Ende November letzten Jahres erschien hier meine Rezension zu Penhaligon’s Juniper Sling, für mich als Gin-Freund eine absolute Entdeckung, wurde doch in diesem Duft die Wacholderbeere nebst feinen Gewürzen prominent umgesetzt.
Um den Wacholder-Faden wieder aufzunehmen, kam Creeds Baie de Genièvre gerade recht. Laut Hersteller soll der Duft einem Dry Martini ähneln, welcher wiederum auf Basis von Gin gemixt wird – und da wären wir wieder beim Wacholder.
Um den Martini ranken sich viele Geschichten, vor allem ist umstritten, wie viel Wermut in einem Dry Martini enthalten sein sollte. Wo die meisten Barkeeper Gin und Wermut 5:1 oder 6:1 mischen, gibt es feinsinnigere Vertreter, die nur das eisgekühlte Glas mit etwas Wermut benetzen, oder man „parfümiert“ die Eiswürfel mit Wermut, indem man den hinzugegebenen Wermut mit dem Schmelzwasser wieder abgießt. Ernest Hemingway, der vermutlich männlichste Schriftsteller der Literaturgeschichte, nannte seine 15:1-Mischung „Montgomery“, denn jener General würde nur dann gegen den Feind kämpfen, wenn er mit seinen Soldaten in diesem Kräfteverhältnis stünde.
Diese Trockenheit in Wort und Bild lässt sich noch steigern. Lebemann Winston Churchill definierte diese folgendermaßen: „Der trockenste Martini ist eine Flasche guten Gins, die mal neben einer Wermutflasche gestanden hat.“ Spaßvögel überbieten jene Definition; entweder solle man „nur den Schatten einer Vermouthflasche auf das Mixglas fallen lassen“ oder aber es reiche, beim „Eingießen eine Wermutflasche anzusehen und sich in Richtung Frankreich zu verbeugen“. Die amerikanische Schriftstellerin Dorothy Parker, bekannt für ihre scharfe Zunge und ihren Witz, konnte Glas für Glas abschätzen, welche Folgen der Martini-Genuss für sie haben würde:
„I like to have a martini,
two at the very most.
After three I’m under the table,
after four I’m under my host!“
Einen feuchten Kuss bekommt man von Tante Bergamotte zur Begrüßung. Darüber hinaus würzelt es mit etwas Zimt und etwas mehr mit Gewürznelke. Trocken, aber eindimensional, wie es eben auf dem Duftstreifen so ist. Auf der Haut kommt nun auch die Basis besser zur Geltung – die Bergamotte-Gewürznelke-Vetiver-Brücke, die sich durch den Duft zieht, verbreitet entschieden trockene Noten, die nur durch Ambra einen Hauch von Abrundung erfahren.
Garniert mit Zimtnoten präsentiert sich die Wacholderbeere krautig-fruchtig-würzig – mir scheinen auch noch ein paar Hölzer mit von der Partie zu sein. „Juniper Sling“ steht geruchlich recht nah am Gin und ist insgesamt etwas fruchtiger, gefälliger und lieblicher aufgebaut. „Baie de Genièvre“ hingegen hat sich dezidiert dem Dry Martini verschrieben, da er noch etwas bitterer und trockener daherkommt. Beide Düfte gleichen sich in einer auffallend mäßigen Haltbarkeit.
„Baie de Genièvre“ sei allen Freunden der mit Wacholder versetzten Spirituosen ans Herz gelegt. Mir gefällt vor allem die konzeptionelle Konsequenz, die den Duft durchzieht. Verschiedene Schattierung von Trockenheit lösen sich ab, jeweils von anderen Bestandteilen hervorgerufen, aber immer harmonisch aufeinander abgeschmeckt.
Ganz viele Grüße von
Harmen
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