Andy Tauer…

liebt ganz offensichtlich Kunst – und Frauen. Anders kann man sich sein neues und ganz wunderbares Projekt nicht erklären, das Harmen in unserem Newsletter am Montag unter „Andy goes to Hollywood“ subsummierte: Eine Kooperation der ganz besonderen Art ist der smarte Schweizer eingegangen, und zwar mit dem Filmemacher Brian Pera, Tableau de Parfums genannt. Der junge Pera schuf eine Kurzfilmreihe unter dem Namen „Woman’s Pictures“ und trat diesbezüglich mit einem ganz speziellen Wunsch an Tauer heran – er wollte die Charaktere seiner Protagonistinnen in Phiolen gebannt haben, das von ihm Verfilmte verparfümiert sehen. Olfaktorische Momentaufnahmen für die Ewigkeit als Ausdruck des Naturells seiner Frauen. Angelehnt und inspiriert sind die „Woman’s Pictures“ an jene klassischen Frauenfilme aus der frühen Zeit des Kinos, sprich – den 30er bis 50er Jahren. Ich würde meinen eine schwierige Zeit für „die Frau“: Identitätsfindung war angesagt, irgendwo zwischen Heim und Herd, klassischer Familie, Aufbegehren, Tradition, neuen und alten Werten, Träumen und Sehnsüchten. Ich bin gespannt, ob sich das alles in den Düften zu den Filmen wiederfindet.

In seiner ersten E-Mail an Andy Tauer, in der Brian Pera eine Zusammenarbeit vorschlug, schrieb er:

„Als ich mit Woman’s Picture begann, hoffte ich, mit einem unabhängigen Parfumeur zusammenarbeiten zu können, der für jede Titelheldin in Woman’s Picture einen Duft kreiert. Die Parfums sollten von den Charakteren der Reihe inspiriert sein, als Interpretationen ihrer Stimmungen und Lebensgeschichten. Ich interessiere mich vor allem für den Dialog zwischen Parfumeur, Filmemacher und Publikum, der dabei entstehen könnte, nicht nur hinsichtlich des Films und des Parfums, sondern auch als Dialog über Frauen, Düfte und Erinnerungen im Allgemeinen. Ich möchte mit einem gleichgesinnten Parfumeur arbeiten, der Wert auf den persönlichen Kontakt zu seinem Publikum legt, eine Beziehung zu ihm aufbaut, welche wiederum Bestand hat und jenseits von Verkaufsinteressen und Kalkulationen liegt.“

Den hat er mit Andy Tauer in jedem Fall gefunden, meine ich. Die Zusammenarbeit ist auf zehn Jahre angelegt und die ersten drei Düfte bereits in den Startlöchern: Miriam und Loretta, 2011 und 2012 erschienen und regulär zu erhalten sowie Ingrid, für die wir uns noch etwas gedulden müssen (Erscheinungstermin ist 2013). Alle Filme sind im Internet erhältlich – siehe hier. Und sie liegen natürlich auch den Düften auf einer separaten DVD bei.

Miriam, der erste Duft der Tableau de Parfums, ist dem ersten Kurzfilm der Reihe zugeordnet, der sich um die gleichnamige Hauptdarstellerin dreht, eine Frau im besten Alter (die rechte Dame auf dem Bild): „Als Moderatorin eines Home-Shopping-Kanals ist Miriam gewissermaßen die beste TV-Freundin für Millionen von Frauen im ganzen Land, die regelmäßig in ihrer Sendung anrufen, um über ihr Privatleben und ihre Lebensgeschichte zu reden. Hinter den Kulissen steht Miriam mit den Männern in Konflikt, die das Studio leiten, ein bunt gemischter Haufen von Anzugträgern, die ihren gefühlsbetonten Zugang nicht verstehen. Zuhause hat sie mit einem faulenzenden Lebensgefährten zu kämpfen. Ihre Mutter ist gerade in ein Pflegeheim gekommen und starrt Miriam während ihrer täglichen Besuche ausdruckslos an, ohne sprechen zu können. Was Miriam mehr als alles andere will, kann sie nicht haben: der Name des persönlichen Parfums ihrer Mutter. Was davon noch übrig ist, ist ein Rest in einem unbeschrifteten Baccarat-Flakon auf Miriams Waschtisch. Wenn es verbraucht ist, wird es eine ganze Welt voller Erinnerungen mit sich nehmen.“ Das drückt sich auch in dem Gedicht aus, das zum Duft gehört:

„Von einer Umarmung geträumt,
die lebendige doch bittersüße Erinnerung an ihr Parfum,
ihr Haar, das golden schimmert in der Morgensonne,
so fein,
die Veilchen des Gartens in ihren Händen,
frisch gepflückt voll Tauperlen tropfend, einer dem anderen hinterher,
die grünen Mairosen auf dem Tisch in Ewigkeit.
Ein Traum längst vergangener Tage,
mit einem Lächeln auf meinen Lippen.“

Miriam ist einem ganzen Wirbelsturm an unterschiedlichen Emotionen ausgesetzt, positiver und negativer, im Job sowie im Privaten. Erinnerungen werden heraufbeschworen, Ängste und Sehnsüchte, Träume und Niederlagen schwirren in ihrem Kopf umher, während sie im Wirrwarr ihres Lebens ihre Frau stehen muss, die Koordinaten für ihre Zukunft (neu?) ordnen muss. Altgewohntes bricht weg, viel Boden unter ihren Füßen wackelt auf einmal, das behagliche Leben wird in Frage gestellt, zwangsweise. Und Miriam muss sich dem stellen, muss sich sich stellen, um es zu meistern – ihr Leben, ihre Zukunft.

Miriam, der Duft, ist nicht unbedingt ein Duft für Miriam, die Frau, vielmehr ist er Ausdruck ihrer Person und Persönlichkeit, fängt ihre emotionale Befindlichkeit, ihre Stimmungen und ihren Charakter ein. Im Unklaren lässt uns Andy Tauer auch, ob Miriam dem geheimnisvollen Duft gleicht, den die Mutter in ihrem wohlbehüteten Flakon aufbewahrt hat. Meiner Meinung nach ist Miriam ein bisschen von allem: Miriam KÖNNTE durchaus der Duft der Mutter sein, wohnt dem Duft doch etwas Nostalgisches inne. Er hat Vintagecharakter, obgleich Andy Tauer den Duft nicht als Vintage-Duft sehen mag, die Zutaten allerdings haben in dieser Kombination etwas angenehm „Altes“: Zitrische Noten, Geranium und Veilchen im Kopf, Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, Veilchenblätter und Lavendel im Herzen und Vanille, Iris und Sandelholz in der Basis.

Miriam steht schon von Beginn an ihre Frau und prickelt und bitzelt mit ihren Zitrusfrüchten so quirlig vor sich hin, dass man das Potential und die Dynamik der Frau bereits erahnen kann. Bergamotte vielleicht? Herb zeigt sie sich, unsere Miriam, allerdings wird ihre Säuerlichkeit sogleich von samtigem Veilchen abgemildert, während minzige Anklänge erfrischende Kontraste zaubern. An dieser Stelle tut sich der Scheideweg auf: Auf meiner Haut entwickelt sich Miriam voller Tiefe – eine dunkelsamtige, angenehm angestaubte Rose auf einem dichten Lavendelbett, von aromatischem Dunkelgrün umrankt und von Vanillepuder überstäubt. Der Duft hat eine solche Tiefe und Kraft, die Rose eine solche Präsenz – schön, wirklich schön! Sandelholz würzt von unten und stiftet zarte Wärme, ein gewisses Rückgrat. Darüber hinaus meine ich, gewisse Chypre-Anleihen zu entdecken, ob gleich die Inhaltsstoffe diese nicht unbedingt hergeben. Auf dem Teststreifen ist und bleibt Miriam – anders. Viel grüner, weniger trocken und auf eine eigenartige Weise fruchtig zeigt sich hier ein wesentlich helleres Röschen. Ebenfalls schön, aber nicht so bezaubernd wie auf meiner Haut.

Miriam ist der Duft einer starken Frau – das weiß man schon ohne den Film gesehen zu haben. Eine Ode an gereifte Weiblichkeit, an eine Frau, die trotz der Stürme des Lebens und einiger Verwehungen doch in sich ruht.

Morgen folgt die nächste Frau, Loretta – ein ganz anderer Typ, ein ganz anderer Duft. Seid Ihr schon gespannt?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Susanne
    9. Oktober 2012
    Antworten

    Oh ja, ich bin sogar sehr gespannt! Loretta steht schon heimlich auf meiner Wunschliste und ich kann deinen Beitrag dazu kaum abwarten :).

  2. Margot
    8. Januar 2014
    Antworten

    Hallo Uli,

    Miriam – so was wunderbares! Loretta – ist nicht wirklich meins, vielleicht brauch ich dafür eine entsprechende Tages- und Willensform. Aber nun: Ingrid!
    Ich vermisse Deine Rezension darüber – würde hier im Blog gerne darüber resümieren – ein Duft, ohne Iris, ohne Pflaume, und ich finde ihn ….. das ist im Moment mehr fühlen als dafür Worte haben. Ich glaub, ich brauch noch eine Weile, bis ich die richtigen Worte finde.

    Schönen Abend und LG,
    Margot

  3. Dorothea
    8. Januar 2014
    Antworten

    In Miriam habe ich mich auch verliebt… Ich finde ihn wunderschön und elegant, vor allem aber auf eine sehr angenehme Weise feminin…

  4. Ulrike
    14. Januar 2014
    Antworten

    Miriam findet immer mehr Liebhaber – toll!

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