war. Darüber hinaus sorgt Tamas Tagscherer, Diplomkommunikationswirt und Wahlberliner, für Marketing und Vertrieb. Alle drei betonen ihre Verbundenheit mit Berlin, der Stadt, die Schwarzlose mit ihren Düften in den Roaring Twenties sowie in den darauf folgenden Jahrzehnten beglückte. Die hier gezeigten zwei Werbeanzeigen stammen aus den 30er Jahren und wurden von dem bekannten Werbedesigner Kurt Hilscher geschaffen.

Rosa Centifolia, Eau de Cologne, Lilaflor und Melati Radja gehören zu den ersten Düften des Familienunternehmens, und diese wurden witzigerweise (auch) über Parfumautomaten vertrieben: „Perfume Soap Powder“ verspricht dieser für einen Cent auf ein Taschentuch oder vorgehaltenes Kleiderstück zu sprühen – siehe zum Beispiel hier, viele von diesen Automaten sind wohl leider nicht mehr erhalten. Eine tolle Idee, oder? Nach dem Rauchverbot in Clubs, Diskotheken und Bars würde man sich häufiger wünschen, dass man solche Automaten noch vor den Toiletten finden könnte… Bei diesen vier Düften blieb es natürlich nicht: Electra Muguet, Chic, Peau d’Espagne, Rose Royalin und Violette Royalin, Hyazina, Hohenzollern Veilchen, Finale und Chyperana heißen einige der Düfte, die man als Parfums, Puder, Seifen sowie Beautyartikel (unter anderem Haarwasser) als auch Raumdüfte (ja, auch damals schon!) erwerben konnte. Natürlich gab es noch etliche Düfte mehr – zwei davon hat man jetzt wieder neu aufgelegt:

„Als Hommage an die Markengeschichte und im Zuge eines Revivals knüpfen die beiden ersten neuen Kreationen an alte Erfolge an: „1A-33“ und „Treffpunkt 8 Uhr“. Diese Interpretationen der Schwarzlose-Klassiker atmen „Berliner Luft“, sind modern, ohne abgehoben avantgardistisch sein zu wollen: Düfte von J.F. Schwarzlose Berlin sind von einer Intellektualität, die vom Anspruch auf das Feuilleton befreit ist. Sie sind zugleich Rock’n’Roll und Bohemien. Sie sind extrem, machen süchtig – sie tragen das Herz von Berlin in jeder Note.

„1A-33“ führt als Frühlings-Duft die Lindenblüten der Stadt mit aquatischen Noten als Reminiszenz an Spree und Wannsee zusammen. Diese sinnliche Ode an die Leichtigkeit des Seins, an alles Neue und Verführerische, beschwört sehr subtil eine aufregende Welt amouröser Eskapaden in all ihrer Ambivalenz. Kontrastreichere Aromen kennzeichnen „Treffpunkt 8 Uhr“, ein Duft, der die vibrierende Vorfreude eines Rendezvous eingefangen hat.“

Der Bezug zu Berlin ist den Machern von J.F. Schwarzlose enorm wichtig, was mir besonders gut gefällt: Jeder Duft, ob Neukreation oder Renaissance eines alten Klassikers, sieht sich dem Geiste der Hauptstadt, jener wandelbaren verpflichtet und ist Ausdruck einer ihrer Facetten, ihres Lebensgefühls.

Die beiden Klassiker 1A-33, dessen Name für das frühere Berliner Autokennzeichen steht, sowie Treffpunkt 8 Uhr, beruhen auf den Originaldüften: Leider waren die Rezepturen wohl nicht mehr vorhanden, dafür aber zwei Originalflakons, die dank guter Lagerung die Jahrzehnte unbeschadet überstanden haben. Nyberg analysierte die Düfte und hauchte ihnen behutsam wieder leben ein – neu und zeitgemäß interpretiert, aber die Seele der Originale wahrend. 1A-33 ist in erster Linie ein Lindenblütenduft – siehe auch das neue Logo der Firma, das mittels der Initialen stilisierte Lindenblüten darstellt – der von Jasmin und Magnolien vervollkommnet wird und sich durch Mandarine, Pfeffer, aquatische Anklänge, Iris und Zedernholz abgerundet sieht. Beim Treffpunkt um 8 Uhr erwartet uns eine verwegene Mischung aus Mango(blüten) und Ingwer, die auf einem Herz aus Vetiver ruhen und von Herbstzeitlosen und Salbei vervollständigt werden.

Darüber hinaus ist man im Hause J.F. Schwarzlose um Innovation bemüht: Nicht nur alte Düfte sollen zu neuem Leben erwachen, man hat auch jede Menge innovativer Ideen parat, die umzusetzen in der Zukunft geplant ist. Ich bin sehr gespannt, was uns da erwartet – in Zukunft und dieser Tage, denn auf die vier ersten Düfte müssen wir nicht mehr allzu lange warten. Neben 1A-33 und Treffpunkt 8 Uhr sind das Rausch und Trance:

„Die erste Neu-Kreation trägt den Titel „Rausch“ und ist treuer Begleiter durch Nächte, wie man sie nur in Berlin erlebt. Sich anziehende Gegensätze, der Wesenskern von J. F. Schwarzlose Berlin, machen mit diesem Parfum ein olfaktorisches Statement. Rauchnoten und Andeutung spezieller Bitterstoffe verweisen dabei zugleich auf die Zeit der Goldenen Zwanziger und in die Gegenwart der Nachtclub-Hochburg Berlin.“

Trance, der vierte Duft des Hauses, geht wiederum auf ein altes Vorbild zurück:

„Eine weitere Rekreation ist „Trance“. Sie ist hypnotisch und gleichzeitig Rausch der Sinne, bewegend, intensiv und zweideutig. Trance spiegelt die Ambivalenz Berlins wider: Modernität und Tradition, Mann oder Frau…. wie die Transformation von Unschuld zu Sünde. Herkunft & Sensualität: Jungfräuliche türkische Rose. Verwandlung: Kristallisierte Blütenblätter & Puder. Die verbotene Essenz: Absinth & Balsamharze.“

In einen Rausch verfällt man bei J. F. Schwarzlose zeitgemäß mit einem Ambra-Oud-Akkord, der von Pfeffer, Sandelholz, Patchouli, Vanille und meiner Lieblingsingredienz Nagarmotha angereichert wird.

Seid Ihr wie ich auch Fans solcher Geschichten? Ich liebe ja auch den Werdegang des Hauses Lubin. Wahrscheinlich bin ich eben doch ein alter Romantiker, denn Happy Ends finde ich immer toll. Derart alte Firmen dürfen auch nicht einfach sang- und klanglos verschwinden. Schön wäre im Falle von J.F. Schwarzlose ja, wenn vielleicht gar noch Kontakt zu den Nachkommen zu knüpfen wäre – man weiß leider nicht, wo und wie diese verblieben sind. Wir bleiben hier im Blog dran!

Dann bleibt mir nur ein herzlicher Gruß und das Versprechen, Euch sogleich die Rezensionen nachzuliefern, wenn die Düfte auf meinem Schreibtisch gelandet sind!

In diesem Sinne einen schönen Tag und viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

6 Kommentare

  1. angy
    24. Oktober 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    vielen Dank für den Hinweis auf diese vielversprechenden Neuerscheinungen, als nach Norddeutschland ausgewanderte Randberlinerin hänge ich immer noch mit „halbem“ Herzen an dieser Stadt und werde das interessiert verfolgen. Eine kleine Anmerkung sei erlaubt, meines Wissens war das Auto- Kennzeichen von Berlin in den 30ern „römisch“IA.

  2. Ulrike
    24. Oktober 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Angy,

    Berlinerin im Herzen geblieben, schön 🙂 Dann bin ich ja mal gespannt, ob Dir die Schwarzlosen gefallen – ich hibbele auch schon, liest sich ja durchaus spannend. Bezüglich des Kennzeichens hast Du vollkommen recht: Bis 1945 war es „IA“ für Berlin. Der Duft von Schwarzlose heißt aber tatsächlich 1A-33 – vielleicht, weil Berlin einfach 1a ist? 😉

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

  3. Marion
    10. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Ulrike,

    ist denn schon bekannt, wann die Schwarzlose-Düfte ins Aus Liebe zum Duft-Haus einziehen werden?

    Viele Grüße
    Marion

  4. Harmen
    10. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Marion,

    wenn ich das beantworten dürfte. Bitte beachte den zweiten Absatz des Artikels. 🙂

    Liebe Grüße
    Harmen

  5. Marion
    12. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Harmen,

    na, das ist ja eine bodenlose Frechheit!!! Was fällt diesem großen Kaufhaus (ich weiß welches gemeint ist!) eigentlich ein? Diese Düfte sind ja schließlich auch noch woanders erhältlich, weshalb war es bei den anderen Anbietern KEIN PROBLEM, beliefert zu werden? Ich kann diese unnötige Aufregung überhaupt nicht verstehen. . .dieses besagte Kaufhaus hat sich mit einer solchen Reaktion nicht gerade mit Ruhm bekleckert und sollte nicht so einen Aufstand machen!
    Schade, schade. . .

    Viele empörte Grüße
    Marion

  6. Harmen
    13. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Marion,

    bitte hab Verständnis dafür, dass wir uns zu dem Thema generell nicht weiter äußern möchten. Ich denke, die Sache spricht für sich.

    Bei allen anderen Düften sind wir gerne weiterhin behilflich. 🙂

    Herzliche Grüße
    Harmen

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