Mit den Naturschönheiten von Testa Maura hatte ich gestern bereits begonnen, heute folgen die restlichen drei Düfte der Bucolica-Kollektion, die aus naturreinen Ölen und Alkohol aus garantiert biologischem Anbau gefertigt wird.
Beginnen möchte ich mit Loriani, benannt nach dem Geburtstort von Xavier Torre:
„Eine friedliche Idylle inmitten der Berge von Korsikas Norden inspiriert diese moderne Version des ursprünglichen Lavendel-Vanille-Akkords. Diese Harmonie aus wildem Lavendel, Orangenblüten und reiner Vanille führt uns zu den Ursprüngen der „Grand Parfümerie“ – erwecken der Sinne. “
Lavendel-Vanille? Das erinnert natürlich sofort an – Jicky, genau. Kreiert 1889 von Aimé Guerlain war Jicky einer der ersten Düfte (Houbigants Fougère Royal war der erste), in dem zusätzliche synthetische Stoffe Verwendung fanden. Bis heute ist Jicky eine Ikone, zeitlos klassisch und wunderschön. Darüber hinaus muss man an dieser Stelle erwähnen, dass Jicky eigentlich ziemlich gut weggekommen ist: Die wegen übertrieben strikter Hygienevorschriften erzwungene Reformulierung hat dem Duft nicht geschadet, er ist fast ein wenig schöner geworden dadurch, wie ich finde – leider ganz im Gegensatz zu einigen anderen Klassikern, die lediglich noch ein Schatten ihrer selbst sind. Ich hatte schon einmal ausführlich darüber berichtet, siehe hier.
Aber kommen wir zu Loriani – dieser ist eine echte Liebeserklärung an den Lavendel und wäre ein perfekter Duft für Harmens Lavendel-Serie gewesen. Loriani ist – ein Rohdiamant. Und ein wenig ungestüm. Aber nichtsdestotrotz oder vielmehr genau deshalb von betörender Schönheit. Immer vorausgesetzt natürlich, man mag Lavendel 😉 Besondere Komplexität darf man keinesfalls erwarten, das ist aber hier auch nicht Thema. Die Betonung liegt klar auf den einzelnen, wenigen Ingredienzen, die in erlesener Qualität miteinander verwoben und aufeinander abgestimmt werden. Wilder Lavendel, ernsthaft und erhaben, in seiner Krautigkeit von Thymian unterstrichen, zelebriert waldig-erdige Anklänge, die einen verhaltenen Lederschleier evozieren. Die Vanille zeigt sich federgleich cremig und von einer feinen Würze, während Orangenblüten zarte floral-fruchtige Süße zeichnen. Kontemplativ. Entspannend. Einfach. Wie sagte einmal Saint-Éxupery, der Autor des Kleinen Prinzen: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“
Mia Murza ist unser nächster Kandidat:
„Die gelbe, von Sonne verwöhnte, wilde Strohblume, wächst an den ausgedörrten, unzugänglichen Berghängen und Küsten Korsikas. Sie versprüht einen sinnlich, betäubenden Duft. Mia Murza bewahrt die animalische Verführung im Herzen, für ein Eau de Parfum, fesselnd und einzigartig.“
Kleine gelbe Blume – das hört sich so harmlos an… Die gemeinte Immortelle ist genau das Gegenteil davon: Charakterstark und charakteristisch ist sie olfaktorisch ein echter Spalter – entweder man liebt oder man hasst sie, sehr viel mehr Nuancen wird es kaum geben. Ich liebe Immortelle, obgleich ich nicht jeden Duft tragen kann, in dem sie vorhanden ist – und dem sie dann meist ihren Stempel sehr prägnant aufdrückt. Histoires de Parfums Marquis de Sade, der Lasterhafte, ist zum Beispiel ein solcher, Huitième Arts Fareb oder auch der herrliche Chypre Corps et Âmes aus der Private Collection von Parfumerie Générale. Immortelle Marilyn von Nez à Nez präsentiert uns die feminin-verführerischen Akzente der Immortelle und zeigt, dass sie sich in der Tat auch zivilisiert-weiblich verhalten kann (unterstellt mir jetzt hier keinen falschen Zusammenhang, bitte!). In Mia Murza lernen wir eine bekannt dominante Immortelle kennen – und das ist ja auch so gewollt: Vier Zutaten kennt der Duft, Bergamotte im Kopf, dann Immortelle, die unverkennbar die Hauptrolle spielt, sowie Patchouli und Labdanum in der Basis, um ihr Tiefe zu verleihen. Die Strohblume wird hier gefeiert, gewürdigt, verehrt.
Die herb-frische Zitrusfrucht Bergamotte kitzelt im furiosen Zusammenspiel mit der Strohblume ausgewachsene Ledernoten aus dieser hervor, welcher man ansonsten höchstens in einem sehr guten Chypre gewahr wird. Im Duftverlauf darf sich die schöne Strohblume von allen ihren Seiten zeigen: In ihrer vollen Blüte stehend offeriert sie die ihr genuine Blumigkeit, Würze und Wärme. Letztere wird auf gekonnte Weise in ihrer wuchtigen Harzigkeit von Labdanum untermalt, während Patchouli wie so oft dem Duft einen Körper verleiht, ihn dreidimensional wirken lässt und ihm erdige Bodenhaftung verleiht. Mögen wird Mia Murza als Vorzeigestrohblume nur, wer jenes kleine gelbe Blümelein zu schätzen weiß. Ihre Eigenwilligkeit ist Geschmackssache – aber, ob sie nun gefällt oder nicht, bemerkens- und auch bewunderswert ist sie in ihrer Einzigartigkeit auf jeden Fall.
Carticasi bildet den Abschluss der Testa Maura-Düfte:
„Nach wahrer, korsischer Tradition eine Verehrung an das Dorf der Mutter. An diesem magischen Ort wurde ein sowohl verwirrendes als auch sehr sinnliches Parfüm geboren, das sich auf der Haut wie eine umhüllende Liebeserklärung entwickelt. Eine explosive, olfaktorische Hochzeit aus göttlichem Mastix, grünen Galbanum und der Rose. “
Auch Carticasi – dessen Vorbild, das Dorf, im übrigen 2008 von genau 31 Bewohnern bevölkert wurde – bildet im Vergleich mit den anderen Testa Maura-Düften keine Ausnahme: Die Anzahl der Ingredienzen ist übersichtlich, dafür erschließt sich mit dem ersten Riecher sogleich die Qualität derselben. Diese Strahlkraft – kein aus billigen synthetischen Essenzen zusammengepanschter Duft verfügt über eine ähnliche Aura. Carticasi brilliert hier mit einer unnachahmlichen Rose, die von Mastixharz, Galbanum und Ylang kongenial akzentuiert wird: Luftig-leicht präsentiert sie sich und zeigt zitrisch-fruchtige Akzente, die fruchtsüß von tropischem Ylang, aber vor allem von Mastixharz unterstrichen werden. Harz? Ja, Harz. Mastixharz entstammt dem Mastix-Pistazienbaum, genannt Pistacia Lentiscus. Ganz im Gegensatz zu anderen Harzen riecht Mastix fast schon transparent und auf entzückende Weise zitrisch, vornehmlich zitronig, nicht ohne jedoch über typische Harzelemente zu verfügen. Diese etwas ernsthafteren Züge des Duftes sind sein Standbein, sein Rückgrat – sie verleihen im die Tiefe, die von Zederholz perfekt aufgegriffen und verstärkt wird. Galbanum, ebenfalls ein Harz, ist auch kein typischer Vertreter seiner Gattung. Bitter duftet es, etwas kampferartig und ein wenig krautig, oft jedoch auch minzig. Insofern deckt es in diesem Duft den Bedarf nach Grün ab – es spendet Blatt- und Wurzelwerk, zaubert etwas Moos an den Fuß jener grazilen Rose. Denn eine solche ist Carticasi in allererster Linie – eine beeindruckende Rose, die durch gekonnt abgestimmtes „Beiwerk“ in den Mittelpunkt gerückt wird.
Mir gefällt die Testa Maura-Kollektion. Zeit braucht sie, das sollte ich vielleicht erwähnen: Die Düfte haben alle eine sehr gute Sillage, duften aber im ersten Augenblick sehr „ökig“ – man sollte ihnen ausreichend Zeit zugestehen, um auf der Haut wirken zu können. Ich bin sehr gespannt, was Ihr davon haltet – habt Ihr schon getestet? Und wie steht Ihr generell zu komplett natürlichen Düften?
Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Eure Ulrike.
Liebe Uli,
bei natürlichen Düften bin ich ja sehr gespalten.
Einerseits kann ich nicht genug kriegen von Lavendelöl (aus echtem Lavendel, nicht Lavandin!).
Ebenso finde ich keinen Duft heimeliger und tröstender als Kamillenöl. Echtes reines Kamillenöl (keine Mazerate in Olivenöl) ist sehr schwer zu bekommen und sehr teuer. Das ist der Duft, den ich tragen will, wenn ich aus der Badewanne direkt ins warme Bett hüpfen möchte.
Und eine Vielzahl anderer ätherischer Öle und Hölzer schätze ich sehr. Sogar „Stinkendes“ wie Wacholderholz(!)öl kann ich gut leiden.
Andererseits finde ich viele natürliche Parfums zu… ja, ökig. Zu wenig fein.
Nicht alle, aber viele.
Woran liegt das nur?
In vielen natürlichen Düften rieche ich von Silage über Bierhefe bis hin zu Erbrochenem (ja..) alles raus, aber nicht die deklarierten Pflanzenauszüge. Oder nur ganz weit im Hintergrund. Hinter einem dicken Vorhang aus Gerbsäure oder was auch immer.
Wo ist hier der Unterschied zu den Ölen?
Kannst du dir da einen Reim drauf machen?
Liebe Grüße
Kati
(die trotzdem weiterhin versucht, allen Düften vorurteilsfrei zu begegnen)
Huhuu liebe Kati,
da ticken wir mal wieder gleich – ich mag auch so einige dieser „Stinker“ 😉 Und was Kamille angeht – da würde ich mir schon lange einmal einen Duft mit wirklich prägnanter Kamille wünschen.
Betreffs der Bioparfums kann ich das gut nachvollziehen… Einige muten wirklich zu ökig an – dieses Wörtchen hätte ich jetzt auch gewählt. Und sind auch zu grob verblendet, ich mag das auch nicht besonders. Trotz allem – offen bleiben. Gerade auch z.B. die letzten Honoré des Prés-Düfte riechen überhaupt gar nicht so, als sei nur Natur verwendet worden, sie riechen eher nach einer wohlfeilen Mischung. Kennst Du die, diese NY-Serie?
Viele liebe Grüße,
Deine Uli.
Liebe Uli,
Die NY-Serie kenne ich (noch) nicht, aber ich halte Augen und Nase offen. 🙂
Ich unterscheide bei Düften generell danach, was mir gefällt, und was ich tragen möchte. Das ist nicht immer dasselbe.
Ein Duft, den ich trage, muß mir „stehen“, er muß sozusagen einen Teil meiner Persönlichkeit wiedergeben. Gefallen tut mir hingegen alles mögliche.
Ähnlich wie bei Farben: Ich liebe warme Farben, tragen kann ich dagegen nur kalte Töne.
Bleibt die Frage, was man mit Düften anfängt, die einem gefallen, die man aber nicht tragen möchte.
Ich bedufte meine Wohnung damit. Natürliche Öle eignen sich dafür hervorragend. Die „erden“ einen, mental. Erzeugen eine heimelige Stimmung. Und da dürfen es auch ruhig mal kräftigere Noten sein.
Es ist einfach toll, wenn man seinen Bücherschrank aufmacht, und es riecht nach… Wacholderholz.
Oder wenn man zwischen die Handtücher Zedernholz-Kugeln legt, die man zusätzlich mit Zedernholzöl beträufelt hat.
Das Innenleben meines Kopfkissens bedufte ich mit Lavendelöl. Nur so wenig, daß ein ganz zarter Duft aufsteigt, jedes Mal wenn ich mich darauf umdrehe.
Manche natürlichen nicht-ätherischen Öle verharzen dann mit der Zeit an ihrem Ort. Sie riechen dann knorkiger, eigenwilliger. Zum Beispiel mein geliebtes Sandelholzöl, womit ich das hölzerne Gehäuse meiner Tischlampe lasiert habe. Wenn ich die Lampe einschalte, wird sie kurz darauf warm, und das ganze Zimmer wird mit Sandelholz-Duft durchströmt. Es treten dann nach einiger Zeit interessante Ester und Aldehyde zutage. Die ganze Palette der prozyklischen aromatischen Wasserstoffe. Sie wandeln sich ständig, riechen aber nie unangenehm.
Ich wurde schon oft gefragt, was denn in meinem Zimmer so gut rieche. 😉
Jene hochausgeklügelten synthetischen Düfte würde ich nicht gerne als Raumduft verwenden wollen (bei so manchem Raumduft habe ich mir aber schon gewünscht, er wäre ein Parfum).
Ich habe synthetische Düfte in meiner Umgebung irgendwann einfach über, wenn ich sie ständig rieche. Das ist bei natürlichen Substanzen anders. Die kann ich eigentlich NUR in meiner Umgebung ertragen, nicht auf meiner Haut oder an meiner Kleidung.
Liebe Grüße
Kati
(die sich in ihren Österreich-Aufenthalt verabschiedet)
Huhuu liebe Kati,
die NY-Serie solltest Du Dir mal unter die Nase klemmen, vor allem den Vamp à NY. Den fand ich ziemlich kantig, aber sehr beeindruckend. Und gefallen hat er mir auch. Ich habe zu allen Honoré-Düften auch Rezensionen verfasst, wenn Du Lust und Zeit hast, kannst Du ja mal schmökern. Vor allem besagter Vamp, der Schamane sowie der sexy Angelic hatten es mir angetan (was sagt das nun über mich?).
Betreffs des Gefallens bin ich „ganz bei Dir“: Ich kann das in jeglicher Hinsicht unterschreiben. Wie oft habe ich mir in der Vergangenheit schon Kleidung gekauft, die mir gefiel, die aber überhaupt nicht mit meinem Naturell zu vereinbaren war. Deshalb sind irgendwann auch alle Blümchenkleider ausgezogen 😀 😉
Genauso – Farben. Ich finde (manche) Farben einfach toll – anziehen kann ich aber nur Gedecktes und am liebsten Schwarz.
Mit Schuhen ist es nicht ganz so schlimm, mit Parfums habe ich es mittlerweile auch im Griff… 😉
Was Naturdüfte angeht – ich mag sie ebenfalls in der Wohnung, verwende aber zur Raumbeduftung alles Mögliche: Kerzen, Diffusoren, die Lampe Berger sowie Räucherstäbchen (am liebsten japanische) und zum Teil auch Öle. Ich mag hier beides, sowohl natürliches als auch synthetisches. Das Sandelholzöl ist aber ein toller Tipp, ich muss das mal bei meinen Holztischen versuchen… Danke dafür!
Viele liebe Grüße,
Uli.