Eine neue Runde Vergessene war längst fällig, denn meine duftenden Schubladen ächzen einmal mehr unter dem Gewicht der ganzen kleinen Phiolen. Da die letzte Zeit wieder von so vielen Neuveröffentlichungen geprägt war, sind einige davon bisher rezensiontechnisch auf der Strecke geblieben. Das mag ich heute ändern und Euch, wie immer kurz und knackig, einen Stoß Düfte vorstellen.
Isabey, das Traditionshaus, das seit den 20er Jahren mit seinem Duft Gardénia bezaubert, hat vor nicht allzu langer Zeit auch was für die Herren aus dem Hut gezaubert: L’Ambre de Carthage heißt er, der Duft, der genauso wie Gardenia in den 20ern zu den Bestsellern des Hauses gehörte. Ein reformulierter Klassiker also, der sich namentlich an das antike Karthago anlehnt, dessen Überreste heute als Weltkulturerbe gelten. Nach einem ersten Test habe ich keine Ahnung, wieso Isabey erst jetzt auf die Idee kam, einen solchen Duft nochmals zu lancieren – dieser Amber ist toll, keine Frage. Und das aus meiner Feder, bin ich doch der ständig neuen Ambradüfte mittlerweile etwas überdrüssig. Üppig ist er und überbordend, voller harziger Wärme, holzig-würzige Süße von Sandelholz atmend. Osmanthus kreiert opulent-wollüstige Noten von reifen Aprikosen und Pfirsichen, von atemberaubend schönen Anklängen von Jasmintee harmonisch getragen. Patchouli sorgt wie immer für Tiefe und Bergamotte zaubert zitrisch-herbe Sprenkler in die Kopfnote. Ein Vergnügen, wirklich. Fans von Düften wie Lubins Idole und Frapins 1697 sowie Ambraliebhaber sollten dringend testen!
Bond No. 9 wartet ebenfalls mit einem Ambraduft auf, schlicht New York Amber genannt. Früher war das wohl einmal der bei Harrods exklusive Amber, jetzt ist er in die normale Kollektion gerückt. Laut Bond No. 9 ist es „amber at it’s warmest“ – darüber hinaus lässt die Firma verlauten:
„A shared male-female scent which perfectly conveys the elegance and style of London—global capital of cosmopolitanism. Velvety smooth and assured, Harrods Amber is as seductive as a glass of scotch, neat.“
Bergamotte, Safran, Muskat, weißen Pfeffer, Rose, Jasmin, Osmanthus, Oud, Ambra, Sandelholz, Moschus, Myrrhe und Benzoeharz hat man hineingepackt, was sich ja eigentlich nach einem reichhaltigen Ambraorientalen anhört. Ich habe keine Ahnung, was Bond mit dem Duft gemacht haben – ich rieche da ganz anderes: Irgendwie seltsame synthetische Mildheit steigt mir in die Nase gleich einer fremdartigen Blume aus der Zukunft. Ledrig-seifig-sanft duftet es, und diese Anmutung wird immer präsenter: Für mich eine sauber-cremige, futuristische Lederblüte, wie ich sie bei Hussein Chalayan auf dem Laufsteg finden könnte. Aber Ambra? Nein. Wenn jemand Ambra findet, dann meldet er das bitte bei mir, ja?
Sospiros Wardasina ist eine limiterte Geschichte und beruht auf der Rezeptur Laylatis – Kräuter, Zedernholz, Patchouli, Vanille, Tabak, Moschus, die man in diesem Duft noch mit Safran und bulgarischer Rose veredelt hat. Und sie einer an – was zwei Ingredienzen so alles bewirken können? Erinnern wir uns nochmals daran, was ich zu Laylati geschrieben hatte:
„Laylati zeigt sich anfangs als Kräuterfee: Kühle Würze, bitteres Grün, herbe Frische und krautige Schärfe, auf ernstem Zedernholz gebettet. Die Zeder offeriert ihre besten Seiten – jene saubere Holzigkeit, gepaart mit der ihr ebenfalls genuinen strengen kühlen Harzigkeit. Patchouli haucht einmal mehr Tiefe ein, zaubert einen raumgreifenden Duftkörper… der im späteren Verlauf „altersmilde“ wird: Tabak, frische Tabakblätter und fruchtige Vanille, auf einem weichen Moschuslager gebettet. Versöhnliche Wärme, die einen gekonnten Gegenpol zu den kantigen Kräutern bildet, und eine ambivalente Aura kreiert. Gar entzückend finde ich die subtile Waldmeisterbrausenote, jene aromatische, die sich bei mir auf der Haut in der Basis räkelt, auf dem Duftstreifen allerdings viel weniger zum Tragen kommt – hier wäre ich sehr gespannt, wer diese Note auch auf seiner Haut wiederfindet.“
Als unisex, aber eher maskulin hatte ich den Duft bezeichnet. Wardasina ist nun doch eher weiblich, aber ich könnte mir den Duft durchaus auch an geneigten Herren vorstellen. Eine prächtige Rose von feiner floraler Süße, von aromatischem Safran würzig unterstrichen und mit dezenten Heunoten versehen – und das alles vor einem Hintergrund aus trockenen Tabakblättern, federleichtem Wolkenmoschus und einem Patchouli-Vanillebett, das ähnlich charakteristisch ist wie das der Lady Vengeance von Juliette has a Gun, nur weniger süß. Schön, überaus schön.
Martine Micallef versucht sich ebenfalls an einer Rose, und zwar einmal mehr mit Oud kombiniert: Royal Rose Aoud ist ihr neuester Streich. Die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte; Herznote: Rose, Jasmin, Sandelholz, Guajakholz, Patchouli, Adlerholz (Oud); Basisnote: Vanille, Moschus. Hört sich alles nach einem helleren Oud-Duft an, ist es auch. Trotzdem überrascht er mich – er ist fruchtig, überaus fruchtig, und ich habe keine Ahnung, wo diese Früchte herkommen. Der Jasmin in Verbindung mit der Rose? Es ist eine zitrische Rose und Bergamotte ist auch noch mit drin, klar – aber diese Fruchtnoten stellen mehr dar, duften ein wenig nach Ananas und wecken so Erinnerungen an Night Oud, ebenfalls aus dem Hause Micallef. Schade, dass ich ihn nicht parallel zum Test hatte, das hätte ich gerne verglichen. Alles in allem keine typische Oud-Rose und ein eher freundlicherer Oudkandidat.
Masakï Matshushïma hat gerade eben Tokyo Smile lanciert, eine Hommage an die pulsierende Metropole, die für den Designer wohl ein Synonym für Optimismus und Lebensfreude darstellt. Dazu passt der Duft ziemlich genau: Ein exotisches Früchtestillleben, dass mir sofort ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Säuerlich-saftige Grapefruit, endlich einmal deutlich zu vernehmende Maracuja, sanft-samtiger Pfirisch samt Blüten und sauber-zitrische Yuzufrucht, von Moschus unterlegt und von einem zarten Röschen umrankt. Spritzig, fruchtig, dynamisch und voller guter Laune.
Damit verabschiede ich mich für heute und starte mit einem japanisch motivierten Grinsen ins Wochenende –
liebe Grüße
Eure Ulrike.
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