… ein bisschen ist nie genug – das wusste schon Estée Lauder. Wir haben uns einmal mehr daran gehalten und uns am Wochenende ins duftende Getümmel der Global Art of Perfumery gestürzt. Mit Herzblut waren wir dabei und ich möchte meine vielfältigen Eindrücke dieser Tage mit Euch teilen.
Was ist die Global Art of Perfumery? Das wird sich der eine oder andere fragen. Wieder andere haben vielleicht noch meine Artikel der letzten Jahre in Erinnerung, siehe z.B. hier. Die GAoP, die früher Global Art of Perfumes hieß, ist eine mittlerweile im vierten Jahr stattfindende und gar nicht mehr ganz so kleine Messe für Nischendüfte und Nischenkosmetik in Düsseldorf. Ins Leben gerufen wurde sie von Frank J. Schnitzler, der Parfumnerds ebenfalls ein Begriff sein dürfte: Dieser war früher Inhaber der gleichnamigen Edelparfumerien in Düsseldorf, bis er seine Geschäfte vor einigen Jahren an den türkisfarbenen Riesen Douglas verkaufte. Die Äpfel fielen in diesem Falle nicht weit vom Stamm: Sohnemann Thomas Schnitzler gründete mit Nobilis eine der deutschen Größen im Duft- und Kosmetikvertrieb, Jan H. Schnitzler, der jüngere Sohn, ist ebenfalls in der Branche tätig. Soviel von hinter den Kulissen.
Sieht man einmal von diversen Messen ab, die sich an (Parfum)Flakonsammler richten, ist die GAoP die einzige Nischenduftmesse in Deutschland – und auch eine der wenigen weltweit: Geballte Duftkraft vornehmlich aus dem Nischensegment findet man sonst in Europa nur auf der Mailänder Esxence sowie auf der Pitti Immagine Fragranze in Florenz. Letztere richtet sich nur an professionelle (Wieder)Verkäufer, während die Esxence seit je her offen ist für interessierte Duftliebhaber. Die GAoP war anfänglich nur an einem Tag für „normales Publikum“ geöffnet, dieses Jahr allerdings komplett zugänglich für jedermann. Diese Information schien noch nicht zu jedem Aussteller durchgedrungen zu sein – in der Tat rechnete man von deren Seite aus eher mit Einkäufern denn mit Endkunden. Das schmälerte aber keinesfalls die Besucherzahlen, meines Erachtens nach waren diverse Perfumeaddicts privat unterwegs, allen voran natürlich auch die Forenschreiberlinge von Parfumo.de. Um diese Onlinecommunity kommt heute niemand mehr drumherum im deutschsprachigen Raum, scheint sie sich doch zu einer ähnlichen Größe zu entwickeln wie Sniffapalooza in den Staaten. Die Parfumo-Delegation hat es sich nicht nehmen lassen und fleißig geschnuppert, getwittert und kommentiert – seht es Euch ruhig einmal an: siehe hier. Und ich durfte deshalb eine meiner Leserinnen kennenlernen, die liebe Evelyn, die für Parfumo.de unterwegs war und sich an dieser Stelle ganz herzlich gegrüßt fühlen darf – leider war wenig Zeit, denn die vielen Stände und Neuigkeiten haben uns wohl beide so absorbiert, der Kaffee muss demgemäß ein andermal nachgeholt werden 😉
Nun möchte ich Euch einladen auf einen kleinen Rundgang durch die Messe – viel Freude dabei!
Als allererstes bin ich über einen meiner Lieblingsvertriebe gestolpert, dessen Stand gleich am Eingang der imposanten Haupthalle des Maritim-Hotels postiert war, wo die diesjährige GAoP stattfand. Deren Firmenrepertoire besitzt eine ansehnliche Größe und beherbergt etliche, vor allem italienische, aber auch andere Perlen. Zwei neue Perlenfamilien durfte ich bewundern, die ganz wunderbar schillerten: Die Kollektion Torre of Tuscany, eine neue Linie von Enzo Torre aus dem Hause Profumi del Forte. In ihrer Heimat hatte man sie schon auf der Messe vorgestellt, nun sind sie endlich auch bei uns gelandet: Fünf Düfte sowie sechs Raumdüfte, die sowohl als Kerzen, Diffusoren als auch als Sprays zu haben sind. Ganz besonders an dieser Kollektion ist, dass sie einerseits ganz typisch italienischer Natur ist, andererseits allerdings vollkommen zeitgemäß interpretiert ist. Prägnante Düfte von erlesener Qualität in sehr hoher Konzentration (die Düfte sind alle Eau de Parfums), die die Handschrift ihrer Heimat pflegen, aber eine Modernität an den Tag legen, die man bei vielen heimeligen italienischen Häusern in dieser Form vergebens sucht. Eine überaus interessante Ambivalenz, die für mich noch mehr an Reiz gewann, als ich die Diffusoren unter der Nase hatte…
Aber erst einmal zu den Düften: Vetiver Moderno, Colonia Toscana, Mughetto Verde, Muschio Marino und Corpi Caldi heißen sie. Vetiver Moderno ist eine gelungene und kraftvolle Vetiverinterpretation, die mich als Liebhaber dieses Grases gleich in Verzücken versetzte – herbe Fruchtnoten im Kopf (Rhabarber und Grapefruit), ein paar Blüten im Herz und holzig-grasigen Rauch in der Basis mit einer ordentlichen Wärme. Mughetto Verde, wie der Name schon sagt, ein grünes, von Blüten umsäumtes Maiglöckchen – und zwar eines, dass sich mitnichten vor der üppigen Konkurrenz verstecken muss. Muschio Marino, der maritime Moschus, zeigt sich friedvoll und ausgeglichen mit Lotosblüte, zarten Gräsern und einer holzig-weichen Basis. Colonia Toscana, ein waschechtes Cologne – aber eines in haltbar und in jung. Und zu guter Letzt Corpi Caldi, der warme Körper – was für ein Traum. Ein zwischen Wärme und Kühle oszillierender Duft voller Gegensätze, sinnlich und hautnah, keck, verführerisch, überlegen, intim, einfach nur schön. Und schaut Euch bitte erst die Noten an: Kirsche, Brombeere, Backplaume, Erdbeere, Traube, Pfirsich, Orange, Mandarine, Minze; Herznote: Maiglöckchen, Jasmin, Rose, Heliotrop, Iris, Ylang-Ylang, Orchidee, Gardenie; Basisnote: Tonkabohne, Patchouli, Zedernholz, Vanille, Eichenmoos, Weißer Moschus, Ambra.
Die Raumdüfte stehen den Düften in nichts nach: Certaldo, Bolgheri, Fiesole, Argentario, Capalbio, Montalcino heißen die sechs, und zu jedem Duft werden zwei Stichwörtchen angegeben – Certaldo wird mit Limette und Basilikum deklariert, Bolgheri mit Freesie und Baumwolle, Fiesole trägt das Etikett Orangenblüte und Jasmin, Argentario Vanille und Ingwer, Capalbio Osmanthus und Tiaré und Montalcino brilliert mit roten Früchten und Zucker. Brillieren ist exakt das richtige Wort – Montalcino war nämlich der erste der Raumdüfte, der mir unter die Nase kam und mir umgehend ein Lächeln ins Gesicht zauberte: Ein Kindheitstraum, ein Teller voller Beeren und Kirschen, von zart-fruchtigen Rosennoten begleitet und von Puderzucker überstreut. Wer jetzt an eine quietschige Fruchtbombe denkt, geht vollkommen fehl – Montalcino ist überraschend komplex und äußerst feinsinnig und gekonnt ausbalanciert, was mich unfassbar neugierig gemacht hat auf die restliche Linie. Liest man die Begriffsduos gelangt man gedanklich allzu flugs in eine falsche Richtung – die Erwartung geht in Richtung Monothematisches, was hier absolut nicht der Fall ist. Ich habe mein Herz sogleich an Fiesole verloren, der ebenfalls so viel mehr als „Orangenblüte & Jasmin“ zu bieten hat: Krautig-herb-grüne Eisenkrautnoten säumen die Blüten, die sich beständig zwischen fruchtiger Leichtigkeit und verführischer Opulenz bewegen.
Mich haben diese Raumdüfte in ihrer meisterlichen Komplexität so beeindruckt, dass ich beschlossen habe, sie Euch gesammelt vorzustellen – an dieser Stelle folgt also alsbald eine ausführliche Rezension der gesamten Torre-Kollektion, versprochen.
Das andere Schmankerl, das ich am Stand entdeckte, werde ich Euch natürlich auch vorstellen: Xerjoff haben sich nicht lumpen lassen und eine Oudkollektion namens Oud Stars herausgebracht.
Und, bevor jemand gelangweilt entgegnet, dass wir ja genug Oud in letzter Zeit hatten – mag sein. Diese Schätzchen hier tragen ihren Prominamen aber durchaus zu Recht: Im Internet werden sie schon sehnsüchtig erwartet, in diversen Foren scharrt man mit den Hufen, wann sie denn nun endlich, endlich kommen. Die Erwartungen sind hoch – weil das Haus Xerjoff, das mich zuletzt mit seinen Sospiro-Düften begeisterte, eben immer einzigartige Qualität offeriert. So auch in diesem Fall: Verarbeitet wurden für die sechs Oud Stars unterschiedliche Oudsorten, und zwar Oud aus Laos, Borneo und Indien. Echtes Oud, logischerweise. Denn mittlerweile wird bei der Masse an Ouddüften, die inflationär den Markt überschwemmte, auch alles mögliche andere, zum Teil auch synthetische verwendet.
Das ist hier natürlich nicht der Fall – „the pure juice“ wurde hier verarbeitet und das riecht man mit dem ersten Atemzug: Sehr präsent ist die Riege und verkörpert all das, was Oudfans lieben. Ich bekomme noch beim Schreiben eine Gänsehaut, den auch mich fasziniert diese Ingredienz seit je her – und diese Serie ist eine so markante, gewagte und meisterliche Hommage an jenes verharzte Holz, wie sie selten anzutreffen ist. Diese Düfte, meine Lieben, sind ihren Preis absolut wert und haben sich von Null auf Hundert in die Meisterklasse der Ouddüfte zu Mona di Orios Oud, by Kilians Pure Oud und anderen katapultiert. Für Fans ein Must-Try. Für alle anderen eigentlich ebenfalls, denn hier zeigt sich, was Oud ist und was Oud kann. Und warum es eine der teuersten Ingredienzen und einer der teuersten Stoffe der Welt ist.
Benannt sind die sechs Kostbarkeiten nach Bezeichnungen und Namen arabischer Städte und Menschen und sind angelehnt an die aus dem 14. Jahrhundert stammenden mittelalterlichen Reiseberichte von Ibn Battuta, der als Marco Polo der arabischen Welt gilt: Mamluk, Fars, Al Khatt, Gao, Najaf und Zafar. Bei Cafleurebon findet sich bereits eine erste Rezension, die ich allerdings nicht in allen Details teile, vor allem nicht was Fars angeht, der für mich neben Zafar, dem Göttervater des Ouds, und Mamluk, jener honigsüßen Oudverführung, der schönste Duft der Kollektion ist.
Bald, sehr bald folgt hier eine ausführliche Rezension – Ihr dürft also gespannt sein! … unter anderem natürlich auch auf die nächsten Tage, denn ich bin noch nicht am Ende meiner Messeerzählungen angekommen 😉
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Liebe Ulrike, ich bewundere Dein geniales DuftGEDÄCHTNIS…!
Danke für den schönen Bericht Uli 🙂
Warte gespannt auf mehr ;-)))
Schöner Bericht Uli. Leider, wie auch im Vorjahr, immer wieder die gleiche Reaktion bei diversen Ausstellern wenn im Gespräch mit den selbigen erwähnt wird man sei Endverbraucher. Sehr Schade, denn schließlich sind es eben diese Endverbraucher die einen Duft kaufen oder auch nicht.
Vielleicht sollte dies durch die Organisatoren doch nochmal besser kommuniziert werden. Das Besuchserlebnis leidet meines Erachtens für den Interessierten oder die Interessierte leider stark darunter. Im Vergleich dazu, ich war bei der ersten Esxence ebenso wie bei der ersten Duftmesse, empfinde ich die Aufgeschlossenheit dem Endverbraucher bei der Esxence und auch bei Pitti angenehmer. Um nicht zu sagen, es liegen Welten dazwischen.
Liebe Uli,
auch ich bin noch immer ganz erfüllt (um nicht zu sagen ausgefüllt!) von den beiden Messetagen und im Grunde sogar irgendwie etwas verkatert. Heute noch immer! *gg* Und nein, das lag nicht an der Abendveranstaltung, die hab ich nämlich geschwänzt, sondern an der Fülle an Infos, Gesprächen, Inspirationen, Düften und neuen Eindrücken!
Und natürlich hab auch ich ganz tolle neue Düfte entdeckt, wie sollte es auch anders sein. ;-))) Und ich befürchte, so 3-5 meiner Entdeckungen werden auch dringend bei mir einziehen müssen. Wenn´s gut läuft und ich mich beherrsche, sonst möglicherweise… Neee, lass wir das! Mehr dürfen es nicht werden!! *gg* Soviel also zu Passionen! 😉
Die Grüße nehme ich freudig zur Kenntnis und gebe sie sehr sehr gerne zurück und bin sicher: Beim nächsten Mal klappt das auch mit uns beiden!!
Hast Du, habt Ihr, bei Parfumo schon die blauen Schuhe des Herrn Wuchsa entdeckt? 🙂
Ganz herzliche Grüße
Evelyn
Huhuu Ihr Lieben,
freut mich, dass Euch mein Bericht gefällt 🙂 Die ganze Woche wird noch messelastig werden, versprochen. Es gab wirklich so viel zu entdecken, da wird es einem so schnell nicht langweilig. Und leider, leider ächzt auch mein Portemonnaie schon präventiv, denn auch bei mir müssen dringend einige Neuerscheinungen einziehen. Leider diesmal auch wieder nicht die preiswertesten, jammer…
Betreffs des Verhaltens gegenüber Endkunden: Ich finde es auch schade, wenn man wirklich so schroff dort ist. Ich selbst bekomme das natürlich nicht so mit, weil ich nicht als Privatperson dort auftrete und mich trotz meines Elfenbeinturmdaseins schon einige kennen.
Was die Schuhe angeht, – hier:
http://twitter.com/#!/Parfumo/status/191128533609889793/photo/1
http://twitter.com/#!/Parfumo/status/191128338826407936/photo/1
Beim nächsten Mal *wunschanmerk* bitte keine Fotos mehr, wo ich hilflos-orientierunglos in der Gegend herumblicke und so aussehe, als gäbe es mich doppelt 😀
Viele liebe Grüße – Uli.
Liebe Uli,
vor ein paar Tagen habe ich dich gefragt, wie es auf der Messe war. Dabei hätte ein Blick in deinen Blog genügt. 😉
Das muß ja ganz phantastisch gewesen sein. Allein die paar Bilder oben, ich wäre da nicht mehr so schnell wegzukriegen gewesen.
Ich liebe Messen. Schmuck, Edelsteine, Glas, Büro, Haustiere, Süßwaren – egal. Ich kriege überall den Rappel und will am liebsten alles mitnehmen. 😉
Vielleicht besser, daß ich nicht dabei war…
Ich lese ganz begierig deine noch folgenden Eindrücke von der Messe. Auch wenn mein Portemonnaie nicht weniger am Ächzen ist als deines angesichts der zu erwartenden Düfte. Und das, wo ich mich gerade ins Borsari-Veilchen verliebt habe (Danke nochmal für die Probe!), und dieses bei aller-aller-nächster Gelegenheit wird einziehen müssen.
Grüße
Kati
Huhuu liebe Kati,
in der Tat 😉 Viel los war, jede Menge neuer Eindrücke und leider wie immer auch neuer Wünsche 😉
Ich bin ja auch empfänglich für Messen jeglicher Art. Der Parmabesuch neulich war eine Antiquitätenmesse, Italiens größte. Das war auch richtig toll, obgleich es bisweilen hier ein wenig an dem nötigen Kleingeld fehlte… Aber das tut es ja eh immer 😉
Freut mich im übrigen sehr, dass Du eine neue Veilchenliebe gefunden hast – das wäre doch gelacht gewesen, wenn wir das nicht geschafft hätten 😉
Viele liebe Grüße,
Uli.