und deren eisige Landschaften inspirierte Arctic Jade, einen weiteren Duft von Agonist, deren Parfums wir uns dieser Tage vornehmen. „Ein kristallklares Juwel von einem Parfum“ heißt es vollmundig im Pressematerial, wo natürlich erneut darauf verwiesen wird, dass Agonist ausschließlich mit natürlichen Essenzen arbeiten.
Für mich ist der Begriff Antarktis untrennbar mit Werner Herzogs großartiger Dokumentation „Encounters at the End of the World“ – „Begegnungen am Ende der Welt“ verknüpft – kennt Ihr sie? Wenn nicht solltet Ihr sie Euch unbedingt für einen tristen Herbstabend vormerken.
Werner Herzog ist für mich der momentan einzig verbleibende, wirklich ernstzunehmende deutsche Regisseur, sieht man mal von dem Deutsch-Türken Akin ab. Den meisten dürfte er durch seine vielen genialen Kinski-Verfilmungen bekannt sein (Aguirre, Fitzcarraldo, Nosferatu) – Herzog darauf zu reduzieren, wird ihm allerdings nicht gerecht: Sein Werk umfasst knapp fünf Dutzend Filme, bisher. Ich liebe vor allem auch seine vielen Dokumentationen aufgrund ihrer ganz besonderen Stimmung, ihrer ganz besonderen Art. Herzog ist selbst auf eine Weise ein Verrückter, nur merkt man es ihm nicht so schnell an wie den Charakteren, die er zumeist in den Mittelpunkt seiner Dokumentationen stellt. Jene schillernden Persönlichkeiten dominieren seine Dokus und werden oft zum Sinnbild für Existenzielles, zur Pausvorlage für die wirklich wichtigen Fragen nach Sinn und Zweck unseres Daseins. Man fühlt sich bei Herzog immer an die vier Kantischen Grundfragen erinnert – Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? – die so gut wie jedes zentrale Feld des Lebens abdecken.
Encounters at the End of the World drehte Herzog in der Antarktis, und zwar ausgehend von der McMurdo-Station, ganz am Südzipfel der Antarktis, an der Südspitze der Ross-Insel gelegen. Mitten im ewigen Eis liegt hier seit den 50er Jahren diese amerikanische Forschungsstation, die einer kleinen Stadt ähnelt. Zwischen 250 und 1200 Leute werden hier regelmäßig bespaßt und versorgt – mit einem eigenen Fernsehsender, einer eigenen Zeitung, einer Kirche und sonstigen Freizeitangeboten für die dort Lebenden, die über das Jahr einer Temperatur von durchschnittlich -17 Grad Celsius ausgesetzt sind. McMurdites oder auch MacTownites nennen sie sich – und, das ist Euch sicherlich schon klar geworden, es handelt sich um einen sehr speziellen Schlag an Menschen. Unterschiedlich sind ihre Ziele, ihre Motivationen, ihr Hintergrund, ihre Erfahrungen – aber so gut wie jeder, der hier unter diesen physiologischen und psychologischen Extrembedingungen lebt und den es hier herzog, ist ein Unikat. Jenen Unikaten gibt Herzog Platz in seinem Film: Er interviewt den Gabelstaplerfahrer, der studierter Philosoph ist und aus Russland stammt. Ins Gewächshaus verschlägt es ihn ebenfalls, wo er mit dem Tomaten-züchtenden promovierten Sprachwissenschaftler ins Gespräch kommt. Er unterhält sich mit einer Frau, die schon an jedem Brennpunkt der Erde gearbeitet hat und mit einem Mann, der allzeit bereit auf jeden seiner (sicherlich ebenfalls abenteuerlichen) Jobs einen Rucksack mitnimmt, mit dem er jeden Tag verschwinden könnte. Als er den Rucksack auspackt, weiß ich warum: Er hat ein ganzes Haus darin auf einem halben Quadratmeter – Zelt, Boot, Küche, Medikamente, alles dabei.
Und neben all diesen Charakteren wirkt sie, die Antarktis – oder sie wirken vor ihr. Vor dieser unwirklichen Ruhe des ewigen Eises, jener kargen Landschaft, die erklärt, warum die Inuit für Schnee und Eis mehrere Dutzend Begriffe haben, die wir hier nicht kennen. Und die doch, auf den zweiten Blick, ein unglaubliches Leben birgt, vor allem unter Wasser – hier tut sich eine ganz eigene Welt auf, unter dem Eis. „Die Kathedrale“ wird sie genannt, diese Welt, von den wenigen Tauchern, die sich herunter trauen, dorthin, wo kein Kompass hilft, wo man sehr viel Übung und eine gute Orientierung braucht, um wieder zu dem kleinen Loch im Eis zu finden, dem Ausstieg in diese andere Welt dort oben. Schon alleine diese besonderen Unterwasseraufnahmen machen Herzogs Film sehenswert, über den schon der berühmte amerikanische Filmkritiker Roger Ebert, dem Herzog den Film auch widmete, sagte, dass er „a poem of oddness and beauty“ sei – siehe hier. Den persönlichen Brief, den Ebert Herzog zum Film schrieb, will ich Euch nicht vorenthalten – siehe hier.
Mich hat das alles schwer beeindruckt – im übrigen samt dem suizidalen Pinguin, einer seltenen Erscheinung im Reich der Tiere, die sich, wie immer, just in dem Moment, da Herzog die Kamera zückt, zeigte und ihr Vorhaben in die Tat umsetzte.
Kann mich Arctic Jade genauso beeindrucken? Vermögen es Agonist, diese unwirtliche und wirkliche Landschaft in einer Phiole zu (er)fassen?
Arctic Jade beißt auf den ersten Riecher mentholisch-alkoholisch in die Nase, und ich kann mir angesichts der Zutaten nicht so recht vorstellen, woher diese frische Schärfe kommt, die dem Duft erhalten bleibt: Kopfnote: Orangen aus Brasilien, Freesie, Rote Johannisbeeren; Herznote: Ägyptischer Jasmin, Thuja, Ylang-Ylang, Himbeere; Basisnote: Indisches Sandelholz, Ambrettesamen, Bourbon-Vanille, Patchouli.
Ist es vielleicht Thuja? Ich kenne zwar noch deren Tinktur, wie Thuja riecht, damit war ich aber überfordert. Je nach Sorte nach Ananas, mitunter auch nach Zitronenbonbons, nach Mandel, Gewürznelken, nach aromatisch-grüner Frische duftend. Ich finde hier in der Tat die Zitronenbonbons, und, je länger ich mich damit befasse, meine ich neben der seltsamen, immer noch minzig-scharfen Frische eben auch Anklänge von Ananas entdecken zu können, von sanfter Onkel-Dittmeyer-Orange ohne Fruchtfleisch begleitet. Eine andere Möglichkeit außer der Thuja sehe ich nicht für das Heraufziehen jenes Väterchen Frosts, das ich in dieser Ausdrucksstärke sonst nur von Eau Radieuse aus dem Hause Humiecki & Graef kenne. Eisig-erotisch zeigt sich der Duft, der nun seine Beerchen offenbart und sich als unterkühltes Kinky-Früchtchen präsentiert. Seltsam hin- und hergerissen fühle ich mich bei all dieser Ambivalenz: Die Kälte bleibt dem Duft durchgängig erhalten, das Eis symbolisierend, während der Schnee wie in manch anderer Kreation – man denke an Villoresi oder auch an Malle – eher fluffig-pudrig umgesetzt wird. Hier sehe ich die Basis ins Spiel kommen mit cremig-samtigen Vanilleakzenten, sehr hell anmutend. Und trotz allem hat der Duft dank des Jasmins, zwischen Früchten und Basis oszillierend, eine gewisse Dämpfigkeit, die mich an Saunagänge erinnert. Aber die Sauna gibt es in McMurdo sicher auch, insofern passt das schon 😉
Ein eigenartiger Duft von einzigartiger Ausstrahlung, der insofern der Landschaft, der er gewidmet ist, gerecht zu werden vermag. Wie steht es mit Euch – interessiert er Euch, habt Ihr den Film schon gesehen oder ihn zumindest jetzt auf der Merkliste? 😉
Einen schönen Tag und liebe Grüße,
Eure Ulrike.
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