Von Plastikblumen, Knabenchören, Tinte und Odeur 71

Odeur 71 von Comme des Garçons soll aus 71 verschiedenen Inhaltsstoffen bestehen, eine respektable Hausnummer, würde ich sagen. Nach unserem Aus-Flug mit Odeur 53 vom letzten Mal soll nun dessen direkter Nachfolger unter die Lupe genommen werden. Die zum Großteil gewohnt verrückt klingenden Noten lauten:
Bambus, Batterien, Eichenmoos, Fichtenharz, heißes Metal, Hyazinthe, Lorbeerblatt, Tinte, Toastbrot, verbrannter Staub, Weihrauch, weißer Pfeffer. Sie sollen bestimmte Assoziationen wecken, die in der Grundidee mit diesen Stichworten umrissen wurden:

Elektrizität, Metall, warmer Fotokopiertoner, Mineralien, frisch geschmolzenes Aluminium, Hyazinthe, Tinte, frisch gespitzter Bleistift, brennender Weihrauch, Holz und Moos, Bambus, Weißer Pfeffer.

Mother of Pearl

Nach dem Aufsprühen musste sofort noch einmal Odeur 53 zum Vergleich her. Hatte dieser noch frische ozonische Noten im Auftakt, die bald in eine lösungsmittelähnliche Richtung abdrehten, weist Odeur 71 fast schon ein florales Bouquet auf. Könnte ein riesiger Garten aus Plastikblumen überhaupt duften, dann so – florales Plastik.

Ein fundamental anderes Bild aber auf der Haut! Tinte spielt eine der Hauptrollen, eine andere füllt ein geradezu fieser Plastikgeruch aus, ähnlich dem von „Skai“. Frisch gespitzter Bleistift meinetwegen, pfeffrige Noten sind auch recht deutlich auszumachen. Schwere oder einen gewissen Nachdruck erhält der Duft sicherlich durch Hölzer und Harze, die in nicht genauer zu definierender Art und Weise im Untergrund schwelen.

water, ink and glass

Odeur 53 wirkt im Vergleich wie der Thomanerchor – dem ich selbstverständlich de profundis meines Herzens zum 800. Geburtstag gratuliere – Odeur 71 ist dagegen eher eine dreckige, alte Scheibe von Metallica. Ich übertreibe wie gewohnt ein bisschen. Odeur 71 ist deutlich mutiger, krasser im Auftritt und auch noch eine ganze Schippe künstlicher.

Was für den Odeur 53 ohnehin galt, gilt auch für 71: beide sind natürlich äußerst eigenwillige Schöpfungen mit klarem Hang zum Konzeptduft und zur gezielten Provokation. Aber untragbar sind sie beide keineswegs. Odeur 71 zeigt nach seinem fulminant synthetischen Beginn florale Seiten, die bereits auf dem Duftstreifen ansatzweise wahrzunehmen waren. Vielleicht setzt sich hier die angegebene Hyazinthe ein wenig durch, zum Hello-Kitty-Gedächtnisduft taugt er trotzdem nicht.

Illumination

Ich muss sagen die beiden Odeur-Düfte wie auch die Düfte aus der Series 6: Synthethic haben mich sehr beeindruckt. Traditionelles bekommt man ja auch viel unter die Nase, da macht es wirklich Spaß auch mal ein paar Kracher zu besprechen, die ganz bewusst gegen das Althergebrachte aufbegehren.

Es ist ein bisschen still geworden bei den Kommentaren, wo ich doch mit extremen Meinungen zu diesen Düften gerechnet habe. Sind sie Euch zu harmlos?

Viele Grüße
Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

2 Kommentare

  1. Margot
    28. März 2012
    Antworten

    Hallo Harmen,
    ich war so frei, und hab meine Odeur 53 und 71 Pröbchen rausgekramt und sie mir auf den Arm gesprüht. Der 53er hat bei mir eine eher luftige Wirkung, interessant, aber nicht wirklich haltbar.
    Der 71er dagegen hat in mir sofort eine Assoziation einer am Wegesrand im tiefsten Texas gelegenen Autowerkstatt hervorgerufen (Ohne vorher nochmal Deine Rezension gelesen zu haben!). Eine Scheune eher, in der gerade ein alter Mustang poliert und zum Leben erweckt wird. Wüstensand, Metall, Auspuffgase, Autopolitur. Und eigentlich hat er was an sich, das mich immer wieder intensiv schnuppern ließ. Eine gewisse Süße, nicht unangenehm. Tragbar? Ganz bestimmt! Halt gewöhnungsbedürftig. Und ich bin froh, dass sich diese Pröbchen in meiner Sammlung er seltsamen Düfte befindet 😀

    Liebe Grüße,
    Margot

  2. Harmen
    30. März 2012
    Antworten

    Hallo Margot,

    wieder mal interessant, was dabei so alles rauskommen kann. 🙂 Da fand ich den Garage weitaus werkstattlastiger 😉

    Viele Grüße
    Harmen

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