Pierre Guillaume…

…war und ist wie immer fleißig – deshalb gibt es gleich zwei neue Düfte aus des Meisters Phiole, die ich Euch heute und morgen vorstellen mag: Djhenné für Parfumerie Générale, der die Nummer 22 trägt, sowie Poudre de Riz für Huitième Art, Guillaumes zweites großes Projekt.

Djhenné sieht sich von der Stadt Djenné in Mali inspiriert. Djenné hat laut Wikipedia knapp 33.000 Einwohner und „liegt in der Massina, einer 40.000 km² großen Niederung mit Binnendelta des Niger und des Bani. Die Stadt selbst liegt auf einer 88 ha großen Insel, umspült von einem Seitenarm des Bani, die bei Niedrigwasser durch eine Furt und einen Damm und bei Hochwasser mit einer Fähre erreicht werden kann.“ Ein eher kleineres Städtchen also ist Djenné, das aber trotzdem sehr bekannt ist aufgrund seiner architektonisch geschichtsträchtigen Besonderheiten: Es gilt als Zentrum der mittelalterlichen Lehmarchitektur im Gebiet des Oberniger.

mud city, mud people

Djenne 1

„Sich der Sonne ergeben“ – das ist der (Halb)Satz, den Guillaume seinem Parfum zuschreibt: Es sei wie ein warmer Schatten, eine ledrige Umarmung aus goldenem Weizen und Myrrhe, ein Schatten, der durch zarte Minzblätter und Seringablüten Schutz vor der sengenden Sonne bietet.

Ein olfaktorischer Oasenrundgang, oszillierend zwischen den Kontrasten und somit voller Ambivalenz: Kalt und warm, frisch und trocken, kühl und süß, Silber und Gold manifestieren sich hier in Noten aus Lavendel, Krauseminze, Flieder, Leder, Zedernholz, Myrrhe, Kakao und Weizen. Das hört sich nach einem Heimspiel für Guillaume an, finde ich – orientalisch angehaucht, ein wenig vielleicht sogar an arabischen Tee gemahnende Frische Hölzer und natürlich Gourmandanleihen.

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Die Stadt Djenné war bis ins 13., 14. Jahrhundert bekannt für seine Hinwendung zum animistischen Glauben, obgleich damals bereits der Islam im Vormarsch war. Vielleicht ist es auch diese heterogene Religion, die Guillaume im (Hinter)Kopf hatte, als er Djhenné schuf? Grundlegend verpflichtend und auch verbindend zwischen allen Formen des Animismus ist deren absoluter Glaube an die Beseeltheit aller Wesen und Dinge. Alles ist heilig im Sinne von respektgebietend und respektfordernd, jedem Stein, jeder Pflanze, jedem Lebewesen, ob Tier ob Mensch, wohnt Lebenswillen und Seele inne, sie alle haben Teil am großen Ganzen.

MALI: femme Bozo sur le Niger

Man könnte durchaus meinen, dass das für Guillaume ebenfalls eine Inspiration war, so liebevoll und behutsam hat er den Duft komponiert: Im Auftakt weht mir Morgenkühle entgegen – Pfefferminze, frisch gepflückte, genauer – Krauseminze, jene herrliche, in arabischen Ländern gerne in Tees verwendete Minzart, und Lavendel, ehrfurchtsvoll herb-aromatisch und dunkelviolett leuchtend. Diese Vorhut führt in die Wärme des Tages über und lässt den Duft schillern: Wie ein Flaneur fühle ich mich dank Djhenné, der mich durch die Oase schlendern lässt. Ich betrete Flecken voller Sonne, von brütender Hitze. Sand rieselt über meine Füße, die auf fester, dunkler Erde stehen, von Rottönen durchsetzt (hier finde ich auch die Henna-Assoziation, die mit namensgebend war). Warme Ledernoten vermengen sich mit knarzigen Zedern, deren Holz von der Sonne getrocknet und gebleicht sich zeigt. Im Pressematerial ist irgendwo die Reden von einem „blond leather accord“ und ich weiß ziemlich genau, was hier damit gemeint ist: Das Leder, das sich ohnehin samten präsentiert, ist eingebettet in Zerealien, würziges und heuartig anmutendes Getreide von einer leichten Süße, die durch pudrige Kakaoanmutungen noch unterstrichen wird. Somit wirkt jenes Leder wirklich hell, ich assoziiere eine gelbgoldene Farbe damit, die der Bezeichnung „Blond“ somit sehr nahe kommt. Und dann ist da noch dieser Hauch Myrrhe, der die ambrierte Basis wärmt auf seine zart-süße, aber doch bestimmte Art.

Jene Süße, die den Duft neben dem erfrischenden kühlen Windchen, das ihn immer wieder durchzieht, dominiert, erinnert mich in ihrer dichten Ausprägung, ihrer an Erde gemahnenden Trockenheit und ihrer sonnig-süßen Wärme in der Tat an – Lehm. Insofern finde ich den Duft überaus stimmig als olfaktorische Impression einer solchen Stadt wie Djenné.

Besonders gut gefällt mir allerdings an Djhenné, dass er in der Tat sonnig ist, wie Guillaume es uns versprach. Diese Sonne hier scheint eben nicht über einem Langnese-Strand irgendwo in Südeuropa und wird auch nicht von Kokospalmen gedämpft – sie strahlt über einer Oasenstadt in Afrika. Außer meinem Liebling Lalibela von MyMemo und natürlich den alten Klassikern von Lutens (Arabie zum Beispiel oder Ambre Sultan) gibt es wenige Düfte, die die Atmosphäre von derlei Stätten so stimmig einzufangen vermögen. Euch etwa? Und – habt ihr schon probiert?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

6 Kommentare

  1. Christiane
    4. Oktober 2012
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    Hallo Uli,
    ich habe den Duft schon probiert – bei den „Zutaten“ schrie der förmlich nach mir. Leider werden bei mir all die schönen Dinge, die da angeblich enthalten sind, von der Zeder überdeckt. Holz soweit das Auge bzw. die Nase reicht. Nicht schlecht, aber nicht das, was ich erhofft hatte. Schade, schade.

  2. Avatar-Foto
    Ulrike
    4. Oktober 2012
    Antworten

    Das ist echt schade, ich hatte nämlich auch schon an Dich gedacht 🙂 Die Hautchemie spielt einem manchmal schon fiese Tricks – wie viele Düfte hätte ich schon gerne geliebt, und, noch schlimmer, liebe sie bei anderen… und bei mir? Da gehen sie dann leider gar nicht. Gemein ist das. Aber es kommen auch wieder andere… Düfte und Zeiten 😉

  3. Christiane
    4. Oktober 2012
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    Versprochen?!

  4. Avatar-Foto
    Ulrike
    5. Oktober 2012
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    Yep, hoch und heilig 😉

  5. Üt
    29. Dezember 2012
    Antworten

    Liebe Uli,

    ich finde den Duft wunderschön! Lavendel und Grüne Minze – das ist ein richtig guter Duft, der mich in den persönlichen Dufthimmel hebt. Lavendel bin ich komplett erlegen seit dem Andy Tauer Lavendelduft und Grüne Minze ist einfach nur göttlich. Mag auch den Harmatan Duft von Guillaume. Besonders begeistert bin ich über die Myrrhe. Das ist das erste Mal das ich sie wirklich erkenne. Ein herzerwärmender Duft der berauscht !

  6. Avatar-Foto
    Ulrike
    31. Dezember 2012
    Antworten

    Minze, da bin ich auch ein großer Fan. Und Lavendel gibt es auch ganz tolle… Du musst unbedingt, wie schon hier erwähnt, Luberon testen! Der wird Dir ganz bestimmt perfekt gefallen.

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