Miller Harris…

…lancierte vor einiger Zeit schon zwei neue Düfte, die eigentlich bereits reif für unsere Vergessenen-Serie wären: Zu lange warteten sie jetzt schon auf ihre Rezension, immer kam etwas dazwischen – dabei bin ich durchaus angetan von den beiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten… Aber von vorne: La Fumée und La Pluie heißen die beiden, und sind natürlich britisch-brav einmal an Männlein und einmal an Weiblein gerichtet – dann hört es aber auch schon auf mit der Angepasstheit…

La Fumée, der Rauch, verspricht ein süchtig-machendes Düftchen zu sein, ein rauchig-holziger Wirbelwind, dem man sich nicht verwehren kann. Dafür hat Lyn Harris auch ordentlich tief in die Kiste der Holze und Harze gegriffen: Labdanum und Elemiharz, Weihrauch aus dem Jemen, Birkenteer und Ambra sowie Zedern- und Sandelholz finden sich hier. Bei soviel geballter Kraft fallen Geranium, Kardamom, Koriander, Papyrus und Kumin nicht mehr wirklich ins Gewicht, mag man denken – wir werden es gleich testen.

Ich ahne in jedem Fall schon Gefahr… Harris hat ein Händchen dafür, kontemplative Düfte kongenial umzusetzen: Für mich reicht dafür als Beweis ihr wunderschöner En Sens de Bois, den ich vor einiger Zeit rezensiert habe – siehe hier. Inspiration für En Sens de Bois war Kyoto mit seinen traditionell japanischen Gärten – und exakt das vermochte Harris umzusetzen: Mit En Sens de Bois hat sie eine olfaktorische Meditation geschaffen, einen in Duft gegossenen Zengarten mitsamt seiner erhabenen Aura, seiner Ruhe. Ein Duft so voller stiller Ruhe, von der man zehren kann. Ein Ort, eine duftende Insel, die man aufsucht – um sich zu entspannen, um zu sich zu kommen, um Kraft zu schöpfen.
???Basilica In The Sunshine?Litang Temple?Sichuan?CHINA?

Mit La Fumée ist Harris meines Erachtens nach Ähnliches gelungen, Harris entführt uns hier ebenfalls an einen stillen, erhabenen Ort, der, wie ich finde, ebenfalls in Asien liegt – in ein buddhistisches Kloster. Ich kann nicht anders, exakt das ist meine Assoziation. Frisch aufgesprüht weht mir Birkenteer entgegen, der Nebelschwaden kühlen Weihrauchs hinter sich herzieht. Kalter Stein und die Wärme von schwelender Holzkohle, kokelnd, auf der die süßen Harze vor sich hin glühen, die Luft mit ihrem Duft schwängernd. Der Rauch von Sandelholzräucherstäbchen schwingt sich empor, vermengt sich mit dem harzigen Nebel und weht hinweg über altes Pergament, durch samten-seidige Gebetsfahnen hindurch in den Tag. Ernst riecht er, der Duft, bedächtig, aber auch vertraut, Geborgenheit vermittelnd, beschützend und behütend.

Was für eine Schönheit, was für ein Duft. Wie wundervoll hier Wärme und Kühle ausbalanciert sind, wie sich Harze und Hölzer miteinander vermählen und wie herrlich prächtig das Resultat ist, ohne auf irgendeine Weise vordergründig oder prätentiös-präsent zu wirken.

Dharma student studies after the Hevajra empowerment on Bodhisattva day, inside Tharlam Monastery of Tibetan Buddhism, Bodha, Kathmandu, Nepal

Tibetan Buddhist prayer wheels decorated with katags, Om Mani Padme Hung, mantra, Sakya Monastery of Tibetan Buddhism, Greenwood, Seattle, Washington, USALa Fumée ist ein Kraftort, und das meine ich ganz unesoterisch. Weihrauchfreunde dürften wissen, was ich meine: Eine Trutzburg im Alltag. Rückgrat. Und La Fumée ist dafür, für einen Weihrauch in sich tragenden harzenden Holzling, ziemlich gefällig. Kein Anfängerweihrauch wie der zart-florale Passage d’Enfer von L’Artisan Parfumeur oder der sehr schöne ruhige und zahme Encens Flamboyant. Aber eben doch weit verträglicher als Kracher wie Norma Kamalis leider vergriffene FSK-18-Variante Incense, Etros Messe de Minuit, die kalte Kathedrale, oder auch einige Kandidaten der beeindruckenden Incense-Series von Comme des Garçons. La Fumée dürfte hier eine schöne Lücke füllen: Prägnant, aber gleichwohl kein fröstelnder Kirchenweihrauch, sondern wohlige duftende Alltagsauszeit für Kopf und Geist, so etwas wie Yoga in Flaschen vielleicht.

Ich hoffe, ich habe Euch ein wenig neugierig gemacht – das bleibt Ihr auch bitte, denn La Pluie morgen hat es ebenfalls verdient!

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Dorothea
    11. April 2012
    Antworten

    Liebe Uli,

    allein schon der Anblick der Bilder ließ mich aufhorchen und Deine Rezension lässt erst recht mein Herz höher schlagen…
    Ich muss sowohl den La Fumée als auch En Sens de Bois unbedingt testen (wie konnte dieser mir denn entgehen? Und das mit Iris in der Kopfnote? *Probebestellfinger zuck*).

    Natürlich wüsste ich gerne, wie die beiden im Vergleich zu Dzongkha zu sehen sind, etwas weihrauchlästiger, nehme ich an…

    Zum Thema Weihrauch und Kraft fällt mir noch ein Erlebnis ein. Obwohl ich schöne Düfte liebe, bin ich weit davon entfernt, zu viel in sie reinzuinterpretieren oder ihnen gar irgendwelche Wirkungen zuzuschreiben.
    Allerdings machte ich letztes Jahr, nach einem zehntägigen Krankenausaufenthalt, der natürlich mit gleichzeitiger Parfum-Abstinenz verbunden war (ich ließ mir zwar Hiris bringen, in der Hoffnung, vielleicht ein kleines Tröpfchen auf mein Handgelenk zu träufeln, zum Aufhellen der Stimmung, fand den Duft aber irgendwie anders als sonst), eine interessante Erfahrung.

    Wieder zu Hause angekommen, habe ich mich als Erstes auf mein Parfumschränkchen gestürzt und erlebte Ähnliches wie mit Hiris – alles roch seltsam und irgendwie abstoßend. Alles – bis auf Dzongkha. Vielleicht ist an den Weihrauch-Düften wirklich etwas dran…

    Viele Grüße

    Dorothea

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    Ulrike
    13. April 2012
    Antworten

    Hallo liebe Dorothea,

    herzlichen Dank für Deine Zeilen – freut mich sehr, dass Dir die Bilder gefallen. Hat wie meist ein bisschen gedauert, bis ich etwas für mein eigenes Empfinden Passendes gefunden hatte. La Fumée als auch En Sens de Bois sind beide kräftiger als Dzonghka. En Sens de Bois ist – streng. Denk an Yoga: Da gibt es die ganzen spirituellen Wohlfühlauslegungen – das wäre dann Dzonghka, und dann die „reine“ Schule ohne Schnickschnack und Wellness – das wäre dann En Sens de Bois. Verstehst Du, was ich meine? 😉
    La Fumée ist monothematischer, die beiden anderen kreieren richtige Bildwelten, sind Spaziergänge. La Fumée ist eher eine Momentaufnahme.

    Die Krankenhausgeschichte kann ich sehr gut nachvollziehen und ich glaube auch, dass am Weihrauch als Kraftort etwas dran ist, so man als Ministrant keine schlechten Erfahrungen gemacht hat…
    Für mich sind Weihrauchdüfte ausschließlich fürs Gemüt da, für mein eigenes 😉

    Viele liebe Grüße zurück,

    Uli.

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